Toy History: Kreativ trotz Mangel
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Spielzeugmangel groß, doch Kinder fanden kreative Wege, um sich ihre eigene Spielwelten zu erschaffen. Inmitten zerstörter Städte und mit kaum verfügbaren Materialien griffen sie auf das zurück, was der Krieg hinterlassen hatte – oft mit beeindruckender Einfalls- und Improvisationskunst. Eine besonders ungewöhnliche Spielidee entstand aus den leeren Zusatztanks alliierter Kampfflugzeuge: Mit Fantasie und handwerklichem Geschick verwandelten Kinder diese Relikte in Seifenkisten und Boote – ein außergewöhnliches Zeugnis kindlicher Kreativität in einer Zeit des Wiederaufbaus.
Autorin: Dr. Karin Falkenberg
Nach Kriegsende 1945 glichen die Großstädte in Deutschland Trümmerlandschaften. Zugleich waren sie für Kinder – befragte Zeitzeugen bestätigen das – „der schönste Spielplatz der Welt“. Kinder spielten 1945 mit Munitionsresten, Steinen, Erde, Sand und Wasser auf Schuttbergen mitten in den kaputtgebombten Städten. Sie spielten mit dem Alltagsmaterial, das der Krieg hinterlassen hatte – nicht selten auch voller Gefahren.
Bereits 1943 war die industrielle Herstellung von Spielzeug per Gesetz durch die NSDAP verboten worden. Im Reichs- und Generalanzeiger Nr. 65 vom 19. März 1943 wurde bekanntgemacht: „Unter das Verbot […] fällt mit Wirkung vom 15. April 1943 die Herstellung von Spielzeug aller Art, soweit hierfür nicht Herstellungsanweisungen vorliegen.“ Die Spielzeugfirmen hatten nun die Rüstungsindustrie zu unterstützen. Bis Kriegsende wurde lediglich in Ausnahmefällen, meist von der Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Mädel organisiert, Spielzeug hergestellt.
In den ersten Nachkriegsjahren bastelten, schnitzten und bauten Eltern wie Kinder Spielzeug selbst. Der Kreativität schien inmitten des Mangels keine Grenzen gesetzt. Blechdosen, Fahrradspeichen und Stoffreste wurden ebenso zu Spielzeug verarbeitet, wie ausrangierte Gasmasken, Fallschirmseide, Munitionshülsen oder ganze Flugzeugtanks.
Die Flugzeuge der Alliierten konnten im Verlauf des Krieges immer weiter ins Landesinnere Deutschlands hineinfliegen. Das lag an der verbesserten Radartechnik sowie an der Erfindung von Zusatztanks. Die größere Treibstoffmenge in den Zusatztanks ermöglichte es den Piloten in den Militärmaschinen, weite Strecken zurückzulegen – sogar bis in den Süden Deutschlands. Hier koppelten sie dann die leeren Tanks ab, ließen sie zu Boden fallen und flogen mit dem Resttreibstoff aus den regulären Tank zurück. Die Flugzeugzusatztanks lagen auf Wiesen oder Feldern und gerieten rasch ins Visier von Kindern und Jugendlichen, die sie kreativ zu Booten oder Seifenkisten umbauten.
Eine „Seifenkiste“ oder ein „Seifenkistenauto“ ist ein selbstgebauter, antriebsloser Rennwagen für Kinder, der traditionell auf abschüssigen Strecken durch die Schwerkraft bewegt wird. Der Name stammt von den hölzernen Verpackungskisten, die ursprünglich für Seifen und andere Waren verwendet wurden und als Grundlage für den Bau dieser Fahrzeuge dienten. In Deutschland sind Seifenkistenrennen seit 1904 nachweisbar. Seifenkisten haben üblicherweise keine Motorisierung. Sie werden auf abschüssigen Strecken gestartet, wobei die Schwerkraft den Antrieb liefert.
Die Flugzeugtank-Boote nutzen Kinder auf den Flüssen zum Paddeln und Spielen. Wenn die Boote kenterten, liefen sie so rasch mit Wasser voll, dass Kinder und selbst Jugendliche es wegen des Gewichts dann meist nicht schafften, ihre Errungenschaften wieder aus dem Wasser zu ziehen.
Aktuell ist in Deutschland noch ein Flugzeugtank-Boot bekannt, das sich im Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg befindet. Die einzige bekannte Flugzeugtank-Seifenkiste ist ab 25. April bis 19. November 2025 im Spielzeugmuseum Nürnberg zu sehen.