Spiele – Frisch auf den Tisch, Folge 14
In regelmäßigen Abständen präsentieren wir auf toys-kids.de Brettspiel-Rezensionen von Spieleexperte Peter Neugebauer. Immer frisch. Immer aktuell.
Familienspiele erfüllen eine wunderbare Aufgabe, führen sie doch zwei oder gar drei Genrationen zusammen, wenn Eltern mit ihren Kindern und idealerweise den Großeltern an einem Spieltisch sitzen. Die Spiele sollten für die älteren Generationen allerdings keine Alibifunktion haben sondern vielmehr alle am Brett fordern. Wenn der Zufall ordentlich mitmischt, ist es möglich, dass jeder gewinnen kann und die Jungen die Alten glaubhaft besiegen können. Was will man mehr?
„DIVE“: AB IN DIE TIEFE
Verlag: Sit Down!
Vertrieb: Pegasus
Autor: Romain Caterdjian & Anthony Perone
Illustrationen: Alexandre Bonvalot
Zielgruppe: Südseeinsulaner und Tiefseetaucher und solche, die es werden wollen
Anzahl/Alter: 1-4 Spieler ab 8 Jahren
Art: Beobachtungs- und Schätzspiel
An der Riffkante geht es ab in die Tiefe. Am Meeresgrund wird nach einem Kleinod gesucht. Vorwärts geht es, indem sich jeder Spieler der Hilfe von Schildkröten und Rochen versichert, die ziehen einen weiter hinab. Vorsicht vor Haien. Wer diesen nicht ausweicht, verliert wertvolle Zeit.
Der Spielmotor ist sehr, sehr ungewöhnlich. 36 durchsichtige Ozeankarten liegen in einem Stapel in der Tischmitte. Auf jeder Karte befindet sich Meeresgetier, mal dieses, mal jenes. Es gilt, die obersten fünf dieser Karten genau in Augenschein zu nehmen und festzulegen, ob Freund oder Feind herumschwimmt. Das Ergebnis wird mit Markern individuell und geheim festgelegt. Dann wird ausgewertet. Jede Scheibe wird einzeln abgehoben und überprüft. Wer korrekt beobachtet hat, kann ordentlich Raumgewinn bei diesem Wettlauf, eigentlich ist es ein Wetttauch, verbuchen. Danach geht es weiter mit neuen Meeresscheiben und immer ist die Kulisse überraschend anders.
Das Spiel lebt vom Hineinschauen in die Meerestiefe und dem Erkennen der Tiere auf den einzelnen Schwimmebenen. Das ist auf den ersten eins, zwei Klarsichttafeln durchaus zu bewältigen, darunter wird es schwieriger. Hilfreich bei der Einschätzung sind vor allem Großtiere. Wenn eine Walkuh mit Kalb vorbeischwimmt, dann erkennt der kundige Beobachter schnell, ob ein Hai oder eine Schwimmkröte darüber oder darunter vorbei flaniert. Und da die 36 Meeresscheiben immer anders gedreht, gewendet und gemischt übereinander liegen, verläuft jede Partie anders. Allerdings: Bei Kunstlicht funktioniert das Hineinschauen in den Kartenstapel nur schwerlich oder gar nicht. Und: Gemeinsames Hineinschauen, wie von der Regel gewünscht, hapert an der dann doch zu kleinen Spielauslage. Die Spieler müssen schon nacheinander ihre Beobachtungen praktizieren. Trotz der Einschränkungen kann ich diesen Tauchgang empfehlen, zumal noch eine stimmungsvolle Grafik für Atmosphäre sorgt. (pen)
DIE EHRENWERTE FAMILIE ZOCKT IN „FAMILY INC.“
Verlag: Piatnik
Autor: Reiner Knizia
Design: Markus Erdt
Zielgruppe: Zocker
Anzahl/Alter: 2-7 Spieler ab 8 Jahren
Art: Risikospiel mit „push your luck“-Elementen
Die ehrenwerte Gaunerfamilie kommt zusammen, um die Beute aufzuteilen. Dabei liegt es im Glück und der Risikobereitschaft eines jeden Einzelnen, mit vollen Geldkoffern das Familientreffen zu verlassen. Das kann der Boss wie der Laufbursche sein. Hier wird die Spielgeschichte unglaubwürdig.
