Showmaster-Events – Jeder ist willkommen

28. Januar 2019, 15:01

Stuart Hattrick ist Crew Manager beim britischen Event-Veranstalter Showmasters. Showmasters organisiert unter anderem einmal im Jahr die London Film und Comic Con (LFCC). Mit knapp 100.000 Besuchern aus rund 15 Ländern ist es das größte Stelldichein für Science-Fiction-, Fantasy- und Comic-Fans in Europa. Im Interview mit Astrid Specht erklärt er, welche Lizenzen derzeit besonders „heiß“ sind, warum Merchandise wichtig bleibt und Fan-Kultur längst keine Randerscheinung mehr ist.

Weiblicher Cosplayer bei der London Film & Comic Con

Herr Hattrick, können Sie mir sagen, welche Lizenzen 2019 besonders gefragt sind und bleiben?
Das ist nicht so einfach zu sagen, aber Marvel und deren verschiedene Franchises sind sehr erfolgreich und werden es meiner Meinung nach auch in Zukunft bleiben.

Welche Marvel Helden im Besonderen?
Die Avengers sind momentan besonders beliebt. Und wir sind gespannt, wie der neue Captain-Marvel-Kinofilm bei den Fans ankommen wird, der ja am 7. März 2019 in den deutschen Kinos anläuft.
DC machen ihr eigenes Ding und sind damit auch recht erfolgreich. Sie haben Jason Momoa an Bord, der ja als Aquaman großen Erfolg feiert. Gleiches galt auch schon für Gal Gadot als Wonder Woman. Auch die TV-Serien von DC, wie Arrow, Supergirl und Gotham sind aktuell bei Zuschauern sehr beliebt.

Wie entscheiden Sie, welche Schauspieler, Händler und Cosplayer zur LFCC eingeladen werden?
Wir beschränken uns nicht auf bestimmte Genres oder Franchises. Wir denken vielmehr darüber nach, wie die einzelnen Darsteller von den Fans aufgenommen werden. Ja, das Franchise ist schon wichtig, aber der individuelle Darsteller ist wichtiger. Zudem ist es eine finanzielle Frage, also wie viel Gage ein Gast für seinen oder ihren Auftritt erwartet.

Was die Händler betrifft, machen wir keine Vorschriften. Bei der LFCC sind rund 500 Händler anwesend und wir von Showmasters empfinden eine gewisse Loyalität denjenigen gegenüber, die schon in der Vergangenheit dabei waren. Das heißt also, wer jetzt bei der LFCC dabei ist, gehört zu den ersten, die nächstes Jahr buchen können. Andererseits haben wir uns in der Vergangenheit schon von Händlern getrennt, weil es Probleme gab.

Was waren das für Probleme?
Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Es gab Schwierigkeiten mit deren Lizenzprodukten. Sie haben Fälschungen oder nicht lizensierte Artikel verkauft oder haben sich nicht an unsere Richtlinien gehalten, was die Sicherheit ihrer Produkte betrifft.
Von diesen Vorschriften abgesehen, machen wir keine Vorgaben für Merchandise. Die Händler entscheiden selbst, was sie mitbringen und anbieten. Wir sagen ihnen nicht, auf welches Genre oder Franchise sie sich fokussieren sollen, welche Marken sie mitbringen und welche sie weglassen sollen. Das bleibt ganz ihnen überlassen, sofern sie sich an unsere Grundregeln für Sicherheit halten (zum Beispiel was Waffen betrifft). Ich vermute, jeder Händler passt sein Sortiment an die Gäste und die Franchises an, die bei uns vertreten sind. Wenn sie wissen, dass Jason Momoa hier sein wird, der ja für Game of Thrones und Aquaman bekannt ist, macht es Sinn, entsprechendes Merchandise anzubieten.
Für Cosplay haben wir ein eigenes Team hier bei Showmasters. Das Team weiß genau Bescheid, wer in der Szene gerade beliebt ist, und wen sie einladen, hängt oft von deren Fan- und Follower-Zahlen auf Facebook, Twitter und Instagram ab. Je mehr das sind, desto größer unser Interesse an ihnen und natürlich auch das Interesse der Fans bei den Events. Auch hier gibt es eigentliche keine Einschränkungen von unserer Seite.

