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Zeitenwende in der Spielwarenbranche

2. Dezember 2022, 11:18

Die Zeitenwende hat auch die Spielwarenbranche, egal ob Spiele, Bauen, Basteln, Fahrzeuge, Action oder Outdoor, erreicht. Unternehmen müssen jetzt entsprechende Pricingmodelle entwickeln, die einerseits eine Weitergabe der gestiegenen Kosten gewährleisten, andererseits aber auch dem Aspekt der preislichen Wettbewerbsfähigkeit Rechnung tragen. Der folgende Gastbeitrag zeigt auf, wie es funktionieren kann.

Nach der positiven Marktentwicklung mit einem zweistelligen Wachstum in 2020 und einem weiteren Wachstum in 2021 ist mit dieser Entwicklung in 2022 Schluss: Kaufzurückhaltung und Inflation bei gleichzeitig steigenden Kosten für Energie, Rohstoffe, Verpackung, Logistik … Hinzu kommen erwartete Lohnkostensteigerungen. Das alles hat Konsequenzen für das Pricing in der Spielwarenbranche.

Herausforderungen für Vertrieb und Controlling

Der Vertrieb muss vor allem die ertragsstarken Produkte – sei es Puzzles, Puppen oder Computerspiele – verkaufen und dabei gestiegene Einstands- und Herstellungskosten über ein entsprechendes Pricing an den Handel weitergeben. Die Voraussetzung: entsprechende Kalkulationsdaten aus dem Controlling, das mit seinen Systemen auch die Ergebnistransparenz sicherstellen muss.
Steigende Kosten bei Rohstoffen wie Papier, Holz, Stahl und Vorprodukten wie zum Beispiel Mikrochips oder Bauteilen sind Treiber der direkten Materialkosten. Hinzu kommen steigende Arbeitskosten infolge der zu erwartenden Tariferhöhungen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich Kostensprünge rasch und in kurzen Abständen vollziehen werden. Für die Kalkulationen des Controllings beim Hersteller resultieren daraus zwei Problemfelder:
Zum einen ist die klassisch genutzte Standardkalkulation mit einmal jährlich berechneten Kostensätzen, die der Kalkulation zugrunde gelegt werden, selten realistisch. Zum anderen ist die Zuschlagskalkulation, die die meisten Unternehmen anwenden, ein Problem. Erhöht sich die Zuschlagsbasis bei ansonsten konstant gehaltenen Prozentsätzen des Gemeinkostenzuschlags, steigen die Herstellungskosten überproportional an. Dies, obwohl sich das absolute Niveau der Gemeinkosten überhaupt nicht erhöht hat.
Knackpunkt: Versucht der Vertrieb diese Kalkulation beim Handel durch entsprechend hohe Preise durchzusetzen, besteht die Gefahr, dass sich beide Parteien nicht einigen und sich der Hersteller aus dem Markt kalkuliert („Outpricing“).

Vermeidung von Outpricing mittels Preisgleitklauseln

Pricingmodell entscheidet
über Wettbewerbsfähigkeit

Die einfachste Variante zur Weitergabe ist eine Erhöhung der Nominalpreise, die sich aus Herstellkosten + Gewinnzuschlag berechnen. In Zeiten volatiler Kosten, wo Preise kurzfristig auch wieder fallen können, stößt diese Vorgehensweise jedoch an ihre Grenzen.

Stattdessen könnten Preisgleitklauseln oder selektive Zuschlagsvereinbarungen verhandelt werden, die zu marktkonformen und fairen Preisen führen. So kann eine Win-win-Situation für Hersteller und Händler entstehen. Wie das funktioniert? Der Vertrieb vereinbart mit dem Handel für bestimmte Kostenbestandteile (zeitlich begrenzte) Preisaufschläge. Je nachdem, wie die Kosten schwanken, passen sich die Preise an. So entsteht zunächst ein vorteilhafter psychologischer Effekt, denn die Preisanpassung via Preisgleitklausel wird im Gegensatz zur Nominalanpassung eher als vorübergehend wahrgenommen. Gerade bei schwankenden oder unkalkulierbaren Kostenentwicklungen ersparen sich Industrie und Handel häufige und zeitraubende Verhandlungen.
Als Grundlage für Preisgleitklauseln bieten sich in der Praxis zwei Gestaltungsoptionen an: Der Hersteller kann gegenüber dem Handel den Anstieg der Ist-Kosten geltend machen. Voraussetzung: Transparenz hinsichtlich der tatsächlichen Entwicklung der eigenen Einstandskosten. Dies ist nur möglich, wenn der Hersteller dem Handel tiefe Einblicke in die Produktkalkulation geben kann und will. Die zweite Option ist die Orientierung der Klauseln an offen zugänglichen, je nach Warengruppe relevanten Rohstoff-Indizes. Allerdings muss in diesem Fall der Warenkorb des Index auch die tatsächlichen Kalkulationskomponenten abbilden.

Rasches Handeln erforderlich

Die Inflation sowie die Volatilität der Rohstoff- und Energiekosten werden in absehbarer Zeit bleiben. Dies erfordert rasches und konsequentes Handeln. Aus Sicht der Industrie ist zu empfehlen:

  • Bildung einer Task Force mit den pricingrelevanten Funktionen wie Vertrieb, Controlling und Einkauf.
  • Erarbeitung alternativer Pricing-Optionen.
  • Abschätzung/Simulation der Ergebnisse der Optionen auf das EBIT, Priorisierung und Entscheidung.
  • Erarbeitung eines Argumentationsleitfadens für den Vertrieb als Grundlage für faire Verhandlungen mit dem Handel (Ziel: Win-win-Situation).

Diese Vorgehensweise wird in der Praxis durch einen Faktor erschwert: Industrie und Handel haben bislang kaum beziehungsweise keine Erfahrung im Hinblick auf den Umgang mit den aktuellen Herausforderungen.
Was zu tun ist, stellt für die meisten Personen absolutes Neuland dar. Allerdings gibt es angesichts des Zeit- und Ergebnisdrucks leider keinen Spielraum für „Trial & Error“ – einschlägige Erfahrungen können nicht gesammelt werden.
Nur wer alle Möglichkeiten nutzt und rasch agiert, ist auf einem guten Weg, das Ergebnis trotz Inflation und Konjunktureintrübung zu sichern – und wird auch morgen noch im Markt der Spielwaren erfolgreich mitspielen. Und hierbei sitzen Industrie und Handel bei aller Härte in der Verhandlungsführung nun einmal in einem Boot.

Dr. Günter Lubos, Dr. Timo Renz, Sebastian Fritz

Dr. Timo Renz ist
Managing Partner bei Dr. Wieselhuber & Partner. Er verantwortet den Bereich Konsum-güter & Handel, inklusive Spielwaren, DIY sowie PBS, und berät mittelständische und familiengeführte
Unternehmen.
Dr. Günter Lubos,
Mitglied der
Geschäftsleitung
bei Dr. Wieselhuber & Partner, ist spezialisiert auf Themen-
stellungen aus den
Bereichen Planung, Controlling, Kalkulation und Erlös-
management.
Sebastian Fritz ist
Senior Manager bei
Dr. Wieselhuber &
Partner. Im Bereich Konsumgüter & Handel unterstützt er Unternehmen bei Heraus-
forderungen rund um die Themen Strategie, Marketing/Vertrieb und Organisation.