Im Gespräch mit … Ernst Kick, Vorstandsvorsitzender der Spielwarenmesse eG

12. Februar 2021, 0:00

Am 10.02.2021 war Ernst Kick zu Gast im ehemaligen Gewerbemuseum und ließ einen Teil seines beruflichen Lebens Revue passieren. 

Es ist schöne Tradition im Nürnberger Presseclub, Menschen an den Tisch zu bitten, die etwas zu erzählen haben. Spannend moderiert von Dr. Siegfried Zelnhefer werden hier keine Interviews nach starrem Frage-Antwort-Muster abgehandelt, sondern vielmehr interessante „Lebensläufe“ dokumentiert.

Der, so Zelnhefer, mit zu den wichtigsten Wirtschaftsköpfen der Stadt zählende Messechef, der sich Ende Juni 2021 in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden wird, gewährte Einblicke in seinen beruflichen Werdegang und in das Messegeschehen. Als „Messejunkie“ habe man ihn oft bezeichnet, so Kick. Dabei sei der Einstieg in das Messewesen eher einem Zufall geschuldet gewesen wie so vieles in seinem beruflichen Leben. Kick zog es in jungen Jahren ins Sportmarketing. Der passionierte Handballer landete dann auf Umwegen im Messegeschäft – und bereut nichts. Jeder Arbeitstag sei anders, man könne als Messemacher Märkte mitgestalten, sei ganz nah dran an Veränderungen. Ernst Kick zeigt sich damit als das, was ihm Zelnhefer zu Beginn des Gesprächs ans Revers geheftet hat: Als Mann mit Innovationskraft. Und als Mensch, der es versteht, Menschen zusammenzuführen. Seit 2002 prägt Kick die Spielwarenmesse. Als klassischen CEO sieht er sich nicht. Er sei lieber „der Chef der Spielwarenmesse“. Und als das hatte er zu Beginn seiner Tätigkeit erst einmal die Aufgabe, die von einer „feindlichen Übernahme“ bedrohte Genossenschaft wieder in ruhiges Fahrwasser zu führen. 1949 gegründet hatte der Genossenschaftsgedanke den klaren Auftrag, die Spielwarenindustrie maßgeblich zu unterstützen. Diese Gesellschaftsform in eine AG umzuwandeln gelang nicht, zu klar sind die Unternehmensziele definiert und das Selbstverständnis der Genossenschaft. Dass diese auch eine moderne, flexible Unternehmensform und keine „Selbsthilfegruppe“ sein kann, hat Kick bewiesen. Die Genossenschaft als zeitgemäßes Geschäftsmodell ist sicherlich eines der Alleinstellungsmerkmale der Spielwarenmesse. „Jeder hat nur eine Stimme, die Anteile sind nicht handelbar“. erklärt Ernst Kick die Besonderheit der Genossenschaft. Große und kleine Unternehmen seien in ihr gleichgestellt, was, das muss man entgegenhalten, nicht immer reibungslos funktioniert hat. Gerade in einer Zeit, in der die „Großen“ sich immer globaler aufstellten und die Kleinen oft hinter sich ließen. Egal, man habe sich immer wieder zusammengefunden, so Kick. Man habe die Spielwarenmesse nicht nur weiterentwickelt, sondern auch die vielen Begrifflichkeiten „bereinigt“. 

Heute ist die Spielwarenmesse die Spielwarenmesse und als Marke geschützt. Sie steht damit gleichermaßen für den Bogen, den die Tradition zur Moderne schlägt. Hinsichtlich ihrer Gesellschaftsform, dem Portfolio, der Entwicklung als Arbeitgeber und der Internationalisierung, die mit den Jahren vorgenommen wurde, hat sie auch ihren „Auftrag“ der Zeit angepaßt. Sie agiert nachfrageorientiert und ist als Marketingdienstleister für die Unternehmen ein wichtiger Sparringspartner. Ernst Kick ist ein erklärter Global Player und „seine Messe“ demzufolge auch in 100 Ländern vertreten. Unter seiner Regie wurden Tochterunternehmen gegründet wie beispielsweise in Indien, Russland, China und der Türkei. Der Vertrag mit der Nürnberg Messe wurde bis 2028 verlängert. Ein heikles Thema, wurde doch die Standortfrage mit schöner Regelmäßigkeit gestellt und von Ernst Kicks Vorgängern nicht selten als Druckmittel gegenüber dem „Hausherrn“, der NürnbergMesse, verwendet. Heute ist das anders. Die Stadt, die NürnbergMesse und die Spielwarenmesse gehören zusammen. Der Vertrag gebe Sicherheit für alle Beteiligten, bekräftigt Kick. In der Vergangenheit habe man auch aktiv und mit finanziellem Einsatz Bauvorhaben der NürnbergMesse wie die neue Halle 3A unterstützt. Das war zu einer Zeit, in der die Spielwarenmesse noch quantitativ wuchs. Heute steht qualitatives Wachstum im Fokus. Niemand wisse heute, wie Messen nach Corona aussehen und sich aufstellen. Ernst Kick macht sich nichts vor. Sein „Messen müssen sich verändern“ ist ein klares Statement. Ob die Besucherströme vor allem aus dem Ausland noch so fließen würden, sei ebenso dahingestellt wie die Strategien der Industrie bezüglich der jahrelang „gelernten“ Messeauftritte. Man müsse an neuen Konzepten arbeiten. Ihn tangiert das freilich nicht mehr. Seine Nachfolger, ein Dreigespann, mit Spielwarenmesse-DNA, müsse sich dem stellen. Der Nachfrageüberhang, den Erst Kick noch allzu gut kennt, die legendäre „Warteliste“ gehört der Vergangenheit an. Das stehe auch nicht im Fokus, so Kick. Man habe die Kapazitätsgrenzen längst erreicht. Das Verhältnis Aussteller zu Besucher müsse heute in Relation stehen.

