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Spielwarenhandel – Herausforderung und Chance

27. Januar 2020, 16:42

Der Onlineriese Amazon bekam auch 2019 das schönste Weihnachtsgeschenk von seinen Kunden aus aller Welt – sie bestellten zum Fest mehr Artikel als je zuvor. Dies gab das Unternehmen jüngst bekannt, veröffentlichte jedoch keine Zahlen zum Umsatz. Grund genug, sich das Konstrukt Amazon genauer anzuschauen.

Basis dieses Beitrags ist eine von kircher-consult initiierte Studie zum Thema e-commerce. Im Mittelpunkt stehen eine Vielzahl von Erkenntnissen und Informationen, die helfen sollen, Amazon als die treibende Kraft im e-Commerce-Geschehen besser zu verstehen.
Die Sichtbarkeit der eigenen Produkte auf dem Marktplatz Amazon zu erhöhen, sollte mit einfachen Maßnahmen und in einfachen Schritten möglich sein. Die Studie, richtigerweise die Anwendungsmöglichkeiten, richten sich an Hersteller und Händler gleichermaßen. Also an Anbieter, die ihr Wissen um die Marktmacht Amazon vertiefen wollen, um Umsätze nachhaltig zu steigern. Ob dies als Amazon-Anbieter geschieht oder an die Anbieter gerichtet wird, die Daten- und Fakten-Input aus der Amazon-Welt bekommen wollen, um letztendlich Umsatz und Ertrag mit überschaubarem Invest zu optimieren, sei dahingestellt.
TOYS sprach mit Peter Kircher über die Ergebnisse und den Hintergrund der Studie.

Herr Kircher, warum diese Studie?
Wir haben uns seit längerem eingehender mit den aktuellen Herausforderungen und, viel wichtiger, mit den möglichen sich bietenden Chancen von e-commerce & Co. und hier insbesondere mit dem Marktplatz Amazon beschäftigt. Unser Ziel war es, hieraus Ergebnisse und einfache Maßnahmen abzuleiten, die die tägliche Arbeit von kleineren, mittelständisch geprägten Unternehmen mit diesem Thema erleichtern und effizienter gestalten können.

Können Sie diesen Ansatz konkretisieren?
Wenn wir zurückschauen, haben sich noch vor zehn bis 15 Jahren Vertrieb und Marketing hauptsächlich im Offline bewegt, vereinfacht gesagt, man hat sich in der Hauptsache darauf fokussiert, hergestellte Produkte in die Geschäfte zu bringen, im Geschäft zu präsentieren, eventuell mit Katalogen und Broschüren sowie medial über TV und Radio zu bewerben, um den Endkonsumenten im Geschäft individuellen Service mit den gegebenen Möglichkeiten zu bieten. Alles hatte seinen analogen, relativ verlässlichen Platz und Ablauf. Das Angebot im Geschäft war, generell umschrieben, die zur Verfügung stehende Einkaufswelt und das damit verbundene Einkaufserlebnis und somit das Maß der Dinge für den Endkonsumenten.

Und wie war das damals mit nicht Offline-Vertriebskanälen?
Diese Vertriebskanäle, sprich der Versandhandel, damals noch unter anderem Quelle, Neckermann, Otto, Baur, Klingel & Co. präsentierten ihr Produkt- und Einkaufserlebnis über schöne Bilder in dicken Katalogen; zusammen mit dem bereits stattfindenden Vertriebskanal e-Commerce machte das lediglich einen kleineren einstelligen Wert von circa vier bis fünf Prozent am gesamten Einzelhandelsumsatz aus. Im Spielwarenbereich sah es mit einem Online-Anteil von 10 bis 15 Prozent schon anders aus, aber dennoch wurden noch mehr als 85 Prozent offline erwirtschaftet. 2013 machte der Fachhandel stationär noch circa 40 Prozent der Spielwarenumsätze, heute ist es umgekehrt, Online macht über 40 Prozent und der Fachhandel liegt auf dem Online-Niveau von 2013 mit circa 28 Prozent.

#Und wie ist der aktuelle Stand?
Die letzten Jahre brachten, wie wir alle wissen, enorme Verschiebungen, so dass mittlerweile zwölf Prozent aller Einzelhandelsumsätze online passieren. Im Spielwarenbereich sind das mit schon über 40 Prozent gravierende Einschläge, die in der Branche tiefe Spuren hinterlassen. Die Welt hat sich insofern maßgeblich verändert, als nun der Endverbraucher unter anderem durch Online vorinformiert ins Geschäft kommt mit zum Teil klaren Vorstellungen, was er haben will und was nicht. Hier muss auf der bisher reinen Off-Seite schnellstmöglich nachjustiert werden, denn die herkömmlichen Rezepturen greifen nicht mehr wie gewohnt.

