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spiel gut: Ein Siegel auf dem Prüfstand

25. Januar 2023, 11:52

Wo steht „spiel gut“? Wie ist das Image des Siegels? Erreicht es die Zielgruppe? Diese Fragen stellte sich das spiel gut-Expertenteam im Rahmen einer „Zukunftswerkstatt“. Bei diesem Zusammentreffen wurden auch die Strukturen ihrer Arbeit grundsätzlich überdacht.


Autorin:
Ingetraud Palm-Walter


Sowohl den Arbeitsalltag in der spiel gut-Geschäftsstelle als auch den Begutachtungsablauf für die Vergabe des Siegels hat Corona ordentlich durcheinandergewirbelt. Wie bei vielen anderen Organisationen hat die Digitalisierung einen Schub bekommen. Neue Strukturen, die der Expertenrat im Rahmen der Zukunftswerkstatt prüfen wollte. Außerdem sollte diskutiert werden, wie sich das Arbeitsumfeld verändert hat und wo die Arbeitsweise angepasst werden muss. Denn die Kommunikation mit Spielzeugherstellern und Händlern hat sich ebenso verändert wie das Informationsverhalten der spiel gut-Zielgruppe, also der Verbraucher*innen von Spielzeug und Spielen.
In einem Impulsvortrag beleuchtete Spielzeugforscher Dr. Volker Mehringer, der seit 2014 aktives spiel gut-Mitglied ist, folgende Themen:

  • Aktuelle Entwicklungen im Spielwarenhandel, wie beispielsweise neue Marketingstrukturen und Kanäle, Wandel vom stationären zum Onlinehandel und neue Diskurse (Diversität und Spielzeug, Nachhaltigkeit und mehr).
  • Aktuelle Veränderungen bei Kindern, Eltern und Familien wie zum Beispiel die Abnahme von Spielzeiten bei gleichzeitiger Zunahme von Spielwarenkäufen oder der Rückgang des Freispiels.
  • Aktuelle Herausforderungen für spiel gut wie zum Beispiel der Bedarf an neuen Mitgliedern, die abnehmenden Zeitressourcen der ehrenamtlichen Mitglieder, die transparente und offene Kommunikation von Kriterien, das Sich-Bewähren als nationales Gütesiegel auf einem internationalen Markt. Bezugnehmend auf diese Aspekte wurden einzelne Bereiche diskutiert.

Die Idee

spiel gut ist 1954 aus einer Ausstellung im Ulmer Museum in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Gestaltung und der Volkshochschule Ulm entstanden. Statt des sonst üblichen Ausstellungskataloges gab es damals schon einen Ratgeber zu „gutem Spielzeug“. Im Workshop zeigte sich schnell, dass die heutigen Mitglieder immer noch hinter der ursprünglichen Idee stehen, unabhängig von Spielwarenindustrie und Handel Spielzeug mit Kindern zu erproben und von einem interdisziplinär zusammengesetzten Gremium beurteilen zu lassen. Bis heute gibt es im deutschsprachigen Raum keine vergleichbare Gruppierung, die Spielzeug systematisch aus so vielen Blickwinkeln betrachtet und bewertet. spiel gut hebe sich auch deutlich von neueren Formen der Spielzeugtestung ab, beispielsweise durch Blogger*innen und Influencer*innen, deren Testung meist auf Einzelmeinungen beruhen. Im Gegenzug gelinge es allerdings nicht, vergleichbare mediale Aufmerksamkeit zu generieren. Hier bestehe für spiel gut großer Handlungsbedarf. Eines der zentralen Ergebnisse des Zukunftsworkshops ist deshalb der Beschluss, insbesondere in den sozialen Medien stärker öffentlichkeitswirksam aufzutreten.

Spielzeugforscher Dr. Volker Mehringer griff in seinem Impulsvortrag für spiel gut relevante Themen auf.