Finanziell steht die Spielwarenmesse gut da, man habe „gut gewirtschaftet“. Glücklicherweise konnte die Veranstaltung 2020 noch durchgeführt werden, bevor die Pandemie Deutschland und die Welt in die Schockstarre legte. „Wir werden die Pandemie finanziell gut überstehen“, so Kick. Die Spielwarenmesse Summer Edition, die Mitte Juli stattfinden soll, steht dagegen noch auf dem Prüfstand. Der Zeitpunkt, an dem man für diese Spielwarenmesse light Hop oder Top sagen könne oder müsse, sei noch nicht gekommen. Man befinde sich derzeit in Gesprächen. Es gebe da „zwei Lager“. Die einen lehnen den Zeitpunkt rundheraus ab, die anderen würden sich über eine Plattform und den endlich wieder persönlichen Austausch freuen. Und natürlich müsse man eine Sommerveranstaltung völlig anders aufstellen. Es gebe andere Standinszenierungen, der Fokus liege auf einem europäischen Publikum. Das hätte sicher seinen Reiz, ob es allerdings ins Konzept der Unternehmen passt, würde man derzeit evaluieren. Es bleibt spannend – und anstrengend. Die erste „richtige“ Spielwarenmesse wird wohl 2022 stattfinden. „Es wird nicht diskutiert, ob es künftig eine Spielwarenmesse geben wird, sie ist und bleibt eines der wichtigsten Brancheninstrumente“ unterstreicht Ernst Kick. Das Wie ist die Frage. „Immer noch singen die Messegesellschaften das hohe Lied der Messen“, so Kick. Und zum Glück ist auch auf Kundenseite der starke Drang vorhanden, Messen zu machen. Aber dieses momentane „auf Sicht fahren“ sei mühsam, die Gespräche, die Überzeugungsarbeit ebenso, allerdings seien das auch Wege, zu lernen. Die Bedarfe zu erfahren. Hybride Konzepte wird, muss es geben. „Die Messe wird einen anderen Charakter bekommen, wird digitaler sein. Die Qualität der Besucher wird steigen, denn es kommen nur noch diejenigen, die wirklich ihr Geschäft in Nürnberg machen, Kontakte knüpfen oder vertiefen und sich informieren wollen.“ Das muss nichts Schlechtes sein, im Gegenteil. Eine hohe Aussteller -und Besucherqualität ist das Aushängeschild einer jeden Messe. Das kann die Spielwarenmesse bieten. „In fünf Tagen um die ganze Welt“, so Kick, „das ist ein Besuch auf der Spielwarenmesse.“

Für Ernst Kick persönlich geht seine Amtszeit nicht so zu Ende wie er sich das gewünscht hätte. Das mache ihn traurig. Sich eventuell nicht persönlich von langjährigen Wegbegleitern verabschieden zu können, sei für ihn kaum vorstellbar. Auf die Frage, was er am 1. Juli 2021 machen werde, kommt wie aus der Pistole geschossen „Am liebsten würde ich da mit meiner Frau im Flieger sitzen, auf dem Weg zu unserer Insel auf den Malediven.“ Es sei ihm gegönnt. Wird der gebürtige Passauer und „erklärte“ Oberpfälzer in Nürnberg bleiben? Da kommt ein klares Ja. Ernst Kick ist heimisch geworden bei den Franken. Der vielgereiste Global Player hat es nicht nur mit der eher schwerblütigen Mentalität seiner Wahlheimat aufgenommen, er ist angekommen.       
 
Das Gespräch von Dr. Zelnhefer mit Ernst Kick kann auf YouTube oder der Webseite presseclub-nuernberg.de (in der Menüleiste unter „Livestream“) gesehen werden. 

Ernst Kick