Sie sind seit vielen Jahren erfolgreich in der Spielwarenbranche unterwegs, offline mehr als online. Wo genau haben Sie in der doch sehr komplexen und technologisch geprägten e-Commerce Welt angesetzt?
Die Verschiebungen im Handel hin zum e-Commerce haben sich wesentlich dramatischer vollzogen, als wir das alle für möglich gehalten hatten, da werden Sie mir recht geben. Also ging es darum, auf dem bereits vorhandenen Wissen um e-Commerce im Spielwarensegment unmittelbar und effizient aufzusetzen. In Zusammenarbeit mit e-Commerce-Experten haben wir herausgearbeitet, wie dieses Konstrukt im Detail funktioniert, wie sich Amazon als Taktgeber darstellt und was wir als Problemlösung kompakt und verständlich vermitteln können.

 

Peter Kircher hat eine langjährige Branchenexpertise mit Spezialisierung auf den markenorientierten Spielwarenmarkt sowie Vertriebs- und Sortimentsbereiche in deutschsprachigen Ländern

Und hieraus haben Sie quasi einen Leitfaden erarbeitet?
Genau. Diese Analysen haben uns wiederum zu dieser Studie oder, wie Sie sagen, zu diesem Leitfaden geführt. In einfachen Schritten zeigen wir auf, was genau bei der treibenden und dominierenden e-Commerce Hochleistungsmaschine Amazon passiert, wie Amazon vom Endkonsumenten genutzt wird, wie der Endkonsument sucht und wie er letztlich ein Produkt findet. Welche Einflussmöglichkeiten bestehen, wo und mit welchem Aufwand zum Beispiel ein Engagement auf dem Marktplatz Amazon sinnvoll ist.

Amazon & Co. … jeder nutzt es, aber keiner will es letztlich gewesen sein …
So ist es. Nun kann man das so hinnehmen oder auch in Frage stellen – oder man versucht, die Mechanismen zu verstehen, um daraus zu lernen. Bedenken Sie, der Spielwarenmarkt bewegt sich seit mehreren Jahren mehr oder weniger seitwärts, es gibt immer weniger Gewinner und immer mehr Verlierer. e-Commerce gewinnt immer und legt zweistellig zu, der stationäre Bereich tritt auf der Stelle beziehungsweise verliert Anteile.

 

Und jetzt kommt Amazon ins Spiel …
Amazon als dominanter e-Commerce-Vertriebskanal bestimmt die Schlagzahl. Fast 50 Prozent Anteil an den gesamten e-Commerce – Umsätzen in Höhe von rund 60 Milliarden bestimmt direkt und indirekt Amazon. Nach wie vor wurden auch 2019 bei Amazon große zweistellige GMV-Zuwächse generiert (Anm. d. Red: GVM = Gross Market Volume = alle Umsätze, die über alle Marketplacer und Amazon-Retail bei Amazon generiert wurden). Das heißt, von den circa 30 Milliarden Euro Umsatz, für die Amazon steht, werden mehr als 15 Milliarden nicht durch Amazon-Retail direkt generiert, sondern durch die aufgeschalteten 3 P-Händler, Third Party Händler oder Marketplacer. Und die sorgen so richtig für Dynamik im Markt.

Man kommt also an Amazon nicht mehr vorbei, meinen Sie?
So ist es. Hinzu kommt nämlich, dass sich im Suchverhalten bei Endkonsumenten Verschiebungen ergeben haben. Startete bisher die Suche generell noch vorwiegend bei Google in der Suchmaske auch bei Produktsuchen, hat sich dies aktuell zugunsten von Amazon verlagert. Heute starten über 50 Prozent aller Suchanfragen zu Produkten in der Suchmaske von Amazon. Und das spielt Amazon natürlich in die Karten.

Wie ist die Situation in der Spielwarenbranche?
Im Spielwaren-Freizeitbereich hat Amazon den größten Marktanteil mit 16 Prozent vor Elektronik, Büchern und Fashion, die zwar in absoluten Zahlen größere Umsätze generieren, aber hinsichtlich der Marktanteile am spezifischen Markt kleiner sind. Wir gehen in unseren internen Berechnungen davon aus, dass das Amazon-GMV, also der direkt und indirekt generierte Umsatz im Spielwarensegment deutlich über 1,0 Milliarden Umsatz liegt, was einem prozentualen Anteil am Spielwarenmarktvolumen von irgendwo bei 30 Prozent entspricht.

