Spiele – Frisch auf den Tisch, Folge #22
Anspruchsvolle Familienspiele bleiben Familienspiele. Immer ist Zufall im Geschehen, der auch Mal die Jüngeren begünstigt. Der Anspruch kommt durch Vielfalt ins Geschehen. Manche Regelkniffe müssen erst entdeckt werden. Der Pfiffige erspielt sich Vorteile.
„KOKOPELLI“: Schamanen unter sich
Verlag: Queen Games
Autor: Stefan Feld
Grafik: Markus Erdt
Zielgruppe: Interessierte an kulturellen Ritualen
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 10 Jahren
Art: Sammel- und Kombinierspiel
Schamanen oder Dorfälteste zelebrieren unterschiedliche Rituale. Sie eröffnen sie mit dem Wissen, dass jede Zeremonie ihren ganz eigenen Vorteil bedeutet. Außerdem werden bei den Nachbarn Ablageplätze blockiert. Gleichzeitig dürfen dort begonnene Rituale fortgeführt werden. Es ist viel Taktik, aber auch Strategie im Pow-Wow der Schamanen. Und natürlich darf der Gewinner auch etwas Glück für sich reklamieren.
Jeder hat eine Dorfauslage mit vier Ablageflächen. In der Tischmitte liegen zehn Zeremonie-Token, die aus einem Pool aus 16 gewählt oder per Zufall bestimmt werden. Zu den Zeremonien gibt es Spielkarten. Jeder Schamane hat sein eigenes Deck mit drei Karten der gewählten Zeremonien, dazu dann sechs titelgebende Kokopelli-Joker. Der Zug ist recht einfach. Entweder wird eine Handkarte gezogen oder eine neue Zeremonie durch Kartenauslage bei sich begonnen oder verlängert oder auch bei einem Nachbarn fortgeführt. Wer die vierte Karte anlegt, das kann auch ein Nachbar sein, erhält dafür ordentlich Punkte. Das sollte so getrickst werden, dass einem die Nachbarn keine lukrativen Gewinne wegschnappen. Herzstück des Spiels sind die vielen Bedingungen und Sonderheiten einer jeden Zeremonie. Da gibt es Sonderpunkte oder andere Regelungen für den Kokopelli, uvm.
Es ist schon so, dass das Ziehen der Handkarten mal den einen, mal einen anderen bevorteilt, auf Spielsicht gleicht sich das aus. Man muss im richtigen Augenblick günstige Entscheidungen treffen. Bedeutender ist das Taktieren mit den Boni der einzelnen Zeremonien. Hier bedarf es etwas Lesearbeit, die aber nach eins, zwei Partien hinfällig wird. Mit dem Wissen, was da noch an Karten kommt, können auch strategische Entscheidungen getroffen werden. Letztendlich bildet das Spiel eine gute Mischung dieser verschiedenen Spielelemente. Ein Pluspunkt ist die immer andere Zusammensetzungen der Rituale pro Partie, was durch eine Ergänzungs-Packung mit neun weiteren Ritualen verstärkt wird. Negativ ist der Schachteleinsatz zu erwähnen, der überhaupt keine geordnete Verstauung des Spielmaterials erlaubt. Hier wurde am falschen Ende gespart.
(pen)
„FREIE FAHRT“ FÜR (P)FIFFIGE (LOK)FÜHRER
Verlag: 2F
Autor: Friedemann Friese
Grafik: Harald Lieske
Zielgruppe: reisefreudige Familien
Anzahl/Alter: 1-5 Spieler ab 10 Jahren
Art: logistisches Eisenbahnspiel
Ganz Europa liegt ausgebreitet auf dem Tisch. Von Glasgow bis Istanbul, von Moskau bis Sevilla sind etliche Metropolen auf einem verzweigten Schienenstrang vernetzt. Nur, Schiene und Schwelle müssen erst gebaut und dann befahren werden. Wasser zu überqueren oder Gebirge zu untertunneln ist teurer, und das fordert Europas Geographie reichlich. Die Wunschstrecken zu umfahren, ist immer noch aufwändiger. Das Schienennetz wächst, die Strecken werden bereist und das mit dem Ziel, möglichst viele verschiedene Städte besucht zu haben.
