Spiele – Frisch auf den Tisch, Folge 50: Echte Kinderspiele
Neben Kleinkinderspielen, in denen es um Farberkennen und Zuordnen geht, sind echte Kinderspiele schon anspruchsvoller. Erste Raffinesse oder einfaches Taktieren werden gefordert, ohne gleich lange Spieldauer zu implementieren. So ab sechs Jahren ist das Alter für Kinderspiele festgesetzt. Aber ältere Geschwister und selbst Erwachsene spielen gerne mit.
DIE MAGISCHEN SCHLÜSSEL: Öffne die Schatztruhe
Verlag: Game Factory
Autor: Arno Steinwender & Markus Slawitscheck
Illustration: Camillia Peyroux
Zielgruppe: wagemutige Schatzsucher
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 6 Jahren
Art: Würfellauf mit „Can’t stop“-Mechanismus
Sonderheit: Kinderspiel des Jahres 2024
Im magischen Schlüsselwald stecken massenweise Schlüssel wie Pilze in der Erde. Wer sie erreicht, kann sie aus dem Boden ziehen oder weitersuchen, um wertvollere Gewinne zu erzielen. Derjenige, der weiter zum Ziel vordringt, erhält mehr Beute. Der eroberte Schlüssel wird in die Schatzkiste gesteckt. Öffnet sich die Truhe, dürfen Edelsteine genommen werden. Sie wird dann für den nächsten Eroberer wieder geschlossen. Öffnet sich die Truhe nicht, hat der kleine Abenteurer zunächst Pech gehabt, kann diesen Schlüssel aber als wertvollen Fund bei späteren Pechsträhnen verwenden.
Der Spieler am Zug wirft drei Würfel. Die höchste Zahl bringt die Figur nach vorne in den Schlüsselwald. Allerdings müssen Mond-Symbole (auf jedem Würfel gibt es davon zwei) zur Seite gelegt werden. Danach darf weiter geworfen werden, aber nur mit den verbliebenen aktiven Würfeln. Wer rechtzeitig aufhört, gewinnt den Schlüssel am Wegesrand. Wer unglücklich würfelt und nur Monde vor sich liegen hat, darf nichts erobern und muss den Zug beenden. Ein gewonnener Schlüssel wird in die Schatztruhe gesteckt und wenn beim Drehen ein Klicken zu hören ist, springt der Deckel auf. Der Spieler darf sich seine Beute nehmen. Diese ist um so größer, je weiter er mit der Figur vorgedrungen ist. Die Farbe des Schlüssels bestimmt, wie wertvoll die Ausbeute ist. Wer Pech hat, bekommt keine Edelsteine, darf aber den unnützen Schlüssel behalten und später dafür „Mondwürfel“ wieder aktivieren.
Die Spielidee lebt von der Herausforderung, ob man weiterwürfelt und wertvollere Gewinne erzielt, aber Gefahr läuft, nichts zu bekommen. Oder umgekehrt, dass man auf Nummer sicher geht und dann nur wenig Gewinn einstreicht. Dieser bekannte Mechanismus ist hier wunderschön in Szene gesetzt. Der magische Schlüsselwald besticht durch sein schönes Szenario. Die gefundenen Schlüssel bergen Geheimnis und Spannung zugleich. Und wenn schließlich durch ein vernehmliches Klicken die wuchtige Schatztruhe aufspringt und glitzernde Rubine freisetzt, dann ist das ein höchst befriedigendes Gefühl. Für die Altersgruppe wurde alles richtig gemacht: Schönes, funktionales Material sowie ein Mechanismus, der erstes Taktieren fördert und fordert.
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MEIN LIEBER SCHOLLI: Ab auf die Eisrutsche
Verlag: Zoch
Autor: Anna Oppolzer & Stefan Kloß
Illustration: Gabriela Silveira
Zielgruppe: Schlitter-Freunde
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 6 Jahren
Art: Würfelspiel mit Rutscheffekt
Die etwas unbeholfenen Pinguine watscheln über die Eisschollen oder tauchen zur nächsten. Dabei hoffen sie, dass der dicke Fischschwarm vorbeischwimmt und man sich einen schönen Fang angeln kann. Bisweilen wird ein Pinguin ins Wasser geschubst. Er rettet sich auf die Eisrutsche. Dort geht es dann kopfüber hinunter, hoffentlich ins gewinnbringende Fischbecken. Wer ins Wasserloch purzelt, geht leer aus.
