Anzeige

Frankfurter Buchmesse zieht Resümee

25. Oktober 2021, 12:00

Die 73. Frankfurter Buchmesse ist zu Ende. 36.000 Fachbesucher*innen aus 105 Ländern und 37.500 Leser*innen aus 85 Ländern kamen auf das Messegelände. Vorherrschend war die Freude über den Neustart der Buchbranche, Kontroversen gab es um die Grenzen der Meinungsfreiheit.

Dank eines umfangreichen Hygienekonzeptes konnte sich das Fach- und das Privatpublikum unter dem Motto “Re:connect” wieder sicher begegnen. 36.000 Fachbesucher*innen aus 105 Ländern und 37.500 Leser*innen aus 85 Ländern hat die Frankfurter Buchmesse 2021 als die erste große Präsenzveranstaltungen der internationalen Buchbranche erreicht. Insgesamt 2013 Unternehmen aus 80 Ländern präsentierten sich in den Hallen, im LitAg, an den neuen Workstations oder als digitale Aussteller*innen im Netz. Insgesamt 2.500 Medienvertreter*innen aus 39 Ländern waren für die diesjährige Frankfurter Buchmesse akkreditiert.

Wiedersehensfreude
Dazu Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse: „Die 73. Frankfurter Buchmesse markiert nach 18 Monaten einen Neubeginn und hat angesichts der weltweit geltenden Reisebeschränkungen unsere Erwartungen weit übertroffen. Dies zeigt, wie resilient und kreativ unsere Branche ist. Viele Aussteller*innen und Fachbesucher*innen äußerten sich sehr zufrieden über die Qualität der Gespräche. Man konnte die Wiedersehensfreude in den Hallen förmlich spüren. Mit unserem digitalen Fachprogramm haben wir eine Brücke zu Teilnehmer*innen geschlagen, die in diesem Jahr nicht reisen konnten.“

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: „Die Frankfurter Buchmesse war geprägt von Wiedersehensfreude und Aufbruchsstimmung. Die Branche geht gestärkt aus der Pandemie hervor und hat die Messetage für die persönliche Begegnung, den Austausch über wichtige Branchenthemen und den Ausbau von Geschäftskontakten genutzt. Unterstützt durch ein breites digitales Angebot hat das Buch so eine weithin sichtbare Bühne bekommen. In aufgewühlten Zeiten standen auch wichtige gesellschaftliche Themen auf der Agenda. Dabei hat sich auch gezeigt, dass es gesellschaftliche Debatten gibt, die wir intensiv weiterführen müssen und werden – so etwa die zur Bekämpfung von Rassismus oder die zum Umgang mit extremen politischen Positionen in unserer Gesellschaft und auf Buchmessen.“

Kontroverse
Besonders eindrücklich hat sich in den letzten Tagen gezeigt, wie sehr die Frankfurter Buchmesse die aktuellen gesellschaftlichen Debatten widerspiegelt und verstärkt. In über 100 Veranstaltungen auf dem Blauen Sofa, der ARD-Buchmessenbühne, im Forum Bildung äußerten sich Podiumsteilnehmer*innen aus vielen Disziplinen zu Themen wie Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung, Gendern und Meinungsfreiheit.

Eine Kontroverse entstand, als Autorin und Anti-Rassismus-Aktivistin Jasmina Kuhnke ihren Auftritt bei der Buchmesse aufgrund der Anwesenheit neurechter Buchverlage und daraus resultierenden Sicherheitsbedenken absagte. Als Kuhnke dies in den sozielen Netzwerken öffentlich machte und zum Boykott der Buchmesse aufrief, folgten diesem Aufruf mehrere prominente Autor*innen, darunter Riccardo Simonetti, Annabelle Mandeng und Nikeata Thompson. Thompson erklärte, dass nicht Meinungsfreiheit das „höchste Gut“ in der Demokratie sein sollte, sondern die „Gleichberechtigung aller Menschen, der Zusammenhalt, die Solidarisierung und die gegenseitige Unterstützung“.

Die Buchmesse solidarisierte sich nicht mit der Autorin. Sie machte in einem offiziellen Statement ihre Position deutlich:
„Internationale Buchmessen leben von der Vielfalt der Meinungen und Inhalte sowie vom Austausch auf Augenhöhe. Inzwischen gibt es regelmäßig die Forderung nach Zensur und Ausschluss bestimmter Inhalte und Unternehmen – so auch in diesem Jahr. Für die Buchmesse gelten seit jeher zwei Grundsätze: Die Meinungsfreiheit darf nicht über die vom Staat gezogenen Grenzen hinaus eingeschränkt werden – das heißt für die Zulassung von Ausstellern in dubio pro libertate, und die Sicherheit der Teilnehmer*innen muss jederzeit maximal gewährleistet werden, so dass jede und jeder Einzelne sich frei und sicher fühlen kann, die Messe zu besuchen. Als Veranstalter der größten internationalen Buchmesse verwahren wir uns mit aller Schärfe gegen die Instrumentalisierung unserer Veranstaltungen. Die Freiheit des Wortes ist für uns nicht verhandelbar.“