Schienenbau ist das A und O in diesem Spiel, zumindest zu Beginn, wenn Europa noch eine Eisenbahn-Brache ist. Es werden einfach zwei Schienenstücke auf die eingezeichneten Verbindungen gelegt und mit einem Marker in Besitz genommen. Der Schienenvorrat geht bald zur Neige, weshalb rechtzeitig für Nachschub gesorgt werden muss, um keine Zeitverzögerung zu erfahren. Als Alternative können auch die Lokomotiven in Bewegung gesetzt werden. Die fahren natürlich nur über ausgebaute Schienenstränge, eigene wie fremde. Wird eine gegnerische Strecke benutzt, muss dafür bezahlt werden. Dann wird dieser Streckenabschnitt verstaatlicht und steht allen anderen kostenfrei zur Verfügung. Wenn möglich, wird diese Option vermieden, weil das die anderen bevorteilt. Früher oder später kommt man allerdings nicht umhin. Die Streckenauswahl unterliegt feiner Logistik. Anschluss-Fahrten geschickt zu ergattern, bedarf Aufmerksamkeit und rechtzeitiges Losfahren, bevor gute Aufträge wieder aus dem Angebot verschwinden.
Eisenbahnspiele mit ähnlichen Zielen gibt es viele. Das Besondere hier ist die Idee der Verstaatlichung zuvor privatisierter Strecken. Ein sich immer weiter ausbreitendes Netz kann zunehmend kostenfrei befahren werden. Wer hier geschickt gebaut hat, wird Nutznießer sein. Ebenfalls neuartig ist die Auswahl der zu befahrenden Teilabschnitte. Es stehen immer mehrere Alternativen mit einem interessanten Nimm-Mechanismus zur Auswahl. Die Auslage unterliegt aber einer großen Fluktuation, so dass der Schnelligkeitsfaktor eine Rolle spielt. Jeder Zug verlangt Abwägung. Das macht ein gutes Spiel aus. Leider hat der Verlag sich entschieden, die Städtenamen in ihrer Landessprache zu belassen. Das gibt dem Spiel zwar einen internationalen Touch, stört aber beim Finden und Identifizieren mancher Orte gewaltig. Dadurch stockt der Spielfluss, zumal mancher die Karte auf dem Kopf betrachten muss.
(pen)
„MILLE FIORI“: GLASBLÄSER IN DER LAGUNENSTADT
Verlag: Schmidt
Autor: Reiner Knizia
Illustration: Stephan Lorenz
Zielgruppe: Fans von Venedig und Murano
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 10 Jahren
Art: taktisches Setzspiel, eigentlich eher abstrakt als thematisch
Glasbläserei ist eine Kunst. Werkstätten mit den passenden Rohstoffen, Personen, die ihr Handwerk verstehen und Handel mit den Häfen außerhalb eigener Gefilde gehören allesamt gleichermaßen dazu. Wer einen Bereich bedient, erobert Punkte, um so mehr, wenn es gelingt, geschickt zu kombinieren, also nicht wahllos Anspruch zu erheben.
Zunächst wird mit einem Draft-Mechanismus ausgewählt, in welchen Bereich jeder einzelne eine Markierung einsetzen möchte. Aus anfangs fünf, dann weniger werdenden Karten, sucht sich jeder seinen Favoriten aus und reicht den Rest weiter. Das wiederholt sich permanent, aber die Auswahl wird sukzessive kleiner. Die Karten bestimmen den Bereich, in den jeder Spieler einspielt. Gesetzt wird mit transparenten Rauten in der eigenen Farbe, die an kleine Glasscheiben erinnern. Das ist auch deshalb wichtig, weil häufig erkannt werden muss, welches Symbol abgedeckt wurde. Das gelingt nur mit Markierungen, durch die hindurchgeschaut werden kann. So arrangiert jeder seine persönliche Auslage auf den Bereichen des Spielplans und hofft auf Bonuszüge in bestimmten Konstellationen. Die können sich zu Kettenzügen ausweiten, ein starker Trumpf im Spielgeschehen, vor allem zum Ende hin.