In welchem Verhältnis steht das Interesse der Fans an einem bestimmten Franchise dazu, wie die Darsteller dieses Franchises bei einer Convention aufgenommen werden?
Ganz allgemein betrachtet, spielt das Franchise schon eine Rolle dabei, wie gut ein Schauspieler hier auf der LFCC ankommt. Aber auch die Beliebtheit eines Serien- oder Film-Charakters ist wichtig. Und natürlich achten wir darauf, wie erfolgreich der Kinofilm oder die Serie ist, in dem beziehungsweise in der die Schauspieler mitspielen, wenn wir jemanden einladen.

Bezogen auf die Fläche und Besucherzahl: Wie groß ist die LFCC im Vergleich zu ähnlichen Events in Europa oder in den USA?
Das kann ich schwer vergleichen. Was ich aber sagen kann, ist, dass die LFCC eine der größten Conventions ihrer Art in Europa ist. Vergleichbar eigentlich nur mit der German Comic Con, die jedes Jahr in der Westfalenhalle in Dortmund stattfindet. In Amerika ist das etwas ganz anderes. Deren Format unterscheidet sich erheblich von unserem. Wir planen die LFCC um die Stargäste, die Fotoshootings und Autogramm-Sessions herum. Im Vergleich dazu sind die amerikanischen Conventions eher wie eine Business-Veranstaltung, ähnlich einer Messe, aufgebaut. Sponsoren wie Marvel oder Net-flix warten mit großen Ständen auf und die sind es dann auch, die die großen Stars zur Veranstaltung mitbringen, nicht der Veranstalter der gesamten Convention. Das heißt, die Sponsoren organisieren ihre eigenen Talks und Fotosessions mit den Stars.

Stuart Hattrick, Crew Manager beim Event-Unternehmen Showmasters in Großbritannien

Welche Herausforderungen muss Showmasters bei seinen Veranstaltungen meistern?
Es ist schon ein bisschen verrückt, was wir machen. Wir bieten so viele Talks, Foto- shoots und Autogramm-Sessions parallel an, dass es vorkommt, dass die Zeitfenster für die verschiedenen Angebote miteinander kollidieren. Aber wir tun unser Bestes, damit unsere Events reibungslos ablaufen. Uns ist wichtig, dass die Besucher uns sagen, wenn etwas schiefgegangen ist, wenn sie zum Beispiel eigentlich bei zwei Fotosessions zugleich sein müssten. Dann versuchen wir, sie schneller durch die Warteschlange zu schleusen. Manche Fans buchen 25 Foto-shootings an einem Tag, das ist dann natürlich eine Herausforderung. Aber mit einer guten Planung und guter Kommunikation mit uns, ist das durchaus zu schaffen. Wir versuchen immer zu helfen, wo wir können.
Im Vergleich dazu läuft die San Diego Comic Con anders ab. Die Fans müssen sehr sorgfältig planen und entscheiden, was sie erleben können und was nicht, weil dort noch sehr viel mehr parallel abläuft als bei uns. Im Gegensatz zur LFCC sind die Autogramme bei der SDCC kostenlos, aber die Darsteller sind häufig nur für eine Stunde am Tag verfügbar. Da schaffen sie vielleicht 150 bis 200 Unterschriften. Wenn man das ins Verhältnis zu über 100.000 Comic-Con-Besucher setzt, wird deutlich, wie gering die Chance ist, ein Autogramm oder Foto zu ergattern.
Bei uns gibt es VIP-Pakete. Diese beinhalten eine ganze Reihe von „Goodies“. Je nachdem, welches Paket ein Besucher gebucht hat, kann er beispielsweise Talks hören, ohne extra zu zahlen oder er darf weiter vorne in der Warteschlange für Fotos und Autogramme anstehen, was natürlich die Wartezeiten minimiert. Was die Fans bedenken müssen: Es ist schwierig, die großen Stars zu treffen, wenn jemand erst am Nachmittag zur Convention kommt. Ohne eine Vorabbuchung von Fotosessions und Talks ist das nahezu unmöglich. Oftmals sind die bereits am Morgen ausgebucht und wenn nicht, kommen hunderte, wenn nicht tausende andere Fans vor ihnen dran. Aber auch hier versuchen wir, immer unser Bestes für die Besucher zu tun und ihnen zu helfen, ihre Stars zu treffen. Und meist gelingt uns das auch gut. Bei der SDCC kann es vorkommen, dass man das ganze Wochenende beim Event ist und ohne ein Foto oder Autogramm nach Hause geht. Bei uns ist die Chance, wenigstens ein paar Erinnerungsstücke mit nach Hause nehmen zu können auf jeden Fall groß.

