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DVSI Statement zur Videokonferenz von Bundesminister Peter Altmaier

15. Juni 2020, 0:00

Bringen die verschiedenen Hilfsprogramme der Bundesregierung die gewünschte Wirkung? Um dieser und anderen Fragen nachzugehen, hatte Bundesminister Peter Altmaier einen Kreis von 15 Wirtschaftsvertretern verschiedener Branchen am vergangenen Freitag, den 12. Juni, zu einer Videokonferenz eingeladen. Der DVSI wurde dabei von Geschäftsführer Ulrich Brobeil vertreten. Der DVSI nutzte die Gelegenheit, um die Erfahrungen und Interessen der deutschen Spielwarenindustrie und des Spielwarenhandels zum Ausdruck zu bringen und um ein Statement an Peter Altmaier zu richten. Das Statement im Wortlaut:

„Sehr geehrter Herr Bundesminister Altmaier, sehr geehrte Anwesende,

mein Name ist Ulrich Brobeil. Ich bin Geschäftsführer des Deutschen Verbandes der Spielwarenindustrie e.V. mit Sitz in Nürnberg. Der DVSI hat aktuell 217 Mitglieder. Der überwiegende Teil davon sind aktiv produzierende Unternehmen der Branche, die rund 80 Prozent des Umsatzes der deutschen Spielwarenindustrie ausmachen. Auch haben wir zahlreiche Mitglieder aus dem Handel. Aus dieser Erfahrung heraus gebe ich Ihnen heute ein aktuelles Lagebild der Spielwarenbranche als Ganzes, mit den Sichtweisen von Industrie und Handel.

Die aktuelle Lage
Insbesondere der stationäre Spielwarenfachhandel hat aufgrund der verordneten wochenlangen Ladenschließungen massive Umsatzausfälle erlitten. Diese konnten selbst durch vielfach angebotene Online-Services und Lieferdienste nicht annähernd ausgeglichen werden. Auch mit Beginn der Lockerungen und nach Wiedereröffnung der Geschäfte hat sich die Lage zunächst wenig gebessert. Aktuell liegt der Umsatz im stationären Spielwarenfachhandel circa 20 Prozent bis 25 Prozent unter dem des Vorjahres.

Auch die Spielwarenindustrie ist von der Krise durch die schlechte Lage des Handels und erste Insolvenzen betroffen, z.B. bei Galeria Karstadt Kaufhof. Allerdings ist es vielen Herstellern gelungen, die Umsatzrückgänge über andere Vertriebskanäle – insbesondere den Onlinehandel – zumindest teilweise zu kompensieren. Laut einer jüngst durchgeführten Blitzumfrage geben daher 24 Prozent der Hersteller an, keine negativen Auswirkungen der Krise wahrzunehmen. Dennoch berichten auch bei uns 43 Prozent der Befragten von leicht negativen und sogar 29 Prozent von stark negativen Folgen.

Die Coronakrise hat also auch in der Spielwarenbranche ihre Spuren hinterlassen. So sehen 9 Prozent der Spielwarenhersteller ihre Zukunftsfähigkeit als nur ausreichend an. Deutlich schlechter das Bild im stationären Handel: Hier beurteilen 12 Prozent der Händler ihre Krisenfestigkeit als ausreichend und sogar 9 Prozent als ungenügend. Ohne entsprechende Gegenmaßnahmen und Unterstützungen sind im stationären Handel künftig weitere Betriebsschließungen und Insolvenzen zu befürchten. Dies würde sich auch negativ auf die Einkaufsmöglichkeiten vor Ort, den Wettbewerb und die Attraktivität der jeweiligen Regionen auswirken.

Nutzung und Wirkung bisheriger Maßnahmen
Daher begrüßt die Spielwarenbranche die Hilfs- und Unterstützungsangebote von Bund und Ländern zur Bewältigung der Coronakrise. Laut der von uns Ende Mai durchgeführten Blitzumfrage haben 52 Prozent der Hersteller öffentliche Mittel wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfe in Anspruch genommen. 27 Prozent der Befragten haben auf entsprechende Kredite und Bürgschaften zurückgegriffen. Ähnlich das Bild im stationären Handel: Hier haben 57 Prozent der Befragten Unterstützungen in Form von Soforthilfe erhalten. Sogar 60 Prozent der Händler haben Kurzarbeit für ihre Mitarbeitenden beantragt.

Sie sehen also: Je einfacher und direkt zugänglicher die jeweiligen Maßnahmen gestaltet waren, umso mehr wurden sie genutzt und umso wirkungsvoller waren sie. So ist es den Unternehmen der Spielwarenbranche in schwierigen Zeiten gelungen, ihre Liquidität sicherzustellen und ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, ohne im größeren Maße Personal abbauen zu müssen.