Herzstück des Spiels sind 135 Chips, die in einem Pool verdeckt in der Tischmitte liegen. Der Spieler am Zug zieht einzeln Jetons und deckt Zahlenwerte zwischen „1“ und „10“ auf. Nach jedem Zug, darf weitergespielt, d.h. gezockt werden. Wenn allerdings ein Zahlenwert doppelt auftaucht, ist alles bisher Erworbene verloren. Rechtzeitiges Aufhören ist angesagt. Mit jedem Umdrehen eines weiteren Chips steigt das Risiko, sich zu verzocken. Wer aufhört, hat allerdings auch noch nicht seinen Gewinn sicher. Er muss erst eine Runde überstehen. Wenn Mitspieler nach ihm ebenfalls eine seiner aufgedeckten Zahlenwerte sichern, dann dürfen sie die Jetons mit diesen Werten bei den anderen kassieren. Erst zu Beginn des nächsten Zuges, werden die Zahlenchips in Geldwerte umgemünzt. Elegant ist der Mechanismus, dass beim frühen Verzocken ein Bonus ausgeschüttet wird, der ganz plötzlich alle Vorteile der anderen durcheinanderwirbelt.
Der beliebten „can’t stop!“- bzw. „push your luck”-Spielidee wird durch interessante Mechanismen eine neue Dimension hinzugefügt. Das hat seinen Reiz. Keiner ist beim Aufdecken des nächsten Chips sicher, ob er Erfolg hat und keiner darf darauf spekulieren, die nächste Runde mit guten Werten zu überleben. Die Wertechips wandern mit gewisser Wahrscheinlichkeit und vermehren den potentiellen Gewinn des dann neuen Besitzers. Aber dieser muss seinerseits eine komplette Runde überstehen. Bei mehr als vier Spielern wird das zunehmend schwierig, so dass sich der Glücksmoment dadurch noch einmal steigert. Gerade auch deshalb sind bei jedem Fehlgriff Emotionen vernehmbar. Beim Verlierer durch leises Stöhnen, bei den Gewinnern durch deutlich hörbare Jubelrufe. (pen)
„KRAQUA“ AUF DER LAUER NACH FISCHEN MIT HUT
Verlag: moses.
Autor: Michael Kallauch & Jan Meyberg
Illustration: Folko Streese
Zielgruppe: Zeitgenossen mit Faible fürs Korallenriff
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 8 Jahren
Art: Kooperationsspiel mit vielen kleinen Aufgaben
Ein fieser Krake wohnt am Riff. Dort flanieren Fische mit Hut, möglichst geschützt durch Korallenbänke. Tut sich eine Lücke auf, entdeckt Kraqua den Fisch und klaut einen Edelstein aus der Schatztruhe. Mit Hilfe von Muscheln, Delfinen, sogar Haien hält die Fischfamilie den Kraken in Schach. Mit Superkräften von Quallen, Kröten und anderem Getier wird der Bedrohung noch ein weiteres Schnippchen geschlagen.
Auf dem Spielplan gibt es eine Laufstrecke. Durch Umdrehen von Spielplanseiten wird die Strecke mal verlängert, mal verkürzt, aber stets verändert. Dazu müssen von den Fischen magische Tore durchschwommen werden und zwar in einer bestimmten Folge. Dabei können z.B. die Hüte eine Rolle spielen. Das gilt es in gemeinsamer Absprache zu arrangieren. Wichtiger bei der Vorwärtsbewegung ist aber die Deckung. Pro Zug darf ein Spieler sein Riffplättchen anlegen, um den Figuren Schutz zu gewähren. Allerdings gibt es etliche Lücken in der Mauer. Das Anlegen will gut überlegt sein, es gibt immer zwei Legemöglichkeiten. Außerdem hilft der Blick auf die Legeoption des nächsten Spielers und auf die Sonderfelder, die Hilfe versprechen. Und dann müssen die Riffplättchen noch rechtzeitig vom Plan geräumt werden, denn durch das Umklappen können sie verloren gehen. Schließlich muss die gefüllte Schatztruhe im Auge behalten bleiben, denn Krake Kraqua klaut bisweilen häufiger, als es lieb ist.