Die Spielposition ist wichtig. Der Startspieler hat Vorteile, die er nutzen sollte. Folgespielern kann man die Planung „vermasseln“. Deshalb wechselt die Gunst des Anfangs nach jeder Runde. Der Spielverlauf ist äußerst spannend. Durch z.T. große Punktsprünge wechseln die Positionen auf der Zählleiste. Das Spiel sieht zudem gut aus. Der Plan ist in Pastelltönen illustriert und die „Glasscherben“ als Setzsteine ergänzen die Anmutung elegant. Leider wird das Thema nicht einmal im Ansatz verspielt. Es ist ein Spiel, in dem Steine gesetzt und gewertet werden, egal, was untermalt ist. Unglücklicherweise liegt der Erstauflage eine fehlerhafte Spielregel bei. Während der Vorbereitungen gibt es einen Fehler, den man schnell merkt. Eine Korrektur der Regel steht im Netz. Dieser Umstand ist unglücklich, hält mich aber nicht davon ab, hier eine Empfehlung auszusprechen.
(pen)
„GLOW“: Lichtsplitter gegen Dunkelheit
Verlag: Bombyx
Vertrieb: Strohmann Games
Autor: Cedrick Chaboussit
Illustration: Ben Basso & Vincent Dutrait
Zielgruppe: Freunde anderer, mythischer Themen
Anzahl/Alter: 2-4 Spieler ab 10 Jahren
Art: Würfeln, Sammeln, Laufen
Die Welt ist dunkel. Sie wird zunehmend schwärzer. Lichtsplitter bringen die Rettung. Anführer suchen Gefährten, die als Gemeinschaft aufbrechen und mit der Beschwörung von Elementen gute Vorteile erringen. Dabei kommt es auf Glühwürmchen genauso an wie auf Fußspuren. Die einen leuchten im Dunkeln, die anderen beschleunigen den Fortschritt ins Reich der Schatten. Aber Lichtsplitter sind das hehre Ziel. Da wird dann auch schon mal ein Gefolgsmann geopfert und auf den Friedhof verbannt, wenn es dafür satte zehn dieser leuchtenden Funken gibt.
Jeder Spieler erhält eine Anführerkarte und damit auch Würfel in einer bestimmten Farbe. Diese sind das Grundgerüst. Pro Runde wird ein Gefährte angeworben. Es stehen immer mehrere zur Auswahl. Neben dem Können einer jeder dieser Figuren-Karten gibt es Würfel zusätzlich zu gewinnen. Da fällt bisweilen die Auswahl schwer, weil viele Angebote verlocken. Allerdings müssen die Ergebnisse der Würfelwürfe mit den Möglichkeiten der einzelnen Charaktere im Team gut abgestimmt sein. Nach einem Wurf mit allen Kuben und gelegentlichem Nachwürfeln hat das Ergebnis nun eine doppelte Funktion. Zunächst erfüllen die Würfelsymbole bestimmte Kartenvoraussetzungen, die Vorteile, am besten Lichtsplitter, generieren. Dann darf mit dem Würfelwurf auch noch vorangeschritten werden. Weit entfernte Dörfer im Reich der Schatten versprechen am Ende noch einmal die Ausschüttung von Lichtern wie aus einem Füllhorn.
Es gibt viele Interdependenzen zwischen Würfeln und Karten. Die müssen in jeder Runde aufs Neue ausgelotet werden. Reizvoll und fordernd dabei ist, dass sich die Möglichkeiten mit jedem neuen Charakter vergrößern. Und diese sind wahrlich nicht eindimensional. Es kommen etliche schräge Vögel, im wahrsten Sinne des Wortes, ins Geschehen. Z.B. schützt die Rabenelster Kaar vor dem Fluch des schwarzen Würfels. Das ist eine Einmaligkeit, die sich keiner entgehen lassen sollte. Es sind etliche, stimmige Abstrusitäten, die dieses würfeldominierte Spielgeschehen bestimmen. Das alles ist verpackt in eine sinistere, mythologisch angehauchte Geschichte. Grafisch ist fast alles in Schwarz-Weiß gehalten. Lohende Flamme kommt durch die beinahe illuminierenden Würfel in die Geschichte. Das passt.
(pen)