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Social Media – Ich poste, also bin ich

12. Oktober 2019, 14:35

Social Media Influencer wie DagiBee, Bibi, Rezo und Gronkh beamen ihre Bilder und Videos täglich bis mehrmals wöchentlich direkt in ihre Zielgruppen. Da sie selbst Teil ihrer Zielgruppe sind, wirken ihre Botschaften authentisch und werden millionenfach angeklickt, geliket und diskutiert. Diese Zielgruppennähe ist der Grund, weshalb vor allem in den USA viele renommierte Hersteller auf Influencer-Marketing setzen. Auch für deutsche Unternehmen bietet das Konzept große Chancen. Was es dabei zu beachten gilt, vor allem, wenn die Akteure noch minderjährig sind, fassen PR-Expertin Tomma Rabach und Anwalt Dr. Martin Gerecke für TOYS zusammen.

Spätestens seit dem YouTube-Video von Rezo kurz vor der Europawahl im Mai und dem darauf folgenden öffentlichen Aufruhr ist klar, wie groß der Einfluss von Social Media auf die junge Generation ist. Eine aktuelle Studie des Rats für kulturelle Bildung bestätigt dies: Laut der Untersuchung sind WhatsApp, YouTube, Instagram, Facebook, Snapchat und Twitter die beliebtesten Social Media-Plattformen, die meisten der Befragten nutzen diese mehrmals täglich. Doch diese zweite Generation der Digital Natives sind nicht mehr nur Rezipient, immer mehr Kinder und Jugendliche werden selbst zu digitalen Markenbotschaftern. Und das oft schon ab dem Vorschulalter. Einige wenige können damit sogar das gesamte Familieneinkommen finanzieren. Eine große Chance für die Produkt- und Markenkommunikation, die jedoch moralische Verantwortung und rechtliche Besonderheiten mit sich bringt.
Insbesondere für Kinder- und Familienmarken kann der Kommunikationsweg über Influencer vielversprechend sein. Die Zu-sammenarbeit hat nämlich einen großen Vorteil: Als Teil der Zielgruppe kommunizieren diese Youngfluencer oder Kidfluencer auf Augenhöhe mit ihren Fans und Followern und verfügen damit über eine enorm hohe Glaubwürdigkeit. Eine Empfehlung von Kindern an Kinder ist wie die Empfehlung eines guten Freundes und damit Gold wert.

Berufswunsch Influencer

Die Kinder von heute, also die Generation Z, wachsen bei Digital Natives und damit wie selbstverständlich mit Social Media und dessen Stars auf. So ist es nicht verwunderlich, dass der Wunsch selbst ein professioneller Influencer zu werden seit 2018 bei den 14- bis 29-Jährigen hoch im Kurs liegt. Genauer gesagt, wäre jeder Dritte (35 Prozent) gerne selbst als Influencer erfolgreich. Doch nicht nur Jugendliche träumen von einem Leben als Internetstar. Bereits die Jüngsten lächeln frech in die Kamera, präsentieren nach dem Kindergarten mit großen Kulleraugen ihr Kinderzimmer oder testen Spielzeuge und Freizeitparks auf Herz und Nieren. Die Folge: Die Zahl der Kidfluencer in Deutschland nimmt zu. Eine große Chance für Unternehmen. Denn Kid- und Youngfluencer sprechen die Sprache ihrer Generation. Das heißt, sie leben genau das, was sie schreiben und sagen. Und das macht sie zu perfekten Markenpartnern.

