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Spiele – Frisch auf den Tisch, Folge 5

29. Juli 2020, 13:33

In regelmäßigen Abständen werden wir auf toys-kids.de Brettspiel-Rezensionen von Spieleexperte Peter Neugebauer präsentieren. Immer frisch. Immer aktuell.

„PICTURES“ IST BILDERRATEN

Verlag: PD Verlag
Autoren: Daniela & Christian Stöhr
Grafik: Dominik Mayer
Zielgruppe: Familien und Erwachsene
Anzahl/Alter: 3-5 Spieler ab 8 Jahren
Art: kreatives Ratespiel
Neuheit: Essen 2019
Sonderheit: gewählt zum „Spiel des Jahres 2020“

Kreatives Gestalten und das Erraten der Ergebnisse ist nicht neu. Gänzlich anders aber hier ist die Asymmetrie. Es gibt fünf nötig unterschiedliche Bastelsets. Mit diesen müssen Bildvorlagen geformt werden. Schließlich gilt es, die Kunstwerke zu erraten.
16 immer andere Bilder liegen in der Spielmitte. Die Motive sind mannigfaltig. Natur, Technik oder Kultur, Nahaufnahme oder Fernblicke, alles und noch viel mehr ist dabei. Alle Spieler bekommen ein Bild zugelost, dass möglichst eindeutig gestaltet werden soll. Als Hilfsmittel dienen fünf gänzlich andere Zugriffe. Da muss mit Schnürsenkeln geformt, mit bunten Würfelchen das Bild nachgepixelt oder anhand von Assoziationskarten Hinweise gegeben werden. Zwei verschiedene Bausets, eins für die Fläche, eins für die Höhe, sind auch noch dabei. Dann wird gewerkelt und geraten und für Erfolg gibt es einen Punkt. So einfach. Und natürlich wechseln die Kreativsets in jeder Runde.
Die phänomenale Einfachheit bei trotzdem interessanter, spannender Spielforderung ist das Geheimnis des Spiels. Vielleicht könnte man bekritteln, dass manche Spieler die Bildmotiv nur auf dem Kopf sehen. Dieses Handicap bekommen die besseren Spieler zugewiesen. Ganz zweifelsohne ist dieses Spiel des Jahres für die breite Masse. Bemerkenswert ist zusätzlich, dass jetzt schon im zweiten Jahr in Folge ein Spiel dieses Genres, der kreativen Ratespiele ausgezeichnet wurde. Es bleibt abzuwarten, ob jetzt ein Boom dieses Genres losgetreten wird. (pen)

„DER KARTOGRAPH“ ZEICHNET DIE WELT

Verlag: Thunderworks Games
Vertrieb: Pegasus
Autor: Jordy Adan
Illustrationen: Lucas Ribeiro
Zielgruppe: anspruchsvolle Spieler-Familien
Anzahl/Alter: 3-100 Spieler ab 10 Jahren
Art: Flip & Write Spiel
Neuheit: Nürnberg 2020
Sonderheit: nominiert zum „Kennerspiel des Jahres“

Bei den „Flip & Write“-Spielen wird eine Karte aufgedeckt und alle übertragen das Ergebnis auf einen eigenen Zettel. Jeder entscheidet anders und so entwickeln sich individuelle Szenarien, von denen eines am Ende am besten bepunktet wird. Das ist das des Siegers.
Eine 11 x 11-Landkarte liegt zunächst jungfräulich vor jedem Spieler. Lediglich fünf Gebirgsfelder und ein Paar Ruinen sind eingezeichnet. Eine aufgedeckte Karte des Erkundungsstapels gibt vor, welche Geländeformation und welche Geländeart eingezeichnet werden muss. Es besteht immer die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Was man einzeichnet, orientiert sich an offenliegenden Dekreten, z.B. bekommt man 1 Ruhmpunkt für Wald-Felder am Rand. Da es aber mehrere Dekrete gibt, die zu unterschiedlichen Zeiten Gültigkeit haben, ist kein Kartieren eindeutig und Weitblick wird häufig mit ordentlich Punkten belohnt. Außerdem gibt es noch fiese Störkarten. Dann dürfen die Mitspieler in die eigene Landschaft Hindernisse einbauen. Ärgerlich.
Durch eine Fülle unterschiedlicher Erkundungskarten sowie raffinierte Verführungen durch Goldmünzen und Ruinenfeldern ist stets viel zu beachten. Fehler sind vorprogrammiert. Aber das macht Reiz und Tiefe des Spiels gleichermaßen aus. Man fiebert jeder aufgedeckten Karte entgegen, ob sie es erlaubt, seine eigene Landschaft optimal fortzuzeichnen. Und man sollte nie für den Augenblick entscheiden, denn die weit entfernt liegenden Dekrete kommen früher oder später dann doch in die Wertung. Wohl dem, der vorgedacht hat. Und wegen vieler, unterschiedlicher Zielkarten verläuft jede Partie anders. Die Spieleranzahl bis 100 anzugeben, ist natürlich Unsinn. Zwar könnte man theoretisch mit so vielen gleichzeitig spielen, es liegen 100 Zettel im Karton. Aber so viele Personen passen um keinen Tisch. Nichtsdestotrotz kann man in größerer Runde ohne lange Wartezeit Gelände zeichnen, da immer alle gleichzeitig agieren. (pen)

 

