Schleich: Mehr als Spielzeug

28. März 2025, 12:56

Seit einem Jahr steht Stefan De Loecker an der Spitze von Schleich. Im Interview mit Astrid Specht beschreibt er, wie er mit seinen 35 Jahren Erfahrung im Bereich FMCG eine frische Perspektive ins Unternehmen und in die Branche bringen will und wo er noch Potenzial für Wachstum und Innovation sieht.

Herr De Loecker, Sie sind jetzt genau seit einem Jahr Geschäftsführer bei Schleich. Wie war dieses erste Jahr für Sie?
Was ich aufregend finde ist, dass das, also die Spielware eine neue Kategorie für mich ist. Ich habe 35 Jahre Erfahrung im Bereich Fast Moving Consumer Goods (FMCG) gesammelt. Aber natürlich ist Spielware etwas ganz anderes und es gibt viele Herausforderungen im Markt. Schleich hat viel Potenzial, aber wir sehen auch, dass wir uns neu aufstellen müssen. Das erste Jahr war sehr intensiv, es gab viele Änderungen, aber auch viele Perspektivwechsel. So glaube ich, könnte man das zusammenfassen.

Sie sagten ja gerade, Spielware ist eine neue Kategorie für Sie. Wie kam es, dass Sie mit Ihrem Hintergrund in FMCG bei Schleich die Geschäftsführung übernommen haben?
Ich bin ganz klassisch darauf angesprochen worden, dass dieser Aufgabenbereich bei Schleich zu übernehmen ist. Ich kenne Schleich als Traditionsmarke noch aus meiner eigenen Kindheit und ich finde, sie ist bis heute stark, auch wenn ich glaube, dass hier noch viel Potenzial schlummert. Das in Kombination hat dazu geführt, dass ich zugesagt habe. Mir ist auch ganz wichtig, voll und ganz hinter einer Marke zu stehen, denn nur wenn man mit Begeisterung an eine Aufgabe herangeht, füllt man sie auch ganz aus. Zudem haben wir hier eine Marke, die Bedeutung und Perspektive hat und damit zu arbeiten, macht dann auch Freude.

Wenn Sie mit dieser Sicht (aus den FMCG kommend) auf die Spielwarenbranche blicken, was ist Ihre Wahrnehmung und wie wirkt sich der Gesamtzustand der Branche auf Schleich aus?
Der Spielwarenmarkt ist herausfordernd, was unter anderem strukturelle Gründe hat. Zum einen gibt es immer weniger Kinder, zum anderen haben sich die Wettbewerbsbedingungen verschärft. Wenn man Spielwaren nicht isoliert betrachtet, sondern den gesamten Markt für Kinder- und Familienausgaben einbezieht, wird deutlich, dass es heute viele Alternativen gibt. Es wird nicht unbedingt weniger pro Kind ausgegeben – aber das Geld fließt zunehmend in andere Kategorien.Ein gutes Beispiel ist der Beauty- und Skincare-Markt: Mädchen interessieren sich immer früher für diese Themen, und diese Branchen sind darin sehr erfolgreich. Das zeigt, dass sich das Konsumverhalten verändert. Für uns in der Spielwarenbranche bedeutet das, dass wir noch klarer herausarbeiten müssen, welchen Wert unser Produkt bietet. Ein weiterer Punkt ist die Vielfalt der Vertriebswege. Spielwaren sind heute an weit mehr Orten erhältlich als früher. Das war für mich eine spannende Erkenntnis, als ich aus dem FMCG-Bereich in die Branche gewechselt bin. Außerdem sehe ich großes Potenzial darin, die Verbraucher- und Shopper-Insights noch besser zu verstehen. Wer kauft eigentlich Spielwaren? Eltern für ihre Kinder? Kinder für sich selbst oder für andere Kinder? In der FMCG-Branche gibt es eine lange Tradition, solche Kaufentscheidungen detailliert zu analysieren und darauf basierend Strategien zu entwickeln. Hier können wir in der Spielwarenbranche noch besser werden. Letztlich geht es bei Schleich nicht nur um Spielzeug im klassischen Sinne. Unsere Produkte haben eine tiefere Bedeutung: Sie fördern die Entwicklung von Kindern, regen die Fantasie an und können sogar einen edukativen Charakter haben. Das ist ein Aspekt, den wir als Branche noch stärker kommunizieren sollten. Auch das Thema ‚Kidults‘ – also Erwachsene, die Spielwaren sammeln oder nutzen – zeigt, dass Spielzeug mehr ist als nur ein Produkt für Kinder.

