Unternehmen: Puky – Fahrrad-Boom öffnet Märkte
Nie war es so wertvoll wie heute – das Fahrrad. Und zwar für jede Altersgruppe und jeden Anspruch. Vom Gebrauchsfahrzeug zum Statussymbol, vom Sportgerät zum Designobjekt, vom traditionellen Rad zum E-Bike. Was Puky-Räder so besonders macht und wo die Reise für die Marke hingeht, erfuhr Sibylle Dorndorf im Gespräch mit Britta Sieper und Mathias Heller.
Frau Sieper, Sie sind im Sommer aus der Geschäftsführung der Sieper GmbH ausgeschieden und führen nun in einer Doppelspitze mit Mathias Heller die Geschicke der Puky GmbH & Co. KG. Das lässt, vor allem weil die Sieper GmbH weiter in Familienhand ist, Raum für Spekulationen. Können Sie unseren Leser*innen etwas zu den Gründen für Ihre Entscheidung sagen?
Britta Sieper: Ich hatte auch bei der Sieper GmbH quasi eine Doppelrolle. Ich war Geschäftsführerin und Gesellschafterin. Meine Entscheidung, mich bei Puky zu engagieren sollte daher keinen Anlass für Spekulationen geben. Ich folge einer Tradition und, wenn Sie so wollen, einer Passion. Die Sieper und die Puky GmbH sind Familienunternehmen. Und oftmals gibt es die Entscheidung, in Familienunternehmen die Geschäftsführung jeweils fremdgeführt und familienkontrolliert zu besetzen.
Mathias Heller: Ich bin sehr froh, dass Britta Sieper zu uns gekommen ist. Ihr Erfahrungshintergrund, ihre fachliche Kompetenz, das ist eine echte Bereicherung für Puky. Und ich persönlich halte ebenfalls viel von einer Doppelspitze, in der man sich die Zuständigkeitsbereiche teilt, sich quasi gegenseitig entlastet, aber in engem Dialog miteinander ist.
Wann sind Sie der Marke Puky das erste Mal begegnet, Frau Sieper?
Sieper: Puky kenne ich seit meiner Kindheit. Ich hatte selbst ein Puky-Kinderrad. Und heute machen meine Kinder mit Puky-Rädern die Gegend unsicher. Ich schätze die hohe Qualität von Puky und den verlässlichen Markenwert. Und ich finde es beachtlich, wie bedacht man die Marke weiterentwickelt und in andere Bereiche transportiert hat. Umso spannender ist es für einen neugierigen Menschen wie mich, in einem solchen Unternehmen aktiv mitzugestalten und Puky in neue Bereiche zu begleiten.
Sie teilen sich die Verantwortung. Wie sind die Bereiche in der Geschäftsführung aufgeteilt?
Heller: Ich bin seit 2015 dabei und vertrete, wenn Sie so wollen, die Marke Puky nach außen. Frau Sieper ist intern für die Produktion und die Beschaffung verantwortlich. Beide Bereiche sind natürlich eng miteinander vernetzt und wir sind daher in ständigem Austausch und diskutieren strategische Entscheidungen. Wir haben gemeinsame Ziele, das ist wichtig.
Sieper: Wichtig ist auch ein respektvoller Umgang miteinander. Man muss nicht einer Meinung sein, aber dem anderen zuhören und gemeinsam Strategien entwickeln. Im übrigen sitzen bei uns bei wichtigen Entscheidungen immer auch das Produktmanagement, die Konstruktionsabteilung, das Marketing und der Vertrieb mit am Tisch. Jeder wird gehört. Entscheidungen werden durchgängig diskutiert. Das ist keine One-Man- oder One-Woman-Show.
Gibt es bei einem solchen Konstrukt nicht viele Reibungspunkte?
Sieper: Ich halte es für extrem wichtig, dass man unterschiedliche Positionen anhört, aber auch einnimmt. Dass man Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven kritisch beleuchtet. Das bringt weiter und die Menschen, die für das Unternehmen arbeiten, werden gehört und wertgeschätzt. Bei Puky sind das 115 Mitarbeiter am Standort Wülfrath. Viele sind lange Jahre dabei. Das schafft gute, verlässliche Strukturen und eine offene Kommunikation. Starre Hierarchien und Schubladendenken sind längst passé. Wichtig ist, dass man das Boot in dieselbe Richtung steuert. Und bei uns ist das ja kein Supertanker, sondern ein wendiges, kleines Gefährt. Wir setzen immer auf den „kleinen Dienstweg“. Und von daher gesehen, finde ich, passt eine Doppelspitze perfekt. Sie ist ein zeitgemäßes, tolles Konstrukt. Ein mehrdimensionaler Ansatz, der ein Unternehmen weiter bringen kann und das wollen wir ja mit Puky erreichen.