„THE KING’S DILEMMA“: MORALISCHE ENTSCHEIDUNGEN ZU HAUF

Verlag: Horrible Guild
Vertrieb: Heidelbär
Autoren : Lorenzo Silva & Hjalmar Hach
Illustrationen: Giorgio Baroni
Zielgruppe: Spiele-Kenner
Anzahl/Alter: 3-5 Spieler ab 14 Jahren
Art: narratives Legacy-Spiel
Neuheit: Essen 2019
Sonderheit: nominiert zum „Kennerspiel des Jahres“

Der Titel sagt alles. Der König ist ständig in einer Entscheidungssituation. Was ist gut und richtig? Was ist verkehrt und böse? Ja was denn nun? Als Berater versucht man zu beeinflussen. Dabei denkt man längst nicht nur an das Wohl des Königreichs. Vielmehr kocht jeder auch sein eigenes Süppchen und verfolgt persönliche Ziele.
Das Spiel ist so aufgebaut, dass es unterschiedliche Entwicklungsstränge gibt, die durch die Entscheidungen der Spielergruppe die Erzählung vorantreiben. 80 Umschläge mit jeweils vier neuen Karten sind das Herzstück. Eine Problemsituation stellt die Gruppe vor Entscheidungen, die gelöst werden wollen, bis der König abdankt oder gar stirbt. Dann gibt es für individuelle Erfolge Anerkennungen und eine neue Situation beginnt. 15 bis 20 Spiele müssen bewältigt werden, bevor die Gesamtgeschichte zu Ende erzählt ist. Es wird viel vorgelesen, diskutiert und dann für Wohl und Wehe gestimmt. Wer sich am intensivsten eingebracht hat, muss mit seinem Namen für eine Entscheidung einstehen und später hat das Konsequenzen, wann und wie weiß keiner genau.
Das Herzstück des Spiels sind tatsächlich diese politischen Findungsrunden. Man hört auf Argumente, man versucht andere in die eigene, gewünschte Richtung zu manipulieren, Ränke ist im Spiel und schließlich wirft man Macht in die Waagschale. Das ist hoch interaktiv und gleichzeitig ein feingestrickter Erzählstoff. Die Faszination ist groß, ja fast riesig. Man kann sich dem Flow des Spielgeschehens kaum entziehen. Alles ist in einer realistischen Fantasy-Welt angesiedelt. Die Spieler werden in ein „Game of Thrones“-Flair hineingestoßen. Die Abläufe im Kleinen Rat von Kingslanding verdeutlichen augenscheinlich das Geschehen. Wer bereit ist, moralisch gegen den eigenen Strich zu entscheiden, wer Lust auf Ränkespiele hat, wer gut argumentieren kann, der beeinflusst die Dilemmata des Königs in die eigene Richtung. Also nur etwas für Erwachsene! (pen)

„ZEN GARDEN“ MEDITATION AUF JAPANISCH

Verlag: Queen Games
Autor: Mike Georgiou
Grafik: Dennis Lohausen
Zielgruppe: Familien
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 8 Jahren
Art: Legespiel
Neuheit: Nürnberg 2020

Legespiele haben ihren ganz eigenen Reiz. Mit den Motivkärtchen werden stets neue Auslagen gebildet, die optisch gefallen und manchmal einem ästhetischen Anspruch genügen. Da ist es egal, ob sie wie hier in ein 4×4-Raster gelegt werden müssen oder sehr frei eine auch von der Form immer andere Auslage bilden.
Gartenbau hat im kulturellen Japan einen großen Stellenwert. Dabei orientieren sich die Architekten an harmonischen Linien, Formen, Farben. Das ist die Kunst bei der Erschaffung eines Zen-Gartens, denn nur Schönheit lädt zum Verweilen, zur Meditation. So obliegt es dem Geschick eines jeden Spielers, aus einer Fülle von Gartenplättchen sein eigenes Geviert in möglichst großer Schönheit zu gestalten. Die Lege-Plättchen symbolisieren sechs verschiedene Böden mit drei unterschiedlichen Wegen und fünf verschiedenen Dekoren. Eine Vorgabe, die in jedem Spiel variiert, ist für gute Punkte zu beachten. Aus einer allgemeinen Auslage nimmt jeder passende Plättchen und baut diese in den eigenen Garten. Manchmal mus bezahlt werden, manchmal aber auch nicht. Wer schafft es in möglichst vielen Bereichen einen ästhetischen Garten zu gestalten?
Der Spielrhythmus ist ganz einfach. Von der begrenzten Auslage wird ein Plättchen genommen und ausgelegt. Fertig. Dabei orientiert sich jeder an vorgegebenen Zielen, die schon im ersten Level mit sechs Vorgaben recht üppig ausfallen. Da kommt mancher ins Grübeln und Abwägen, zumal mit Blick auf die Möglichkeiten der Mitspieler noch unendlich vieles abzuwägen scheint. Das ist die Einschränkung beim sonst sehr einfachen Spielgeschehen: die mitunter längeren Wartezeiten. Die werden noch bei höheren Leveln gesteigert, wenn es in der letzten Kategorie bis zu 15 Vorgaben zu beachten gilt. Wer weniger auf Punkte spielt und lieber schnell schöne Gärten komponiert, der wird mit üppigem Spielmaterial und stimmungsvollen Grafiken bei seinem Vorhaben unterstützt. (pen)