Der Test

Der praktizierte Testmodus ist im Ansatz immer noch sachgerecht und praktikabel. Die breit aufgestellten Testfamilien und Institutionen werden geschult und eng betreut. Die Kommunikation mit den Testfamilien ist zeitintensiv, aber grundlegend für eine qualitativ hochwertige Testpraxis. Der umfangreiche Kriterienkatalog, der immer wieder nach wissenschaftlichen Erkenntnissen evaluiert wird, umfasst Spielwert, Spielmöglichkeiten, Gestaltung, Form und Farbe, Konstruktion und Mechanik, Haltbarkeit und Lebensdauer, Altersangabe, Qualität der Anleitung, Sicherheit im Gebrauch, Verpackung und Umweltverträglichkeit. Der Begriff Umweltverträglichkeit soll in Zukunft zum Bereich Nachhaltigkeit weiterentwickelt und neu definiert werden, um aktuelle Entwicklungen und Diskurse besser abbilden und in der Testung berücksichtigen zu können.
Wird ein Produkt nicht ausgezeichnet, werden die Gründe dafür den Herstellern ausführlich schriftlich mitgeteilt. Teilweise sind diese aber schwer vermittelbar, besonders im Bereich Design. Hier soll in Zukunft nachgebessert und ein noch engerer Dialog mit den Herstellern gesucht werden. Erfreulich sind Situationen, in denen Verbesserungsvorschläge von den Herstellern umgesetzt und Spielzeuge neu eingereicht wurden, um die Auszeichnung doch noch zu erhalten. Die Praxis der ausführlichen Ablehnungsbriefe soll daher, trotz des Zeitaufwandes, beibehalten werden. Zumal die Bereitschaft der Hersteller, eine Änderung vorzunehmen, auch Wertschätzung für und Vertrauen in das spiel gut-Siegel zeige.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die zeitliche Dauer der spiel gut-Begutachtung. Der Eingang der Begutachtungsobjekte und die Testung in den Testfamilien ist zeitlich schwer steuerbar und erhöht in vielen Fällen die Dauer, bis Hersteller ein Ergebnis erhalten. Hier soll in einer neu gegründeten Arbeitsgruppe nach Alternativen, die das Prozedere beschleunigen, gesucht werden. Beim Ablauf der Begutachtungssitzungen habe sich bewährt, zunächst das Spielzeug und die Erfahrungen aus den Testfamilien vorzustellen und anschließend ausführlich im Expertengremium darüber zu diskutieren. Wertvoll sei hierbei nach wie vor besonders der Austausch der Fachmeinungen. Die dabei entwickelte Expertise hinsichtlich der Beurteilungskriterien von Spielzeug soll auch weiterhin an Eltern und Fachkräfte weitergegeben werden. Allerdings soll dies anstelle der bisher gedruckten Ratgeber in Zukunft durch regelmäßige Beiträge in den sozialen Medien erfolgen. Erste Schritte in diese Richtung werden unter anderem aktuell auf der Instagram-Seite von spiel gut unternommen. Darüber hinaus will man auch verstärkt durch Fortbildungen und Vorträge an Interessierte herantreten.

Das Image

spiel gut lebt von seiner jahrzehntelangen Erfahrung und Entwicklung der Kriterien. Die Alleinstellungsmerkmale Unabhängigkeit von Spielwarenindustrie und Handel, interdisziplinäre Zusammensetzung des Gremiums und vielfältige Kriterien sind vielen Außenstehenden jedoch oft nicht bewusst. Diese Merkmale sollen das Image von spiel gut in Zukunft aber noch stärker prägen und zeitgemäß nach außen vertreten werden. Gleichzeitig soll die Reichweite von spiel gut durch verstärkte Ratgebertätigkeiten ausgebaut werden. In den Sitzungen werden regelmäßig viele interessante Erkenntnisse gewonnen, die zusätzlich in den sozialen Medien für Verbraucher*innen aufgearbeitet werden können und sollen. Oft falle es schwer, spiel gut- ausgezeichnetes Spielzeug im Trommelwirbel von Werbung und Marketing angemessen zu platzieren. Hierin bestehe eine der zentralen Herausforderungen für spiel gut, und der Workshop hat deutlich gezeigt, dass man sich dieser Herausforderung stellen will. Getragen wird diese Bereitschaft von der tiefen Überzeugung, dass Eltern, Fachkräfte und insbesondere Kinder in ihrem Spielen auch in Zukunft von einer fundierten und differenzierten Spielzeugtestung und Verbraucherberatung profitieren können.

Fazit

Die Grundstruktur der spiel gut-Begutachtungsarbeit ist weiterhin belastbar, muss aber in Teilbereichen überarbeitet und weiterentwickelt werden, um spiel gut in die Zukunft zu tragen.