Puky soll wachsen. Von welcher Art Wachstum reden wir hier?
Heller: Wir wollen unsere internationale Präsenz weiter ausbauen. Bislang ist Puky eine sehr deutsche Marke, ein deutscher Hersteller mit den bekannten Tugenden. Deutschland ist unser Heimatmarkt, auf dem wir einfach sehr gut vertreten sind, während wir in anderen geographischen Regionen große Potenziale sehen. Wir haben für uns daher eine Reihe von Zielmärkten definiert, die wollen wir systematisch bearbeiten.
Welche Märkte sind das und wie wollen Sie sich dort aufstellen?
Heller: Skandinavische Länder sind aufgrund ihrer Fahrradkultur interessant, aber auch Frankreich und UK haben Charme für uns. In UK macht uns zwar der Brexit Probleme, aber wir bleiben dran. In Frankreich forcieren wir vor allem die Puky-Spielwarensparte und lernen gerade, dass wir in anderen Märkten auch anders kalkulieren müssen. Beispielsweise in Südeuropa. Da geht vieles über den Preis und der liegt doch deutlich unter dem, was wir hierzulande kennen.
Werden Sie dort Tochtergesellschaften gründen?
Heller: Nein. Damit würden wir uns im Augenblick ressourcenseitig zu sehr belasten. Wir werden in unseren Zielmärkten exklusive Vertriebspartner, die ausschließlich Puky betreuen, an Bord holen. Lediglich in Russland und China haben wir eigene Importeure.
Kommen wir nochmal zum Pricing. Das Made in Germany, das Puky zu Recht trägt, müsste doch ein Gewicht in der Waagschale sein?
Sieper: Sicher ist das interessant, so auf den ersten Blick. Aber vor allem muss das Produkt stimmen, die Qualität desselben. Dazu kommen die Stabilität und das besondere Design, auch der Service von Puky. Mit all diesen Eigenschaften geben Puky-Produkte dem Konsumenten ein Versprechen. Das muss gehalten werden.
Heller: Wir setzen ganz klar auf Langlebigkeit und wollen in den neuen Zielmärkten neue Reize setzen. Die Zeit spielt uns da gerade richtig gute Impulse zu. Der Fahrradmarkt boomt, egal in welchem Segment.
Der Pandemie geschuldet …
Heller: Ja, die Pandemie hat so auch ihr Gutes. Kinder und Erwachsene haben eine neue Art der Mobilität für sich entdeckt. Da ist das Fahrrad ein wichtiger Bestandteil. Und wir können mit Puky punkten. Unsere Produkte sind extrem langlebig, halten gut drei Kindergenerationen aus.
Ist das nicht kontraproduktiv?
Heller: Nein, das sehe ich nicht so. Wir begreifen uns nicht als Hersteller von Trendprodukten. Wir werfen nicht jedes Jahr Unmengen an Neuheiten auf den Markt. Wenn Sie so wollen ist Puky absolut nachhaltig, weil unsere Produkte keine Wegwerfprodukte sind. Sie werden weitergegeben, vererbt, weiter genutzt.
Sieper: Egal, wo man ein Puky-Fahrrad lagert – es altert nicht. Die Farben verblassen nicht. Der Stahl rostet nicht. Das sehe ich in meiner eigenen Familie. Man muss dann irgendwann vielleicht mal ein paar Teile erneuern, aber das war‘s auch schon.
„Wir wollen unsere internationale Präsenz weiter ausbauen“
Dieser Aspekt kommt der jungen Elterngeneration sehr entgegen …
Sieper: Ja. Die um die 30-jährigen, die selbst ein Puky-Fahrrad hatten, sind nun unsere Kunden als junge Eltern. Insofern sind wir nun eine Mehrgenerationenmarke mit großer Verantwortung für die Mobilität und den Bewegungsdrang von Kindern. Das macht richtig Spaß
Puky peilt also nicht neue Produktgruppen an, sondern neue Märkte – oder beides?
