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Social Media – Zwischen Kennzahlen und kreativer Freiheit

8. Juni 2021, 8:52

Eltern von heute sind mit Social Media aufgewachsen. Klassische Werbung lehnen sie ab. Aber sie lassen sich von Produkten überzeugen, die ihnen Influencer ans Herz legen. Die Bedeutung des Influencer Marketings hat seit Corona stark zugenommen, sagt Social Media-Experte Patrick Hergert. Er erklärt, worauf es bei der Auswahl und dem Einsatz von Influencern für Unternehmen der Kinderausstattungs-Branche ankommt.

Ein Schnappschuss auf Instagram: Eine junge, todschick gekleidete Mutter schiebt lächelnd einen trendigen Kinderwagen durch die City. Der Brandname ist deutlich zu sehen. Das Modell überzeugt, wird tausendfach gelikt, kommentiert und empfohlen. Das ist der Idealfall. Und meist stehen hinter so einem Posting eine sorgfältige Auswahl der Akteure, intensive Abstimmungen und detaillierte Verträge des Unternehmens mit dem Influencer. „Nicht jede Kooperation führt zu einer Erfolgsgeschichte“, warnt Patrick Hergert im Rahmen eines virtuellen BDKH-Workshops. Der Social Media-Experte berät mittelständische Unternehmen und Shopping Center bei der Konzeption ihrer Werbekampagnen und kennt die Risiken und Chancen.

Erst das Ziel, dann das Zugpferd

So sollte neben der Definition der Zielgruppe zunächst das Ziel einer Influencer Kampagne bestimmt werden: „Wollen wir Produkte verkaufen, Kunden binden, ein Gewinnspiel bewerben oder die Reichweite erhöhen?“ Danach folgt die Auswahl einer passenden Markenbotschafterin. Wichtige Kriterien sind hier Authentizität, thematischer Schwerpunkt, Qualität und Frequenz der Postings sowie die Nähe zur Zielgruppe.

Die Empfehlungen der Influencerin werden auf YouTube, Instagram, Twitter, Snapchat, Facebook, TikTok oder Blogs von vielen Fans oder Followern verfolgt. Er oder sie sollte mit Auftreten und Content 100-prozentig für das Produkt oder das Sortiment eines Unternehmens stehen. Das bedeutet auch, dass potenzielle Kandidaten, die für das Konkurrenzunternehmen arbeiten, nicht in Frage kommen.
Zu den Portalen, auf denen meist kostenlos nach Influencern gesucht und deren bisherige Arbeit anhand von Kennzahlen bewertet werden kann, zählen Influma, Buzzsumo, Traackr und Social Blade. Die Eingabe von Stichworten wie „Baby“ oder „Mutter“ führt zu Influencern, die für junge Familien relevant sind. Professionell agierende Markenbotschafter reagieren auf Anfragen schnell und können mit einem eigenen Mediakit punkten. Eine Besonderheit stellt die Plattform ReachHero dar. Ähnlich einem Marktplatz präsentieren Unternehmen dort ihre geplanten Kampagnen und nehmen Bewerbungen von Influencern entgegen, die sich dafür interessieren. Auch das Portal alphin (früher Freachly) ist eine Besonderheit. Lokale Händler oder Restaurants werben mit Gutscheinen oder Rabatten Influencer an, die im Gegenzug mit reichweitenstarken Postings auf das Unternehmen aufmerksam machen. Bei der Suche nach Fake Followern im Umfeld von Influencern lohnt sich ein Blick auf HypeAuditor. Mit der Plattform lässt sich zudem herausfinden, was in einem Land, einer Region, einer Nische oder einer Zielgruppe gerade angesagt ist.

Patrick Hergert ist Gründer der Social Media-Agentur bestforfans und begeisterter Facebook-Nutzer der ersten Stunde. Er berät mittelständische Unternehmen bei der Betreuung ihrer Social Media-Kanäle und bei der Konzeption von Werbekampagnen. Darüber hinaus ist Hergert seit mehreren Jahren als Speaker und Coach für namhafte Unternehmen und Hochschulen aktiv. patrickhergert.de

Vor der Kooperation mit einem Influencer sollten eine Planung der Kampagne und ein detailliertes Briefing vorliegen

Nano schlägt Mega

Influencer, die gegen Geld- oder Sachleistungen, Produkte und Marken empfehlen, kann man anhand der Zahl ihrer Follower definieren: Von Mega Influencern mit mehr als einer Million Fans, über Macro (ab 100.000 Fans), Micro (ab 10.000 Fans) bis hin zu Nano Influencern (weniger als 10.000 Fans). Eine große Followerzahl ist sicher die teuerste, aber nicht immer die beste Lösung. Denn je weniger Follower, umso höher ist die Interaktionsrate, die sich zum Beispiel im Verhältnis von Klicks zu Seitenansichten ausdrückt. Patrick Hergert empfiehlt mittelständischen Unternehmen daher, eher auf Nano Influencer zu setzen. „Sie haben zwar geringere Reichweiten, allerdings hohe Autorität und eine enge Bindung zur Community. Meist agieren sie auch regional oder fokussieren sich auf eine Nische.“
Zu den erfolgreichen Content-Formaten von Influencern zählen etwa Unboxing-Videos. Dabei wird das (online bestellte) Produkt buchstäblich ausgepackt, erklärt, begutachtet und bewertet. Der User kennt das Gefühl der Neugierde, Überraschung und Freude vom Geschenkeauspacken. Bei sogenannten Challenges profitieren die Zuschauer von einer Wettbewerbssituation mit Spaßfaktor. Auch hier stehen Produkte im Vordergrund, ebenso wie bei Produkttests, die bei Influencern authentisch und nicht werblich wirken. Beim Account-Takeover übernimmt der Influencer beispielsweise bei einem Event zeitweise einen Social Media-Kanal eines Unternehmens und nimmt die Follower mit seinen Storys mit.
Wie die Kooperation mit einem oder mehreren Influencern ablaufen soll, bestimmt das Unternehmen. Genaue Absprachen, etwa zu Freigaben oder zur Kennzeichnungspflicht kommerzieller Postings, sind notwendig, und werden am besten schriftlich in einem Vertrag festgehalten. Die kreative Freiheit der Influencer bleibt davon am besten unberührt. Sonst laufen sie Gefahr, bei ihren Usern unglaubwürdig zu werden.
Auch die Leistungskennzahlen oder Key Performance Indicators (KPI), die bei der Erfolgsmessung relevant sein sollen, werden idealerweise vorab mit den Kooperationspartnern besprochen. Schließlich sind sie die Bezugspunkte, mit deren Hilfe die Performance des Influencers bewertet wird.
Last but not least haben sich für die Organisation in der Praxis bestimmte Tools als sinnvoll erwiesen. So hilft ein Redaktionsplan vor allem beim Einsatz mehrerer Influencer, den Überblick zu behalten. Die Nutzung einer Online-Kommunikationsplattform hält alle Beteiligten immer up-to-date und eine Recherchedatenbank spart viele Nachfragen.

Lioba Hebauer