Es sind die vielen kleinen Stellschrauben, die das Geschehen vorantreiben und im Blick bleiben müssen. Wenn ein sehr dominanter Spieler am Tisch sitzt, kann er den anderen den Spielspaß verleiden, weil diese weniger ihre Überlegungen einbringen können. Das Gefühl ist schon ausgeprägt. Das liegt auch daran, weil viele Regeln im Blick bleiben müssen und das nicht immer, zumindest von Anfang an, bei allen Mitspielern der Fall ist. Mit verschiedenen Erschwernissen lässt sich der Schwierigkeitsgrad steigern. Auf der Profi-Stufe müssen schon die erfahrenen Kraquaner ans Werk. Optisch ist das Spiel ein Genuss. Wer sich an „Findet Nemo“ und die Szenen am Korallenriff erinnert, fühlt sich sofort in diese farbenprächtige Unterwasserwelt eingetaucht. Da stören dann auch Fische mit Hut nicht wirklich. (pen)
„ROLLING DICE“: WENN DIE WÜRFEL PURZELN
Verlag: Abacusspiele
Autor: Das PAKK Team
Grafik: Kreativbunker
Zielgruppe: Jedermann
Anzahl/Alter: 2-6 Spieler ab 8 Jahren
Art: Geschicklichkeitsspiel mit etwas Taktik
Die Spieler würfeln ihre Würfel auf eine Eisscholle und entscheiden sich für einen, mit dem sie punkten wollen. Natürlich gibt es das tiefe Wasser und Eislöcher, in die kein Würfel kullern sollte. Verfängt sich ein Kubus in einem Fischernetz, ist das gut, denn das zählt Pluspunkte.
Beim Wurf mit vier gleichfarbigen Würfeln kommt eine gehörige Portion Geschicklichkeit ins Geschehen. Von der schmalen aber auch recht langen Eisscholle sollte kein Würfel herunterpurzeln, denn diese sind aus dem Rennen. Wer weit nach vorne an der Wasserkante seinen Würfel platziert, sammelt die Werte aller hinter ihm liegenden Würfel der Mitspieler ein. Das ist ordentlich. Aber Würfelwert und Position sind die Voraussetzungen für die nächste Runde, denn dann muss höher oder weiter geworfen werden. Beim „Weiter“-Würfeln besteht die Gefahr, dass der Kubus ins Wasser rutscht. Beim „Höher“-Würfeln in hinterer Position, vergibt der Spieler seinen Würfelwert wahrscheinlich an die Konkurrenz. Das gilt es stets zu berücksichtigen. Wer weder „weiter“ noch „höher“ schafft, pausiert in dieser Runde und bekommt keine Punkte. Neben diesen grundsätzlichen Überlegungen gilt es noch, Plusfelder zu erreichen, Minusfelder zu vermeiden und eventuell Mitspieler-Würfel anzutitschen und ins kalte Nass zu schubsen.
Das alles ist eine gut funktionierende Würfelei. Die Regeln sind sehr einfach. Der Ablauf hat erstaunliche Raffinesse und zeigt bisweilen eskapistisches Herumtrudeln der geworfenen Kuben. Geschicklichkeit ist ein wesentlicher Bestandteil. Es gibt wechselnde Führungspositionen. Die Hardware mit der aufgeklebten, erhabenen Scholle lässt keine Zweifel, ob ein Würfel heruntergepurzelt ist. Alles ist bestens komponiert. Nur, so ganz erschließt sich mir die thematische Einkleidung nicht. Es hätte überhaupt nicht geschadet, das Spiel rein abstrakt zu belassen. (pen)