Anzeige

Start-Up „StrollMe“: Das Mietmodell

10. März 2023, 14:18

„Kinderwagen ab 10 Euro im Monat“ – damit wirbt die Mietplattform StrollMe für ein Konzept, das bei Autos und Wohnraum bereits lange etabliert ist: Mieten statt kaufen. Nur – funktioniert das Geschäftsmodell auch bei Kinderausstattung? Was junge Familien lockt und Umweltbewusste freut, betrachten die Hersteller bislang noch mit Skepsis.

Nach wie vor ist der Kinderwagen ein sorgfältig gewähltes Prestige-Produkt für Eltern. Und nun soll er als Leihgabe genutzt und nach wenigen Monaten zurückgegeben werden? In der Tat! Kinderwagen werden schon lange nicht mehr an die nächste Generation „vererbt“, sondern weitergegeben, verkauft oder eben temporär gemietet. Junge Mütter und Väter sind mit den Angeboten der Sharing Economy aufgewachsen. Sie wollen flexibel bleiben, nachhaltig agieren, müssen oft auf den Preis achten und wollen trotzdem hochwertige Produkte. Fehlender Wohnraum und die Überzeugung à la Marie Kondo, dass man sich von ungenutzten Gegenständen verabschieden sollte, verstärken den Trend und bescheren Plattformen wie StrollMe, Nomadi, Mami Poppins, Tiny Library (Niederlande) oder parently (Schweden) wachsende Kundenzahlen. Auch Hersteller wie Bugaboo bieten aktuell (erneut) Mietmodelle an.
Das Timing passt. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit langfristiger Ressourcennutzung und Abfallvermeidung im Sinne der Kreislaufwirtschaft ist in der Gesellschaft angekommen. Die fragt sich nun immer öfter: Warum ein Produkt kaufen, das nur kurze Zeit gebraucht wird? „Unser Part als Händler ist die Verlängerung der Nutzungsdauer“, betont Sebastian Reichelt, der zusammen mit Timon Beutel die Mietplattform StrollMe verantwortet. Deren typische Kundin ist Mitte 30, Mutter von zwei Kindern, lebt in der Stadt und verfügt als Familie über ein überdurchschnittliches Einkommen. Nach Reichelts Einschätzung ist sein eCommerce-Start-up weniger Konkurrenz für den stationären Handel als für Online-Händler und vor allem den Zweitmarkt wie etwa eBay.

Im Sortiment des Münchner Unternehmens, das gerade mal drei Jahre jung ist, haben Eltern bereits eine gute Auswahl: Neben Kinderwagen, Geschwisterwagen und Buggys stehen Betten, Hochstühle, Federwiegen, Babytragen, Wippen, Kraxen, Fahrradanhänger, Fahrradsitze und Fahrräder namhafter Hersteller wie Thule, Ergobaby oder tfk/Trends for Kids bereit. Die Mindestmietdauer beträgt drei Monate. Je länger gemietet wird, umso günstiger ist der Monatspreis. Kunden können zwischen „neu“ und „gebraucht“ wählen. Kommen die Artikel nach Vertragsende zurück, werden sie professionell gereinigt und bei Bedarf repariert, sprich „refurbished“.
Trotz hoher Nachfrage ist man bei StrollMe beim Thema Autokindersitze wegen der hohen Sicherheitsanforderungen noch zurückhaltend. Laut Vertrag verpflichten sich StrollMe-Kunden zur Meldung eines Unfalls, in den der Autokindersitz verwickelt ist, und können diesen kostenfrei tauschen. Der Bundesverband Deutscher Kinderausstattungs-Hersteller e. V. (BDKH) warnt jedoch generell vor der Nutzung von gebrauchten Autokindersitzen, da man ihnen Funktionsbeeinträchtigungen durch Materialschäden oft nicht ansieht.

Die Gründer und Inhaber der Mietplattfrom StrollMe Sebastian Reichelt (l.) und Timon Beutel

Der Wunsch, auch kleinere Konsumgüter wie Kinderausstattung zu mieten, ist unbestritten. Reichelt spricht von „1.000 Neukunden allein in einem Monat“. Er schätzt, dass bis 2030 bis zu 30 Prozent der Absätze in der Kinderausstattung über Abo-Modelle generiert werden könnten. Im Babyboom-Jahr 2021 mit rund 800.000 Geburten kauften die Deutschen noch etwa 720.000 Kinderwagen und Buggys. Diese Zahlen noch vor den hohen Preissteigerungen für Energie und Lebenshaltung spiegeln noch keinen Trend wider. Es ist aktuell noch zu früh für eine Prognose, ob es neben dem Button „Kaufen“ bald ganz selbstverständlich auch einen für „Mieten“ im Online-Shop geben wird, wie es Reichelt als Vision formuliert.
Sicher ist aber, dass die Hersteller von Kinderprodukten die Entwicklung von Mietplattformen in ihrem Terrain mit Interesse verfolgen. Einige mischen bereits mit, wenige versuchen es in Eigenregie. StrollMe bietet seinen Kooperationspartnern zwei Optionen:

Entweder die Mietplattform kauft die Produkte selbst ein oder der Hersteller bleibt Eigentümer und überlässt StrollMe die gesamte Abwicklung mit Marketing, Lager, Versand und Aufbereitung. Im zweiten Fall werden die Erlöse geteilt. Für Kunden, die zwar gebraucht kaufen, aber nicht mieten möchten, haben die Münchner ebenfalls eine Lösung: Über die Plattform kiddly wird Second Hand-Kinderausstattung erworben, professionell aufbereitet und verkauft.
Das Hauptgeschäft für Reichelt und Beutel liegt jedoch bei StrollMe. Im Februar starteten die Münchner eine Marketingkampagne mit dem Kaffeekonzern Tchibo, der auf seiner Webseite für das Mietabo von drei Kinderwagen- und einem Fahrradmodell wirbt. Nicht alle Hersteller von Markenprodukten finden die Kombi mit dem Kaffeeröster gut. Kritik gibt es auch an der Umsetzung des Kreislaufgedankens. Denn bis auf den in alle Einzelteile zerlegbaren Greentom-Kinderwagen bleibt die Frage nach einem echten Recycling für andere Miet-Produkte nach mehrmaligem Einsatz unbeantwortet. Reichelt sieht hier jedoch auch die Produzenten in der Verantwortung.
Gedanken machen sich die Hersteller auch über mögliche Reaktionen des Fachhandels bei einem breiten Einstieg in das Mietgeschäft: Oliver Beger, Inhaber und Geschäftsführer des Kinderwagen-Herstellers tfk/Trends for Kids, meint dazu: „Das ist sehr kritisch zu sehen, wie der Fachhandel da reagiert, wenn wir an ihn verkaufen und an die Endverbraucher verleihen.“ Er testet die Möglichkeiten von StrollMe dennoch mit einem kleinen Sortiment. „Es kann ein interessantes System für einen Hersteller sein.“ Ob er damit auch Geld verdient, hänge vom Herstellungspreis und der Haltbarkeit der Produkte ab. Und von der Nachfrage. Die Zeit werde das zeigen.

strollme.de

Lioba Hebauer