Mehrere Eisschollen bilden einen Kreis um die Rutsche. Auf sie werden die Pinguine der Spieler verteilt. Es gibt vier Setzplätze mit 0 bis 3 Beutefischen. Nach Würfelwurf lässt jeder seine Figuren meist vorwärts, manchmal rückwärts watscheln. Danach bewegt sich der Fischschwarm, auch nach Würfelwurf, im Uhrzeigersinn. Landet er an einer Scholle an, bekommen die meisten der dort platzierten Pinguine Fische als Ausbeute. Bisweilen wird der Fischschwarm umgedreht und ein dicker Wal taucht auf. Dieser schubst Pinguine auf eine Eisrutsche. Dort geht es hoch hinaus und dann rück- oder bauchlinks wieder ab in die Tiefe. Zwei Auffangbecken bedeuten Fischausbeute oder ein Wasserloch. Dort befinden sich keine Fische. So werden mit der Zeit alle 47 Fischplättchen verteilt und letztendlich der Sieger-Pingu bestimmt.
Der Spielverlauf hat viele Glücksmomente. Beim Würfeln der Pinguin-Bewegung oder auch beim Weiterzug des Fischschwarms ist viel Zufall im Geschehen. Zwar können die Spieler immer zwischen drei eigenen Figuren wählen, um eine günstige Ausgangsposition zu ergattern, aber eine Garantie für fette Beute ist das nicht. Dann ist die Rutschpartie ebenfalls reiner Zufall, ob der eigene Pinguin im Verlust- oder Gewinn-Becken landet. Das Spiel lebt vom Setting. Dazu tragen die Holzpinguine in Form kleiner bemalter Eier bei, die immer wieder über das zentrale Spielelement, die Eisrutsche, trudeln. Das ist ein bisschen Action, sieht nett aus uns birgt Überraschung. Den Kindern macht es zumindest anfangs durchaus Spaß.
-pen
BAMBOO RALLYE CUP: Seifenkistenrennen durch den Dschungel
Verlag: Haba
Autor: Heinz Meister
Illustration: Zapf
Zielgruppe: schnelle Flitzer
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 6 Jahren
Art: Würfel-Lauf-Spiel mit Ärgerfaktor
Bei der Dschungelfahrt geht es immer im Kreis. Möglichst rasant wollen die Wildtiere losdüsen. Wer dreimal den Parcours gemeistert hat, gewinnt den Rallye Cup, einen schönen Kokosnuss-Pokal. Dummerweise gibt es Dschungel-Geister. Diese fangen die Figuren bei einer Begegnung auf dem gleichen Feld und schicken sie zurück in die Boxengasse. Diese Störfiguren werden von den Mitspielern so gesteuert, dass sie viel Schaden bei der Konkurrenz anstellen.
Mit zwei Rennfahrzeugen geht jeder an den Start. Gewürfelt wird mit vier Würfeln. Der silber-graue bestimmt, wie viele der drei weißen in die Wertung gebracht werden dürfen. Darüber hinaus können auch weiße Würfel für den Störgeist verwandt werden. Das ist immer ein Abwägen, ob der aktive Spieler sich selbst bevorteilt oder gegen die anderen spielt. Darüber hinaus gibt es die Hupe in der Planmitte. Wer diese drückt und eines von zwei eigenen Powerblitz-Plättchen abgibt, darf den Würfelwurf eines Mitspielers für sich nutzen, bevor dieser selbst zum Zuge kommt. Derjenige, der dreimal in der eigenen Boxengasse stoppt, gewinnt den Cup.
Das Spiel ist ein modernes „Mensch ärgere Dich nicht“. Jeder versucht möglichst schnell im Ziel zu landen. Dabei dürfen Gegner geschmissen werden. Das Hinauswerfen wird durch eine oder zwei neutrale Figuren geregelt, die sich gegenläufig bewegen und dafür für ständige Gefahr bei allen sorgen. Dafür wird keiner ganz an den Anfang zurückversetzt, vielmehr immer nur zu einer Teiletappe. Das ist dann nicht ganz so schmerzhaft. Der Würfelmechanismus verspricht immer etwas Auswahl. Jeder kann im eigenen Sinne abwägen. Schließlich ist das Partizipieren an den gegnerischen Würfelwürfen ein neuartiges, interaktives Moment. Der Spieler, der hier im richtigen Moment hupt, kann sich einen gehörigen Vorsprung verschaffen. Dass das Spiel allerdings in ein Dschungel-Szenario gebettet wurde, ist rein willkürlich. Mit dem Mechanismus hat das Thema nichts zu tun.
-pen
GARTEN-GAUNER: Anschleichen und verstecken
Verlag: Ravensburger
Autor: Anthony Perone & Fabrice Chazal
Illustration: Jiahui Eva Gao
Zielgruppe: kleine Gartenräuber
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 6 Jahren
Art: Versteckspiel im Vorgarten
Sonderheit: Deutscher Spielzeugpreis 2024, nominiert in der Kategorie „Alles fürs Kinderherz“
Kleine, freche Nager schleichen sich ans Haus heran. Hier ein Strauch, dort ein Baum oder gar eine Mühle dienen als Versteck. Die Waschbären wollen vor dem gestrengen Blick des Gärtners unentdeckt bleiben. Der öffnet das Fenster und versucht einen Waschbären beim Anschleichen zu erspähen. Wo könnte sich ein putziges Kerlchen im Geheimen halten? Wer erwischt wird, muss wieder von ganz hinten in den Vorgarten schleichen. Wem es bis zur Mülltonne neben der Haustüre schafft, ergattert gute Siegzähler. Zwischendurch darf für Pumktgewinn auch an herumliegenden Früchten oder Hühnereiern genascht werden. Das geben die Waschbären durch vernehmliche Fress-Geräusche kund. Der Gärtner hat dann eine größere Chance, diese zu entdecken.