Verstehe ich das jetzt richtig: Vom aktuellen 40 Prozent e-Commerce-Anteil im Spielwarenbereich beeinflusst Amazon allein 30 Prozent, also 3/4 der e-Commerce-Spielwarenumsätze oder auf den gesamten Spielwarenumsatz bezogen, 1/3 aller Spielwarenumsätze?
So sehen wir die aktuelle Verteilung im Großen und Ganzen. Dazu würden sich die durch Amazon beeinflussten ROPO-Umsätze addieren. Der sogenannte ROPO-Effekt (Anm. d. Red: Research Online- Purchase Offline und umgekehrt), also online informieren und offline kaufen und umgekehrt, trägt nochmals dazu bei, dass Amazon zu einer dominierenden Marktmacht und Produkt-Drehscheibe geworden ist, mit deutlichen Auswirkungen in alle wesentlichen Bereiche der Einkaufs- und Verkaufswelt von Spielwaren.

An wen konkret richtet sich die Studie?
Die Ergebnisse und beschriebenen Maßnahmen der Studie richten sich vor allem an Hersteller und Händler, die ein Engagement auf Amazon in Erwägung ziehen beziehungsweise ihr Engagement auf Amazon professionalisieren wollen, sei es als Vendor, als Seller oder beides. Und wir möchten Unternehmen, die keine spezifischen Ressourcen hierfür bereitstellen wollen oder können und sich überfordert fühlen, Wege aufzeigen, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden.

Wie soll das in der Praxis funktionieren?
Wir bieten eine Vorgehensweise an, die quasi im Rahmen von „Hilfe zur Selbsthilfe“ – Unterstützung leistet, quasi also die einzelnen Schritte unter Anleitung passieren und anschließend in eigener Regie weiter gearbeitet werden kann. Darüber hinaus können wir als grobe Orientierung und als Nebeneffekt zu aktuellen Top-Sellern auf Amazon grundsätzliche Daten und Informationen geben. Das betrifft Bewertungen, neue Anbieter, Mengenentwicklung, Preisstellungen et cetera. Dieses Wissen kann bei der weiteren Ausrichtung stationärer Handelsaktivitäten mit einfließen. Dies steht jedoch nicht im Vordergrund.

Wie sind Sie vorgegangen?
Wir haben uns Kooperationspartner ins Boot geholt, die unser bestehendes Wissen und unsere Expertise aus dem Spielwarenbereich digital in den Bereichen e-Commerce und Amazon komplettiert haben. Es handelt sich hierbei um ausgewiesene Amazon-Spezialisten, die bereits in anderen Branchen erfolgreiche Arbeit geleistet haben und mit denen wir die bereits vorhandenen erfolgreichen Mechanismen ins Spielwarensegment übertragen haben. Unser Kooperationspartner, Torsten Dall, Inhaber der market place transparency, hat bereits bei renommierten Markenunternehmen im Konsumgüterbereich über lange Jahre Top-Resultate erzielt (Anm. d. Red: 20 Prozent Wachstum Jahr für Jahr über drei Jahre mit einem Prozent-Marketingaufwand), was letztendlich für uns mit den Ausschlag gab, dieses System auch auf das Spielwarensegment hin zu adaptieren.

Mit welchen Folgerungen und Angeboten?
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die aktuell sich weiter vollziehende e-Commercialisierung zwar ganz klar als Herausforderung zu bewerten, aber in erster Linie für den gesamten Handel, online wie offline, als Chance zu sehen und zu nutzen. Zehn bis 15 Prozent des Einzelhandelsvolumens werden aktuell online realisiert, das heißt, immerhin noch mehr als 85 Prozent werden offline getätigt. Dieses Verhältnis wird sich in Zukunft weiter verschieben und Online auch in den bisher unterrepräsentierten Kategorien wie Möbel und Lebensmittel weiter an Bedeutung gewinnen. Im Spielwarenbereich als ultra-online-affiner Produktkategorie hat sich mit einem aktuellen Anteil von über 40 Prozent diese Verlagerung bereits vollzogen. Grund genug also, stationär aufzurüsten und den Online-Blick dahingehend zu schärfen, wie muss ich mich aufstellen, was muss in meinem Geschäftsumfeld passieren, um auch noch morgen den Endkonsumenten abholen zu können! 

