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Vorurteilsfrei

25. Februar 2022, 13:05

Sein Baby nach der Geburt zu tragen, galt lange Zeit als nicht empfehlenswert. Die Nähe zu Mutter oder Vater verwöhne das Kind zu sehr. Es würde seine körperliche Entwicklung verzögern. Es sei schlecht für die Haltung des Kindes und der Eltern. So und anders lauteten die Argumente dagegen. Inzwischen können Wissenschaftlerinnen und Expertinnen diese Vorurteile nicht nur widerlegen, sondern rücken auch die Vorteile des Tragens in den Fokus.

Zu viel körperliche Nähe würde ein Kind verhätscheln und es unselbstständig machen. In Deutschland stammt diese Haltung mindestens aus der Preußenzeit, als man Kindern die ihnen angeblich innenwohnende Wildheit austreiben und sie stattdessen zu Gehorsam und Pflichtbewusstsein erziehen wollte. Erreichen könne man dies nur, so glaubte man damals, durch strenge Regeln, körperliche Züchtigung und möglichst wenig Liebe und Zärtlichkeit. Heute weiß man, dass genau das Gegenteil der Fall ist – Kinder bauen durch Nähe und liebevolle Aufmerksamkeit ein Grundvertrauen zu sich und zum Leben selbst auf, sie sind gesünder und in Krisenzeiten resilienter.
Ebenso verhält es sich mit der Entwicklung der motorischen Fähigkeiten. Das Vorurteil, Kinder würden erst spät oder nur schwer laufen lernen, wenn sie zu viel getragen würden, ist inzwischen widerlegt. Tatsächlich wirken sich gerade die enge körperliche Nähe und die Bewegungen beim Tragen positiv auf den Muskelaufbau des Kindes aus. Im Unterschied zur passiven Liegehaltung, beispielsweise im Kinderwagen, macht das Kind die Bewegungen des tragenden Elternteils mit, der Gleichgewichtssinn wird durch die Lageveränderungen geschult, und die Sinnesreize regen auch noch die Gehirnentwicklung an.
Aber wie steht es um die Sorge vor Haltungsschäden durch zu frühes Tragen? Fakt ist, dass Menschenkinder im Grunde genommen zu früh geboren werden. Das heißt, die körperliche Entwicklung, beispielsweise im Bereich der oberen Kopfgelenke ist noch nicht voll abgeschlossen, weshalb Babys ihren Kopf etwa erst ab dem vierten bis sechsten Lebensmonat selbst heben und halten können. Mancher folgert daraus, dass ein Baby deshalb vorher nicht in aufrechter Position getragen werden darf.
Das ist so aber nicht ganz richtig. Zum einen erfährt das Köpfchen beim Tragen Unterstützung durch den Körper des Vaters oder der Mutter und der Tragehilfe, zum anderen ermöglicht eine richtig eingestellte Trage oder ein korrekt gebundenes Tragetuch die natürliche „Anhock-Spreiz-Haltung“, die ein Neugeborenes einnimmt, sobald man es hochhebt. Dabei sind die Beine in einem Winkel von 90 bis 110 Grad in der Hüfte gebeugt („angehockt“) und zwischen 30 und 45 Grad von der Körpermitte ausgehend abgespreizt – je nach Alter des Kindes. Unter Experten*innen gilt diese Position als ideal, damit sich der kleine Körper gesund entwickeln kann.

Umgekehrt sollten natürlich auch Eltern bei sich selbst auf eine gesunde Haltung beim Tragen achten. Eine gute Babytrage, beispielsweise von Ergobaby, sollte sich durch einstellbare Gurte und unterschiedliche Passformen an die Körperform des Tragenden anpassen lassen. Hochwertig gepolsterte Schultergurte, ein höhenverstellbarer Verbindungsgurt im Rücken und eine bequeme Lordosenstütze verteilen das Gewicht des Kindes gleichmäßig auf den Körper der Eltern – somit für alle ergonomisch. Auch der Verein Aktion Gesunder Rücken (AGR) ist dieser Meinung und zeichnet die Ergobaby Komforttragen mit seinem Gütesiegel aus. Bei so vielen Vorteilen, warum dem Tragen nicht eine Chance geben?

ergobaby.de


3 Fragen an … Trageexpertin Katrin Ritter

Weshalb halten sich die im Beitrag genannten Mythen so hartnäckig – insbesondere der, das Baby könnte durch Tragen „zu verwöhnt“ werden? Steckt in Mythen nicht auch immer ein Körnchen Wahrheit?
Tatsächlich ist dies ein großer Tragemythos aus vergangenen Zeiten, denn genau das Gegenteil ist der Fall. Je mehr Eltern ihr Kind am Anfang an sich binden, desto schneller wird es dann später selbstständig. Ein liebevolles, feinfühliges und empathisches Versorgen und Zuwenden über die Grundbedürfnisse hinaus, vermittelt Kindern Stärke und Sicherheit und lässt sie bedürfnisorientiert aufwachsen. Tragen als solches stillt das Grundbedürfnis nach Nähe, Körperkontakt, Wärme, Begrenzung und Bewegung und macht den Alltag mit Baby gleichzeitig für die Eltern leichter.

Jedes Elternpaar und jeder Elternteil muss für sich entscheiden, ob sie ihr Baby tragen möchten oder nicht. Welche Aspekte des Tragens sind aus Ihrer Erfahrung die wichtigsten für Eltern, um eine Entscheidung dafür oder dagegen zu treffen?
Aus evolutionsbiologischer Sicht sind Menschenkinder aktive Traglinge, das heißt, sie sind fürs Tragen gemacht. Es ist wie ein Schlüssel-Schloss-Prinzip: Wenn man ein liegendes Kind hochnimmt, zieht es automatisch seine Beinchen an. Mit der Wahl einer ergonomischen Tragehilfe können die Eltern ihr Kind alters- und entwicklungsgerecht fördern, haben gleichzeitig die Hände frei und entlasten selbst ihren Rücken- und Schulterbereich. Wenn nicht zum Beispiel medizinische Gründe dagegensprechen, sollten Eltern dies zumindest einmal versuchen.

Die Elternschaft scheint bei dem Thema selbst auch in zwei Lager zu fallen – die einen bevorzugen ein Tuch die anderen eine Babytrage. Welche Pro- und Contrapunkte gibt es jeweils?
Alle Eltern und Babys sind unterschiedlich, sowohl von ihren Proportionen als auch von ihren Bedürfnissen, und die gewählte Tragehilfe sollte dazu passen. Daher empfiehlt es sich, verschiedene Tragehilfen einfach anzuziehen und zu testen. Klar ist, ein Tragetuch zu binden erfordert mehr Zeit, Geschick und einigen Übungsaufwand, im Gegensatz zu einer Trage. Die ausgewählte Tragehilfe sollte für alle Beteiligten aber immer bequem sein, das heißt gut passen, das Kind jederzeit altersgerecht und ergonomisch stützen, es in seiner Entwicklung fördern und von den Eltern korrekt angewendet werden.