Es ist ein echtes Versteckspiel, dass geboten wird. Insgesamt 14 Hindernisse sind im Garten aufgebaut. Die Waschbären-Spieler bewegen in einem kurzen Zeitfenster ihre Figuren durchs Geviert und suchen immer ein anderes, benachbartes Versteck. Der Gärtner hockt hinter einer wuchtigen Hauskulisse und hat keinen Blick auf das Gewusel im Garten. Erst wenn er das Fenster öffnet, ist das schmale Guckloch das Einfallstor in die Szenerie. Schon ein kleiner Ruckler am Versteck kann verraten, ob dahinter ein Eindringling hockt. Oder ein Störenfried hat sich in aller Hektik nicht ganz korrekt verborgen und lugt hinter einem Busch hervor. – Entdeckt. Wer zwischendurch etwas knabbert (und dadurch einen Siegpunkt erreichet), muss Geräusche machen und verrät, dass er hinter bestimmten, markierten Verstecken hockt.
Das Versteckspiel lebt vom Zeitdruck. Die Waschbären-Spieler haben nur drei, vier Sekunden Zeit, sich neu zu positionieren. Da passieren Ungeschicklichkeiten. Auch die Knabbergeräusche sind sehr kindgerecht. Sie geben Hinweise auf mögliche Verstecke und es macht beim Spielen Spaß, Tiergeräusche zu imitieren. Die wechselnde Rolle des Gärtners hat ebenfalls seinen Reiz. Mit scharfem Blick will der Hausherr die Eindringlinge ausfindig machen. Das ist immer auch eine detektivische Beobachtungsaufgabe. Es ist bisher wenig versucht worden, das vom Schulhof oder Spielplatz bekannte Versteckspiel in einem Brettspiel zu adaptieren. Das ist hier vortrefflich geglückt. Auch wenn etwas Disziplin beim Gärtner erwartet werden muss, damit er nicht unabsichtlich die Bewegungen der Waschbären erspäht.
-pen
WILLI SCHÜTTELBIRNE: Die tanzende Kernfrucht
Verlag: Huch!
Autor: unbenannt
Illustration: unbenannt
Zielgruppe: reaktionsfreudige Spieler
Anzahl/Alter: 2-8 Spieler ab 7 Jahren
Art: schnelles Kartenlegen
Willi Schüttelbirne ist ein Steh-auf-Männchen. Es kippelt und wippelt hin und her. Derweilen wird ein Ablagestapel schnell und flink und gleichzeitig von allen Spielern gefüllt. Ziel ist es, zuerst alle eigenen Spielkarten loszuwerden.
Gespielt wird eine altbekannte Idee. Viele, je nach Teilnehmerzahl auch alle 72 Karten werden verteilt. Jeder hat seinen Nachziehstapel. Mit wenigen Handkarten geht’s frisch ans schnelle Werk. Karten mit einem gleichen Merkmal dürfen auf die oberste Karte des Talons in der Tischmitte abgeworfen werden und das gleichzeitig. Die Merkmale sind Symbole, deren Anzahl und die Hintergrundfarbe. Die Symbole ähneln sich, sind alle irgendwie birnenförmig. Da gibt es Glühbirnen, Avocados oder auch bauchige Bowlingkegel, etc. Neben dem Abwerfen ist auf die Kippfigur in der Tischmitte zu achten. Kommt sie zum Stehen, wird das Spiel unterbrochen und nach der realistisch großen Kunststoffbirne gegriffen. Ein kleines Tänzchen muss dann initiiert werden. Wer Fehler macht oder den Tanzregeln nicht folgt, erhält Strafkarten.
Die Karten sind ganz der thematischen Vorgabe birnenförmig. Das ist aber eher eine kleine augenzwinkernde Gestaltung. Relevanter ist die wippende Birne. Sie dient nicht nur als Verpackung, sondern hat auch noch diesen Kippel-Effekt, der durchaus seine Zeit braucht, bis Wille Schüttelbirne zur Ruhe kommt. Die Spieler müssen sowohl die tanzende Frucht als auch das eigene Handkartenmanagement im Blick behalten. Das ist die eigentliche und auch durchaus neue Herausforderung. Trotz netter Idee und Aufmachung ist das Spiel nicht mehr als ein Gag.
-pen