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Romero prangert Spielwarenboom an – Sibylle Dorndorf kommentiert

3. Dezember 2020, 0:00

Pünktlich zum bevorstehenden Nikolaustag stellt die Christliche Initiative Romero (CIR) die Spielwarenbranche an den Pranger. „Spielwarenbranche boomt trotz Pandemie – zu Lasten der ArbeiterInnen in China“ ist die Pressemitteilung betitelt.

Als Übeltäter erkannt und genannt werden zwar keine deutschen Unternehmen, dennoch trifft die Meldung ins Mark, die Spielwarenbranche gehöre zu den zweifelhaften Gewinnern der Corona-Krise. Vor allem all jene, die sich an der Seite von Romero hoch motiviert in die Fair Toys Organisation einbringen, die im Juli 2020 an den Start ging.  

„Noch nie war der Spielwarenhandel so wichtig wie in 2020“ zitiert CIR den Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS). Dass die Gewinne einmal mehr nicht an die ArbeiterInnen in chinesischen Spielzeugfabriken weitergegeben würden, zeige der Toys Report 2020 der CIR. 

Zum Hintergrund: Um langfristig weitere wirksame Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zu erzielen, haben AkteurInnen aus Zivilgesellschaft, Industrie und Handel die Kontrollinstanz FTO In Nürnberg aus der Taufe gehoben. Ein beispielloser Akt, der nicht zuletzt beim überwiegenden Teil der Unternehmen in der Spielwarenbranche für viel Beifall sorgte. Denn es gibt in der Tat Bereiche, in denen für die ArbeiterInnen Verbesserungen erreicht werden müssen. In Punkto Gesundheitsschutz, sozialer Absicherung, Bildung und auch Entlohnung ist noch viel zu tun. Es wäre jedoch blauäugig, wenn wir unsere Standards von heute auf morgen und 1 : 1 auf China übertragen wollten. Da stellt die größte Hürde das politische und gesellschaftliche System der Volksrepublik China selbst dar. Nun scheint es, als würde Romero an alte Verhaltensmuster anknüpfen und mit quotenträchtigen Meldungen die bisher erreichten Erfolge in den Hintergrund rücken lassen, was der gemeinsamen Sache sicher wenig dienlich ist. 
Brancheninsider sehen derlei „Öffentlichkeitsarbeit“ mit Recht kritisch. Gerade in Zeiten der Pandemiebedingten wochenlangen Schließungen in den chinesischen Fabriken bangten vor allem WanderarbeiterInnen um ihre Existenz. Als die Fabriken wieder öffnen durften, konnten bei weitem nicht alle ArbeiterInnen sofort wieder beschäftigt werden. Es sei, so werden Chinakenner zitiert, demzufolge mitnichten so, dass ArbeiterInnen unter Zwang und fraglichen Arbeitsbedingungen entstandene Engpässe hätten aufholen müssen. Es hätten im Gegenteil genügend Arbeitskräfte rekrutiert werden können, um die Produktionsquoten zu erfüllen. Nun mag man sagen, da steht Aussage gegen Aussage. Wer jedoch die Arbeitsbedingungen der ArbeiterInnen in China wirklich kennt, der weiß, dass branchenbedingte Produktions-Hochphasen zum Alltag gehören und es gerade in diesen Zeiten vielen ArbeiterInnen erst möglich ist, ihre Existenzen und die ihrer Familien nachhaltig zu sichern, beziehungweise überhaupt einen der begehrten Arbeitsplätze zu ergattern. Zum anderen sind weder die Lebens- noch die Arbeitskultur der chinesischen Bevölkerung mit unserer vergleichbar. Eine Work-Life-Balance wie wir sie präferieren, ist für Chinesen wenig erstrebenswert. Die Chance auf Mehrarbeit bedeutet in China schlicht und einfach Mehrverdienst. 

Wenn man diese Hintergründe kennt, ist die folgende Aussage mit Vorsicht zu betrachten und sollte nicht unkommentiert bleiben: „Während sich die Spielwarenunternehmen hierzulande auf ein boomendes Weihnachtsgeschäft freuen, können die ArbeiterInnen in China ihre Existenz nur mit exzessiven Überstunden sichern“, so Patrick Niemann, Referent für Unternehmensverantwortung bei der Christlichen Initiative Romero. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. 

Sibylle Dorndorf