Sie haben vorhin zweimal von Potenzial gesprochen. Hat Schleich sein Potenzial bisher noch nicht voll ausgeschöpft?
Sagen wir mal so: Wenn eine Marke wie Schleich in Deutschland fast die Hälfte seines Umsatzes generiert, aber die Menschen in Deutschland nur einen Bruchteil der Weltbevölkerung ausmachen, steckt allein in diesen Zahlen ein Riesenpotenzial! Das ist natürlich etwas überspitzt formuliert, aber wenn man sieht, wie der Markt sich bewegt und wo wir unsere Stärken haben, dann kann man in vielen Bereichen schon durch das Stellen von kleineren Stellschrauben positive Veränderungen herbeiführen. Wissen Sie, unsere Figuren sind mehr als nur Spielzeug. Sie unterstützen Kinder auf konstruktive Art und Weise in ihrer Entwicklung, ganz besonders im Alter zwischen zwei und zehn Jahren, wenn sie ihre größten sprachlichen, motorischen und emotionalen Entwicklungsschritte machen. Dieser Prozess ist faszinierend zu beobachten und wir von Schleich können ihn mit unseren Produkten positiv begleiten! Die Kinder lernen zudem verschiedene Tiere kennen und können zu ihnen eine emotionale Bindung aufbauen (zum Beispiel weil sie ihnen Namen geben). Sie können sich Fantasiegeschichten erzählen, was wiederum die sprachliche Entwicklung fördert. Und letztendlich wird ein Schleichtier nie weggeworfen, denn es hat für die Kinder einen Wert! Doch zurück zur Frage: Es gibt also noch viel Potenzial auf der Verbraucherseite und auch unser Innovationspotenzial ist noch nicht ausgeschöpft. Außerdem ist Schleich noch nicht in jedem Vertriebskanal vertreten, auch besteht also noch „Luft nach oben“, wie man so schön sagt. Ein dritter Aspekt, der uns auch wichtig ist und den wir nach vorne bringen möchten, ist die Internationalisierung. Diese drei Aspekte zusammengenommen machen meine Aufgabe als CEO sehr komplex, aber genau das ist der Kern, aus dem sich nahezu unerschöpfliche Möglichkeiten und Chancen für uns ergeben.

In welchen Bereichen möchten Sie dieses Potenzial nacheinander abarbeiten?
Das geschieht nicht nacheinander, das würde nicht funktionieren. Vielmehr glaube ich, müssen sich diese drei Aspekte harmonisch ineinander fügen. Das heißt die Innovation muss auf den Verbraucher ausgerichtet sein. Dann muss diese Innovation in allen Kanälen vermarktet werden und das dann in verschiedenen Ländern parallel. Dabei sind die wichtigsten Märkte außerhalb Deutschlands, in denen wir große Wachstumschancen sehen die USA, Frankreich, UK und Benelux. Doch die Frage ist, wie bringen wir diese drei Komponenten Innovation, Kanalspezifische Vermarktung und Internationalisierung in Einklang miteinander?

Kurze Zwischenfrage: Sie haben gerade über die Märkte gesprochen beziehungsweise über die USA, ein wichtiger Markt für Schleich. Wie gehen Sie mit der aktuellen politischen Situation um und mit möglichen Einfuhrzöllen?
Die geopolitischen Rahmenbedingungen verändern sich stetig, und das betrifft nicht nur die USA. In vielen Ländern gibt es politische und wirtschaftliche Herausforderungen, die wir genau beobachten. Die Idee einer rein globalisierten Welt, in der alles uneingeschränkt fließt, hat sich in den letzten Jahren verändert. Wir analysieren die Situation daher laufend und entwickeln Lösungen, um flexibel auf neue Bedingungen reagieren zu können.