Erfolgreiche Kidfluencer

In Deutschland gibt es einige Kinder und Familien, die seit Jahren erfolgreich online sind. Familie Hauser zum Beispiel mit fast 650.000 YouTube-Abonnenten. Seit 2015 erzählen sie mit Playmobil-Figuren in kurzen Filmen ihre Familiengeschichten. Vom Spielplatzbesuch über den Urlaub auf dem Kreuzfahrtschiff bis hin zu Opas Herzinfarkt können Kinder den Alltag einer vierköpfigen Familie mitverfolgen. Die Geschichten denken sich die Eltern mit den zwei Töchtern gemeinsam aus und sprechen alle Rollen selbst. Ihr erfolgreichstes Video erzielte zwölf Millionen Aufrufe (Stand Juni 2019). Der Kanal ist mittlerweile so populär, dass Playmobil aufgrund der großen Nachfrage „Familie Hauser“ als eigene Figurenserie anbietet.
Die mittlerweile neunjährige Miley steht bereits seit 2011 vor der Kamera, damals noch als Baby. Inzwischen verfügt ihre Familie über insgesamt vier YouTube-Kanäle und verdient sich ihren Lebensunterhalt allein mit den Einblicken in den Lebensalltag. Wie auch Familie Hauser ist Miley der Sprung von YouTube in die Produktwelt gelungen. In der 120. Hörspielfolge (2016) von Bibi Blocksberg „Der Affe ist los“, ist der Internetstar mit einem eigenen Lied zu hören. Das dazugehörige Video verzeichnet über 1,9 Millionen Aufrufe.
Auch die Sony Music Entertainment Germany GmbH setzt auf Youngfluencer. Für eine Folge ihrer Hörspielreihe „Kati & Azuro” holte sie YouTube-Star Mia („Mias Pferdewelt“) an Bord. Die 14-Jährige gehört mit ihrem Kanal zu den erfolgreichsten Pferdebloggern Deutschlands und bot aufgrund ihres Alters, des Themenfits und ihrer absolut gelebten, und damit glaubwürdigen, Begeisterung für Pferde einen optimalen Markenfit und nahezu keine Streuverluste. Der Erfolg war spürbar: eine Verdreifachung der Streaming Zahlen von 2017 auf 2018, Steigerung der Verkaufszahlen und mehr als 117.000 Aufrufe von Mias YouTube-Film.

Vorsicht Kinderarbeit!

Trotz des großen Potenzials, das der Einsatz von Kidfluencern im Marketing bietet, sollte die rechtliche Dimension nicht vernachlässigt werden. Wenn Kinder weisungsabhängig für Dritte tätig werden, ist das grundsätzlich Kinderarbeit – und die ist in Deutschland verboten.
Werden Minderjährige im Auftrag eines Werbekunden tätig, zum Beispiel, indem sie vor der Kamera modeln oder Produkte testen und bewerten, liegt in aller Regel eine weisungsabhängige Tätigkeit vor. Dann greifen die Vorschriften des Jugendarbeitsschutzgesetzes (JArbSchG). Zu unterscheiden ist dabei nach dem Alter des Kindes und der Art der Tätigkeit.
Bei Kindern unter 13 Jahren ist eine Beschäftigung grundsätzlich verboten. Allerdings bestehen Ausnahmen im Bereich von Kultur und Medien, das heißt gerade für die hier relevante Tätigkeit als Kidfluencer. Vor Ausführung der Tätigkeit muss aber die Genehmigung der zuständigen Behörde eingeholt werden. Diese verlangt die Vorlage bestimmter Dokumente, unter anderem die Unbedenklichkeitsbescheinigung eines Arztes und eine Stellungnahme des Jugendamtes. Beide Elternteile müssen mit der Tätigkeit einverstanden sein. Zudem bestehen gesetzliche Vorgaben, wie lange und zu welchen Uhrzeiten die Kinder tätig sein dürfen. Ein Antrag auf Tätigkeit des Kindes im Bereich des Influencer-Marketings sollte gründlich vorbereitet und nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Bei Kindern von 13 bis 15 Jahren ist keine behördliche Erlaubnis einzuholen. Doch auch hier gibt es Anforderungen an die Tätigkeit. Die Beschäftigung muss „leicht“ sein und darf maximal zwei Stunden am Tag umfassen. Die Einwilligung beider Erziehungsberechtigter ist erforderlich.

Eltern sind Vertragspartner

Kinder sind bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres geschäftsunfähig. Ab dem achten Lebensjahr bis zur Volljährigkeit sind sie beschränkt geschäftsfähig. Das heißt, dass sie nicht selbst Vertragspartner der Agentur/des Werbekunden werden können. Zum Abschluss von Verträgen benötigen Minderjährige daher grundsätzlich die Zustimmung der Eltern.

Vorsicht werbliche Ansprache!