Heller: Wir setzen derzeit auf eine geografische Ausweitung, ohne natürlich die Produkte zu vernachlässigen. Da sehen wir großes Potenzial für uns. Würden wir mit ganz neuen Produktgruppen wachsen wollen, müssten wir uns vielen neuen Anforderungen in neuen Bereichen stellen, wir müssten uns erst im „Neuland“ einfinden, das kostet Zeit und damit auch Geld. Wir müssen uns fokussieren. Was wir wollen, ist, unseren Kernmarkt immer besser bedienen und neue Märkte auftun. Wir wollen dabei flexibler werden, technisch innovativer, noch händlerorientierter und auch schlagkräftiger.
Nun haben sich gerade in Ihrem Bereich der Beschaffung, Frau Sieper, viele Verwerfungen ergeben. Rohstoffknappheit, die Frachtkosten explodieren. Wie begegnen Sie diesen Herausforderungen?
Sieper: Ja, das sind in der Tat große Herausforderungen, vor denen wir alle stehen. Es zeigt sich, wie fragil unser Lieferkettensystem teilweise ist. Das kann sich in ganz unterschiedlichen Bereichen zeigen. Durch enge Kommunikation mit Lieferanten von Material und Logistik begegnen wir der Situation. Wir fertigen das Meiste am Standort, wir montieren in Europa, das ist ein erheblicher Vorteil. Bei den Frachtkosten geht die Tendenz leicht nach unten, wobei aber immer noch das Fünf- bis Siebenfache angesetzt werden muss.
Werden Sie Ihre Preise erhöhen müssen?
Heller: Wir haben dieses Jahr bereits zweimal leicht erhöht, da kamen wir nicht umhin. Und so wie es aussieht, wird es nicht die letzte Preiserhöhung sein, die wir durchführen müssen. Es ist derzeit nicht absehbar, dass sich die Situation entspannt. Der Stahlpreis hat sich zum Beispiel um 65 Prozent erhöht. Das können wir durch Kostenmaßnahmen nicht auffangen. Und die Frachten machen uns ebenso zu schaffen. Heute kostet ein Container 15.000 US Dollar, früher gerade mal 3.000 US Dollar.
„Mitte 2020 haben wir unsere gesamte Fahrradsparte komplett umgebaut“
Geht das über alle Kategorien?
Heller: Nein. Es gibt Produkte, die sind von den Preiserhöhungen nicht betroffen. Unsere strategischen Produkte. Und bei den anderen erhöhen wir stufenweise und moderat. Wir kalkulieren da neu, aber vorsichtig. Wir schauen uns auch den Wettbewerb an und richten unser Pricing danach aus.
Hat sich auch Ihre Neuheitenpolitik verändert?
Heller: Nein, wir sehen uns nicht als trendgetrieben. Die Lebenszyklen unserer Produkte werden eher noch länger. Insofern hat der Kunde bei uns immer mehr Mehrwert, auch, wenn ein Preis etwas angehoben werden muss. Der Vorteil ist auch, wir sind nicht ständig unter Druck, weil wir Neuheiten bringen müssen. Unsere Handelspartner aus beiden Bereichen schätzen das sehr. Wir entwickeln also nicht ständig neu, wir entwickeln aber kontinuierlich weiter.
Wo zum Beispiel?
Heller: Mitte 2020 haben wir unsere gesamte Fahrradsparte umgebaut und komplett neu aufgestellt. Damit waren wir zwei Jahre beschäftigt. Wir haben neue Farben etabliert, neue Rahmenformen, neue Komponenten und neue Größen. Es entlastet uns in der derzeit herrschenden Situation extrem, dass wir quasi unsere Hausaufgaben schon gemacht haben. Ich gehe nämlich davon aus, dass die Verfügbarkeit einiger Teile bis 2023 eingeschränkt sein wird. Bei Shimano, einem unserer Zulieferer, haben wir gerade extrem lange Vorlaufzeiten. Aber damit sind wir ja nicht allein.
Sieper: Wir werden noch innovativer. Als Beispiel ist hier der Bremsassistent für Laufräder genannt, welchen wir in den vergangenen 18 Monaten in Zusammenarbeit mit einem kleinen Start-up entwickelt haben.