Inwiefern können Veranstaltungen wie LFCC und SDCC als Trendbarometer für Lizenzen gesehen werden?
Das ist schwer zu beantworten. Was die Darsteller angeht, die wir einladen, mag das zutreffen. Bestimmte Gäste kommen zu uns, weil sie einen neuen Film oder eine neue Serie promoten oder weil eine Serie aktuell besonders gut läuft. Insofern könnte man schon sagen, werden bei der LFCC bestimmte Trends reflektiert. Aber wir versuchen trotzdem immer, ein breites Spektrum an Gästen einzuladen, also auch aus Franchises, die gerade nicht aktuell sind. Ob ein großer Star zu uns kommt, hängt manchmal auch von ihm oder ihr selbst ab und davon, wie sie zur Fan-Kultur stehen. Oftmals sind die Darsteller selbst Fans, sei es von dem Franchise, in dem sie selbst mitspielen oder von anderen. Das erleichtert es uns natürlich, sie für unsere „Fan-Party“ zu begeistern und einzuladen.

Zusammenfassend könnte man also sagen, die Gästeliste bei Ihren Veranstaltungen werden einerseits immer gewisse Trends widerspiegeln. Andererseits wird auch immer ein breites Spektrum an Gästen dabei sein, die von Fans geliebt werden, obwohl es das Franchise schon sehr lange gibt?
Das ist korrekt. In gewisser Weise ist das ja dann auch ein Trend. Retro ist ja seit einiger Zeit sehr angesagt. Man denke nur an das Ghostbusters Remake von 2016 oder an die fortlaufenden Neuauflagen von Star Trek und Star Wars.

Comic Cons waren lange Zeit Events für „Nerds“. Inzwischen haben sie sich aber im Bewusstsein des Mainstream etabliert. Was hat Ihrer Meinung zu diesem Wahrnehmungswandel gegenüber der Fan-Kultur beigetragen?
Das hängt mit mehreren Faktoren zusammen. Zum einen mag das an der gesteigerten Popularität von Comic-Büchern liegen. Zum anderen erreichten vor zehn, zwanzig Jahren die Neuauflagen von Comic-Verfilmungen, wie zum Beispiel X-Men und Iron Man, ein sehr breit gefächertes Publikum. Das waren echte Blockbuster-Action-Filme, die bei der breiten Masse Eindruck hinterlassen hat und eben nicht nur bei einer kleinen Gruppe von Fans. Produktionsfirmen wie Marvel, Disney oder DC haben schnell gemerkt, welches Potenzial darin steckt und in Folge dessen wurden noch mehr Filme, aber auch Serien produziert. Das hat die Fan-Kultur belebt und dazu geführt, dass weitere Science-Fiction- und Fantasy-Franchises neu aufgelegt wurden.
Zudem sind aus dieser Entwicklung Serienhits, wie zum Beispiel The Big Bang Theory, entstanden, die ja die Fan-Kultur widerspiegelt und ein bisschen aufs Korn nimmt. Sie ist inzwischen sogar selbst Kult geworden und hat viel dazu beigetragen, dass die Fan-Kultur gesellschaftsfähig geworden ist. Ich glaube auch, dass sie das Interesse an Comic Cons in Amerika und in Europa gefördert hat. Nicht jeder wird mehr automatisch als seltsam abgestempelt, weil er diese Sendungen mag und unsere Veranstaltungen besucht.