Dennoch gibt es auch kritische Stimmen. So beklagen kleine Familienbetriebe aus dem stationären Fachhandel zum Teil die vergleichsweise eingeschränkten Unterstützungsmöglichkeiten. Hier wird das Geschäft nicht selten ausschließlich „von der Familie“ betrieben, wobei es keine zusätzlichen Mitarbeiter gibt, für die Kurzarbeitergeld beantragt werden könnte. Zur Sicherung ihres Lebensunterhalts mussten hier einige Kleinbetriebe und Solo-Selbstständige auf ihre Altersrücklagen zurückgreifen bzw. Grundsicherung beantragen.

Wenig Anklang fanden die KfW-Kredite, die nur von 2 Prozent der Händler in Anspruch genommen wurden. Als Grund hierfür wird die Prüfungshoheit durch die Hausbanken gesehen, die lieber ihre eigenen Kredite und Produkte anbieten. Auch ist die Rückzahlung für viele Händler aufgrund der schwachen Marge schwierig, so dass die Probleme bestenfalls in die Zukunft verschoben werden.

Als kritisch wird in der Branche die im Konjunkturpaket beschlossene temporäre Mehrwertsteuersenkung gesehen. So dürfte die Konsumwirkung eher gering ausfallen, wenn zum Beispiel ein Spielzeug statt 19,99 Euro nun nur noch 19,49 Euro kostet. Stattdessen stellt die äußerst kurzfristig anberaumte Änderung die Unternehmen vor große Herausforderungen – und das gleich zweimal: jetzt und Ende Dezember. Dann nämlich müssen Waren neu ausgezeichnet beziehungsweise umetikettiert, neue Preislisten und Kataloge gedruckt sowie EDV und Buchhaltung angepasst werden. Damit verbunden ist ein sehr hoher organisatorischer, zeitlicher und finanzieller Aufwand. Auch wird befürchtet, dass es im Rahmen der Umstellung zu Abgrenzungsproblemen kommen wird, zum Beispiel bei vorher zu 19 Prozent erworbenen Gutscheinen, die erst später vom Kunden eingelöst werden.

Ausblick und Ideen für die Zukunft
Fassen wir also zusammen: Die bisher von Bund und Ländern zur Verfügung gestellten Mittel zur Wiederbelebung der Wirtschaft in und nach der Coronakrise sind durchaus mächtig und auch im historischen Vergleich herausragend. Dennoch haben sich nicht alle Maßnahmen als gleich positiv und wirksam erwiesen. Künftige Aktivitäten sollten nach unserer Ansicht daher dem 3-E-Prinzip erfolgen: Einbindung, Einfachheit und Effektivität.

– Einbindung bedeutet dabei, rechtzeitig alle (!) Betroffenen bei der Planung und Gestaltung von Maßnahmen einzubeziehen, so dass aus gut Gedachtem auch gut Gemachtes wird. Denken Sie dabei etwa an die temporäre Mehrwertsteuersenkung, die man sich aus unse rer Sicht hätte sparen können.

– Einfachheit bedeutet, dass die Maßnahmen am besten sind, die vergleichsweise unkompliziert und unbürokratisch sind. Beispiel: Soforthilfe und Kurzarbeitergeld. Auch Konsum- gutscheine wären eine Maßnahme, die bei Bürgern und Wirtschaft einfach und direkt ankommen würden.

– Und zu guter Letzt bedeutet Effektivität für uns, dass Maßnahmen nur dann wirklich gut sind, wenn sie auch Wirkung zeigen und dort ankommen, wo es wirklich wichtig ist. So könnte zum Beispiel der stationäre Handel durch zusätzliche „Verkaufsoffene Sonntage“, ganz besonders in der Vorweihnachtszeit, profitieren. Diese würde einfach und effektiv helfen, einen Teil der Umsätze, die aktuell an die anderen Vertriebskanäle, allen voran den Online-Handel, verloren gehen, aufzufangen.

Denken Sie also immer an das 3-E Prinzip: Einbindung, Einfachheit und Effektivität. Dann wird sich auch das vierte E einstellen – nämlich der Erfolg beim Wiederankurbeln der Wirtschaft. Diesen Erfolg wünsche ich Ihnen, sehr geehrter Herr Minister Altmaier, aber auch allen anderen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern und Gestaltern. Wir als Deutscher Verband der Spielwarenindustrie e.V. stehen Ihnen hierfür mit all unseren Ideen und all unser Tatkraft gerne zur Verfügung. Vielen Dank!

Ulrich Brobeil, DVSI“