Wie muss ich mir das vorstellen?
Sieper: Das ist eine externe Steuerung, mit der man das Fahrzeug stoppen kann, wenn es samt Kind in eine Gefahrensituation zu geraten droht. Sieht aus wie eine Art Manschette, die man am Handgelenk tragen kann. Ganz easy. Das hilft vor allem, weil wir mit Puky ja im Leben von sehr kleinen Kindern schon eine Rolle spielen.
Heller: Ich sage immer, Puky kommt ins Spiel, sobald sich ein Kind allein hochziehen kann.
Wie lange begleitet die Marke Puky Kinder?
Heller: Man muss dazu sagen, dass bei uns das „Kind“ schon ab sechs bis sieben Jahren als Heranwachsender bezeichnet wird. Ab diesem Alter haben wir tolle Mountainbikes unter der Subbrand Eightshot. Diese MTBs sehen nicht nur aus wie Mountainbikes, sie sind auch fürs Gelände zugelassen und super-stabil. Im Alter von zwölf Jahren steigen wir dann als Marke aus.
Haben sich die Gewichtungen innerhalb der Puky-Produktpalette verändert?
Heller: Ja, wir haben uns schon immer in den beiden Welten Spielware und Fahrrad wohl gefühlt, sind aber fahrradlastiger geworden. Siehe oben. Und wie bereits erwähnt, spielen wir eine Rolle, sobald ein Kind auf eigenen Beinen stehen kann, also ab dem ersten Lebensjahr. Wir begleiten mit Puky-Produkten quasi den ersten Schritt bis zum ersten Führerschein.
Puky ist also erwachsener geworden ..?
Heller: Sagen wir so: Wir haben uns auf unsere Kernkompetenz besonnen. Wir waren und sind eben auch Fahrradhersteller und das seit Mitte der 1960er Jahre. Die Nachfrage nach unseren Produkten in diesem Bereich ist wie schon gesagt enorm. Es wäre dumm, wenn wir dem nicht folgen und unser Portfolio danach ausrichten würden.
Im Vertrieb müssen Sie aufgrund Ihrer Ausrichtung ebenfalls in zwei Welten zuhause sein …
Heller: Das ist richtig. Wir bedienen den Spielwaren- und den Fahrradfachhandel, übrigens mit der gleichen Außendienst-Mannschaft. Das ist nicht immer einfach. Die Welt der Spielware ist bunt, die der Biker erwachsener, technikverliebter. Da muss man naturgemäß trennen. Vor drei Jahren haben wir im Vertrieb nachgeschärft und ein selektives Vertriebssystem etabliert, das Händlern, die sich für unsere Marke engagieren, Vorteile verschafft.
Wo kaufen die Konsumenten denn Fahrräder für Kinder?
Heller: Generell eher im Fahrradfachhandel. Zirka 70 Prozent unserer Produkte in diesem Bereich gehen dort „über die Theke“.
Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Heller: Ganz klar bei den technischen Serviceleistungen, die der Spielwarenhändler oftmals nicht anbieten kann. Der Händler muss das Fahrrad nach dem Kauf fahrfertig montieren, es dem Kind anpassen, er muss Bremsen und Schaltung einstellen können, er braucht eine Werkstatt, da tut sich der Großteil der Spielwarenhändler schwer.
Wie gewichtet sich Ihre Produktpalette in beiden Bereichen?
Heller: Quasi 50:50 Fahrrad zu Spielware. Im Bereich der Fahrräder wird mehr Umsatz generiert, aber das liegt natürlich an den höheren Preispunkten.
Wir haben jetzt viel über Ihre Langfrist-Strategien gesprochen. Wo wollen Sie in fünf Jahren mit Puky stehen?
Heller: Wir haben eher Nahziele, die wir konsequent verfolgen. Wir müssen jetzt erst einmal unsere Lieferketten in den Griff bekommen, sodass wir unseren Handelspartnern auch die gewünschten Produkte zur Verfügung stellen können.
Sieper: Ich sehe es ähnlich. Und dann wollen wir in fünf Jahren natürlich mit einem tollen, ausgereiften Sortiment in noch mehr globalen Märkten mit Puky zuhause sein.
Frau Sieper, Herr Heller, ganz herzlichen Dank für die Einblicke in die Puky-Welt und das Gespräch!