Würden Sie denn sagen, Comic Cons können auch Lizenz- oder Franchise-Trends starten?
Ich würde sagen, wir spiegeln Trends hauptsächlich wider. Es ist schwer, Trends zu setzen. Bloß weil wir bestimmte Gäste einladen, erfahren deren Franchises sicherlich keinen plötzlichen Popularitätsanstieg.

Ist das anders für die San Diego Comic Con? Immerhin nutzen Produktionsfirmen die Popularität des Events aus, um Trailer für eine neue Serie oder einen Film vorzustellen, die sich dann per Live-Stream in Windeseile im Internet verbreiten.
Das mag sein, aber ich glaube immer noch, dass das Publikum seinen eigenen Kopf hat. Bei der SDCC könnten man, sagen wir mal, den Trailer von „Anorak Man“ zeigen. Wenn der schlecht ist, wird niemand den Film sehen wollen. Ist er aber gut und ebenso der Film selbst, wird das ein Kassenschlager. Das hat, meiner Meinung nach, aber wenig mit der Tatsache zu tun, dass der Trailer in San Diego lief. Es mag eine gute Marketingentscheidung sein, den Trailer bei der SDCC zu zeigen, ich persönlich glaube aber nicht, dass das einen Unterschied macht. Ich glaube, was zählt, ist die Qualität. Stimmt die, werden die Zuschauer das merken und es weitergeben. Stimmt sie nicht, bleibt der Erfolg aus.

Was ist es am Merchandise, das die Fans so lieben?
Ich glaube, es geht darum, Teil einer Sache zu werden, die man sehr gern hat. Das kann ein bestimmter Fußballverein sein, bei dem man viel Geld für ein Saisonticket, T-Shirts oder Schals ausgibt. Es kann aber eben auch die Film-Serie „Der Herr der Ringe“ sein, von der man unbedingt eine Schwert-Replika in Originalgröße besitzen muss, so wie es bei mir persönlich war.

Aber würde es nicht ausreichen, einfach nur die Filme zu schauen …?
Naja, das ist eben für jeden anders. Einige sind zufrieden damit, sich das Spiel ihres Fußballvereins im Fernsehen anzuschauen. Andere gehen lieber ins Stadion, um live dabei sein zu können.

Das heißt also, jeder hat seine eigene Art, an seinem auserwählten Fan-Thema teilzuhaben?
Ganz genau. Einige gehen sogar noch ein paar Schritte weiter und steigen irgendwann ins Cosplay-Hobby ein. Ihnen geht es darum, ihren Lieblingscharakter zu verkörpern, ja diese Figur zu werden. Als Fan und insbesondere als Cosplayer geht es darum, voll und ganz in die Story, in die Figuren und Handlungen des geliebten Franchises ein- und abzutauchen und vielleicht auch, um sich darin zu verlieren. Es geht darum, Freude daran zu haben und den Alltag zu vergessen. Es ist eine Form von temporärer Realitätsflucht, die aber ganz heilsam sein kann.

Kensington Olympia, London, Veranstaltungsort der London Film & Comic Con

 Es geht wohl auch darum, dazuzugehören …
Ja, dazuzugehören, ist ein wichtiger Aspekt von Comic Cons. Bei uns ist jeder willkommen und wird akzeptiert, egal welchen Hintergrund er oder sie mitbringt – das gilt sowohl für unsere Besucher, als auch für unsere betreuende Event-Crew. Unsere Events sind eine tolle Möglichkeit, um Gleichgesinnte zu treffen und neue Freundschaften zu schließen. Zu uns kommen so viele unterschiedliche Menschen – eingefleischte Kino-, Serien- und Comic-Fans bis hin zu Fans, die auf der Suche nach coolem Merchandise sind. Doch ganz egal, warum unsere Besucher, Star-Gäste, Händler, Comic-Zeichner oder Cosplayer dabei sind, wir wollen, dass sich jeder Teil des Events fühlt. Letztendlich wollen wir, dass alle Spaß haben. Wir von Showmasters organisieren diese Events für jeden, der Freude an der Fan-Kultur hat. Everybody‘s welcome.

Herr Hattrick, ich bedanke mich für das Gespräch.