Wenn Minderjährige in der PR und Werbung eingesetzt werden, um andere Minderjährige als Zielgruppe zu erreichen, ist Vorsicht geboten. Nach Nr. 28 d. Anh. zu § 3 III des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dürfen an Kinder keine unmittelbaren Kaufappelle oder Kaufaufforderungen gerichtet werden. Darauf ist in der Werbung zu achten, vor allem wenn sich Kinder in ihrer werblichen Ansprache direkt an andere Kinder wenden und diese zum Beispiel auffordern, ein Produkt zu kaufen oder die Eltern zu bewegen, es ihnen zu kaufen. Indizien für eine solche unzulässige Werbung sind die Verwendung von kindertypischer Sprache, Anglizismen oder des Imperativs („Kauf Dir…“).
Wenn Kidfluencer Werbe- und PR-Botschaften der Kunden viral streuen, ist zudem darauf zu achten, dass die werblichen Beiträge auch als „Werbung“ (oder mit einem gleichgeeigneten Hinweis) gekennzeichnet werden. Dies gilt nach aktueller Rechtsprechung auch, wenn die Eltern die Produkte selbst gekauft haben, aber die Kids die Produkte übermäßig werblich präsentieren. Gerade Kinder können häufig werbliche nicht von redaktionellen Inhalten unterscheiden, weshalb die Einhaltung des Trennungsgebotes in der Werbung ihnen gegenüber besonders wichtig ist.

 

Nicht um jeden Preis

Influencer und auch Kidfluencer Relations bieten, strategisch geplant, eine große Chance für Marken. Die Kommunikation auf Augenhöhe, die Sprache der Zielgruppe, geringe Streuverluste, … die Liste lässt sich fortsetzen. Entscheidend ist: Egal ob die Kommunikation an Kinder oder die Kommunikation der Markenbotschaften mit Hilfe von Kindern, Markenverantwortliche und Agenturen sollten die Arbeit mit Kid- und Youngfluencern abseits der rechtlichen Besonderheiten verantwortungsvoll umsetzen. Auch wenn das bedeutet, dass eine ohnehin schon sehr aufwändige Kommunikationsdisziplin beim Einsatz von Kidfluencern noch zeitintensiver wird oder die ein oder andere Kooperation nicht zustande kommt, eben weil die rechtlichen Hürden hoch und vielleicht nicht allen Eltern bewusst sind.

Youngfluencerin Mia von „Mias Pferdewelt“ im Tonstudio für die Hörspielserie Kati & Azuro

Dr. Martin Gerecke ist Anwalt bei CMS Hasche Sigle in Hamburg und berät Unternehmen und Einzelpersonen zum Recht der Neuen Medien und dem Digital Business. Er beurteilt, schützt und verteidigt den Inhalt von Veröffentlichungen, hilft bei der Bewahrung von Schutzrechten und sonstigem geistigen Eigentum. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Verhandlung und Gestaltung medienspezifischer Verträge wie Lizenz-, Agentur- oder Künstlerverträge aus den Bereichen Film und TV. Dr. Gerecke verfügt zudem über langjährige Erfahrung im Bereich des Wettbewerbsrechts und befasst sich dort insbesondere mit Rechtsfragen des unlauteren Wettbewerbs und berät bei Gestaltung von Werbe- und Produktmaterialien und Onlineshops.

Tomma Rabach, Inhaberin der Agentur rabach kommunikation (rk) in Hamburg, betreut seit über 15 Jahren (inter)nationale Unternehmen aus der Kids-/Family-, Food- und Sportbranche sowie seit knapp sieben Jahren Klienten aus dem Bereich Influencer Relations. Gerade hier setzt sich rk seit vielen Jahren für eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe und damit für eine Professionalisierung ein: Als Sponsor relevanter Events fördert die Agentur den Austausch, als Speaker auf Veranstaltungen klärt rk gemeinsam mit Dr. Martin Gerecke Unternehmen über Influencer Relations auf und veranstaltet regelmäßig Workshops. 2018 erschien das erste Grundlagenwerk „Influencer Relations“, zu dem Tomma Rabach ein Kapitel schrieb. In Fachmagazinen veröffentlicht sie regelmäßig Gastbeiträge über Influencer Relations.