Was sind in diesem Kontext die zentralen Themen?
Es wird auf beiden Seiten wie immer im Verkauf um die drei entscheidenden Faktoren Frequenz, Konversion und Umsatz/Ertrag gehen: Was die Frequenz, stationär gesehen die Anzahl der Kunden im Geschäft, betrifft, bedeutet das online: Maximiere die Sichtbarkeit deiner Produkte auf dem Marktplatz durch Top-Content und AMS-Werbung, so dass viele Klicks, also eine hohe Klick-Frequenz, deine Produkte auf die Top 3-Position ranken. Und das ist über entsprechende Suchbegriffsanalysen und Produkt-Kontent-Optimierungen zu schaffen und Gegenstand unseres Ansatzes.

Ist die hohe Klickrate denn immer kriegsentscheidend?
Eine hohe Klickrate, ähnlich wie stationär viele Kunden im Geschäft, bedeutet eine hohe Wahrscheinlichkeit zur Konversion, also zum Abschluss der Suche und des Kaufvorganges durch die Buy-Box, so dass idealerweise der angestrebte Umsatz und Ertrag erzielt wird. Die Offline-Mechanismen sind uns vertraut, damit haben wir uns lange Jahre befasst, das kennen wir … Was aber passiert Online, und wie passiert es? Das sind die Fragen, mit denen wir uns ausein-ander gesetzt haben.

Werden das nicht die Gesetze der Marktwirtschaft regeln?
Die Vergangenheit zeigt, dass sich marktwirtschaftlich alles seinen Weg bahnt und seinen Platz findet. Das war schon beim Übergang von der Bedienung zur Selbstbedienung so, ebenso als Discounter und Riesenmärkte auf der grünen Wiese entstanden oder Shoppingmalls und Designer Outlets neue Einkaufsformate schufen. Müller und TRU kamen als dunkle Mächte hinzu. Mittlerweile sind diese Angstgegner akzeptierte Realität, die unserer Branche sogar gut getan haben, weil sie weitere Entwicklungen in Gang gesetzt haben. Der Endverbraucher ist dabei immer wieder den Weg gegangen, der ihm persönlich den besten Service geboten hat, also es war nicht immer nur der Preis. Wir bleiben hier am Ball, indem wir die Angebots- und Vertriebswelten Off- wie Online in den Fokus nehmen, gegenüberstellen, Unterschiede herausarbeiten und Ansätze aufzeigen, wie Offline von eindrucksvollen Online-Strategien, Verkaufsansätzen und Serviceangeboten lernen und besser werden kann. Und umgekehrt.

Sie sind also der Überzeugung, dass sich die Situation nicht einpendelt oder das Rad nicht mehr zurückdrehen lässt?
Wir alle spüren doch: Die Welt hat sich verändert, die bisherigen Geschäftsmodelle müssen überdacht werden. Marktplätze, Plattformmodelle, mehrseitige Marktallianzen, all dies sind Entwicklungen, die immer mehr Einfluss auf jedwede Geschäftstätigkeit nehmen. Nach wie vor gilt jedoch ein Grundsatz: Der Endverbraucher ist König, er lebe hoch! Oder, um es mit Jeff Bezos zu sagen: „Start from the customer and go backwards“.

Ist Ihr Projekt längerfristig angelegt?
Ja, wir präsentieren in Kürze weitere Ergebnisse dazu, wie sich beide Vertriebsformen in der Spielwarenwelt Offline und Online weiter entwickeln, aber viel wichtiger ist uns jetzt erst einmal, klar herauszuarbeiten, was der eine vom anderen jeweils lernen, für sich nutzen und konkret umsetzen kann. Sozusagen „O2O“, also Online-to-Offline beziehungsweise Offline-to-Online. Wir wollen das Beste aus beiden Welten definieren und verschmelzen.

Glauben Sie, das Ende der Fahnenstange im Spannungsfeld und -verhältnis On- zu Offline ist erreicht?
Am Tag 1 – wie es Bezos formuliert, sehen wir den Markt in der Zwischenzeit nicht mehr. Wir sind davon überzeugt, dass weitere enorme gravierende Veränderungen vor uns liegen, die das Verhalten von Anbietern und Endverbrauchern im Markt massiv und nachhaltig verändern werden.

Können Sie Ihre Erkenntnisse für unsere Leser*innen zu einem Schlusswort zusammenfassen?
Gern. Das lässt sich mit einem Satz sagen: Hoffnung allein ist keine Strategie.

Sie haben Ihre Kontaktdaten zur Veröffentlichung freigegeben. Dürfen sich unsere Leser*Innen unverbindlich auch während der Spielwarenmesse an Sie wenden, wenn sie Fragen haben?
Gern. Ihre Leser*Innen erreichen mich mobil unter den auf Seite 9 angegebenenen Nummern. Ich beantworte gern offene Fragen.

Vielen herzlichen Dank, Herr Kircher, für das hochinteressante und aufschlussreiche Gespräch.