Auf konkrete Nachfrage der TOYS-Redaktion, ob es nicht bedenklich sei, den geistigen Nachfahren der Bücherverbrenner von 1933 ein Forum zu bieten, ob es nicht paradox sei, ausgerechnet denen Raum zu geben, die – sollten sie politisch je so viel Spielraum haben – die Buchmesse und Meinungsvielfalt verbieten und unterbinden würden und ob die Meinungsfreiheit über der Sicherheit vulnerabler Messeteilnehmer*innen stünde, reagierte die Buchmesse folgendermaßen:

„Der Begriff „Forum“ assoziiert eine eigene, prominent platzierte Bühne – das ist aber nicht der Fall. Tatsächlich hatte der betreffende Verlag einen Acht-Quadratmeter-Stand angemeldet. Dieser war am seitlichen Hallenrand positioniert, in einem Nebengang. Der Stand war also weder eine große Bühne, noch prominent platziert. Was den Aussteller-Status auch politisch extremer Verlage betrifft: Abgesehen vom Aspekt der Legalität eines Verlags findet keine inhaltliche Auswahl oder Kuration von uns bei den Standanmeldungen statt.“

Weiterhin führte die Buchmesse aus:
„Wir veranstalten seit Jahrzehnten die größte internationale Buchmesse der Welt. Mit prominenten Politiker*innen, politisch verfolgten Autor*innen und diversen Personen, Organisationen und Initiativen mit eigenen politischen Anliegen. Deren Sicherheit aber auch die Sicherheit des allgemeinen Publikums ist auf der Frankfurter Buchmesse stets gewährleistet: Wir arbeiten hier eng mit dem Sicherheitsdienst der Messe Frankfurt und der Polizei zusammen. So sind an allen Messetagen in den Hallen verstärkt Einsatzkräfte der Polizei sowohl in zivil als auch in Uniform unterwegs, die jedem Hinweis auf Bedrohungen sofort nachgehen. Wenn eine einzelne Autorin aufgrund ihres subjektiven Empfindens dennoch wegen Sicherheitsbedenken absagt, ist das sehr bedauerlich, aber ihre persönliche Entscheidung.“

Gastland Kanada:
Unter der Motto „Singular Plurality – Singulier Pluriel“ präsentierte Kanada, der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2021, seine einzigartige Vielfalt. „Wir sind stolz darauf, dass wir die Gelegenheit hatten, unsere Literatur, Kunst und Kultur mit unseren deutschen Freunden und dem Rest der Welt zu teilen. Kanada ist ein Land mit vielen verschiedenen Stimmen, und wir sind uns sicher, dass unser Ehrengastauftritt diese Singular Plurality unseres Landes in den Fokus gerückt hat – die einzigartige Vielfalt, in der wir unsere Unterschiede annehmen und feiern. Mit dem Abschluss unserer zwei Ehrengastjahre beenden wir nun dieses unerwartet lange Kapitel der Frankfurter Buchmesse, und können es kaum erwarten zu sehen, was Spanien im nächsten Jahr für uns bereithält“, resümiert S. E. Steven Guilbeault, Minister für kanadisches Kulturerbe, den außergewöhnlichen Ehrengastauftritt Kanadas.

Der Kanadische Pavillon wurde am 19. Oktober 2021 offiziell von der kanadischen Generalgouverneurin, Ihrer Exzellenz Mary May Simon eröffnet: Besucher*innen erwartete ein Parcours durch eine Installation, die mit den Elementen kanadischer Landschaft spielte. Der Pavillon, zu dem es in diesem Jahr erstmalig auch ein virtuelles Pendant gab, führte die Kreativität und Vielfalt der kanadischen Literatur- und Kulturszene vor Augen. Insgesamt 60 kanadischen Autor*innen und Illustrator*innen gestalteten das kanadische Literaturprogramm. Neben Lesungen und interaktiven Formaten dieser acht Künstler*innen auf dem Messegelände haben über 50 Autor*innen an einer Vielzahl virtueller Veranstaltungen teilgenommen; dies beinhaltete auch virtuelle Auftritte von Margaret Atwood und Joséphine Bacon bei der Eröffnungsfeier. Die „Books on … Canada“ Ausstellung im Ehrengast-Pavillon zeigt knapp 400 Neuerscheinungen zu Kanada aus 165 Verlagen.

Die nächste Frankfurter Buchmesse findet vom 19. bis 23. Oktober 2022, Ehrengast wird Spanien sein.