Der Kanal LEH ist während der der Corona-Zeit sehr wichtig für den Vertrieb von Spielware geworden. Für den Spielwarenfachhandel war das schwierig, da er während der Lockdowns als nicht-systemrelevante Geschäfte geschlossen bleiben musste. Doch auch nach Corona ist der LEH im Segment Spielware wichtig geblieben. Auf welchen dieser Kanäle wollen Sie speziell bei Schleich setzen – noch stärker auf Aldi, Lidl und Drogisten wie Müller? Und welche Pläne haben Sie für den Online-Vertrieb?
Unser traditioneller Fokuskanal ist und bleibt der Spielwareneinzelhandel. Der ist ideal für uns und unsere Produkte, denn ich glaube, dass wir ein Sortiment und einen Marke vorweisen können, was sich sehr gut inszenieren lässt. Im Fachhandel geht es vor allem darum, Einkaufen noch besser und attraktiver zu machen. Aber auch der Online-Kanal ist sehr wichtig für uns. Es ist ein Kanal wo wir noch weit weg sind von dem, was der Markt hergibt. Wichtig ist jedoch, dass man differenziert vorgeht und jeden Kanal unterschiedlich und passend bespielt.

Der (Spielwaren-)Fachhandel verändert sich. Viele Händler geben auf, weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt. Sie sagen Spielwarenfachhandel ist der wichtigste Kanal für Schleich. Welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um die Händler zu unterstützen?
Das Wesentliche für uns ist, dass wir diesen Kanal attraktiv gestalten wollen. Einkaufen in einem Spielwarenfachgeschäft muss ein einzigartiges Erlebnis sein. Diese Einzigartigkeit wollen wir zum Beispiel durch exklusive Angebote und Aktionen zu speziellen Themen zum Ausdruck kommen.

Sie haben auch den Vertriebskanal „Online“ angesprochen. Da besteht natürlich auch die Gefahr an dieser Stelle, dass man sich kanibalisiert … Welche Maßnahmen ergreifen Sie, dass bei Schleich-Produkten der Online-Handel den Fachhandel ergänzt und nicht umgekehrt?
Grundsätzlich gibt es zwei zentrale Aspekte: Differenzierung und Einzigartigkeit. Zum einen geht es darum, exklusive Sortimente und spezielle Produkte gezielt für den Fachhandel zu entwickeln, um diesem eine besondere Attraktivität zu verleihen. Zum anderen spielt die Aktivierung des Sortiments eine wichtige Rolle – also die Art und Weise, wie wir bestimmte Produkte gezielt im stationären Handel hervorheben und inszenieren. Ein Vorteil von Schleich ist, dass unsere Produkte weniger saisonabhängig sind als viele andere Spielwaren. Das ermöglicht es uns, unsere Sortimentsstrategie kanalübergreifend flexibel zu gestalten. Der stationäre Fachhandel kann dabei durch gezielte Exklusivangebote und individuelle Präsentationen gestärkt werden. Es geht also nicht darum, dass sich Online- und Offline-Kanäle gegenseitig Konkurrenz machen, sondern dass sie sich ergänzen. Durch spezielle Themenwelten und maßgeschneiderte Konzepte für den Handel wollen wir genau diese Differenzierung optimal nutzen.

Sie haben zu Anfang die Zielgruppe der „Kidults“ erwähnt – wie positioniert sich Schleich hierzu?
Also, da wo Wachstum ist, muss es uns interessieren – das ist ganz klar. Allerdings gehen wir das Thema Kidults mit einer klaren Strategie an. Unsere Kernstärke liegt nach wie vor bei Kindern zwischen zwei und zwölf Jahren, und in diesem Bereich gibt es weiterhin viel Dynamik. Deshalb sehen wir Kidults nicht als eine Flucht nach vorne, weil es weniger Kinder gibt, sondern als eine gezielte Ergänzung unserer Strategie. Wichtig ist für uns, dass wir unsere Stärken weiterentwickeln – mit neuen Produkten, frischen Konzepten und einer tiefen Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen unserer Zielgruppen. Wenn wir das mit den richtigen Consumer-Insights verbinden, ergeben sich spannende Möglichkeiten. Zum Beispiel in Form von Events oder saisonalen Schwerpunkten, die über die klassische Spielwarenwelt hinausgehen, wie etwa ‚Back to School‘. Kidults sind zweifellos ein interessantes Segment für uns. Ein Beispiel dafür ist unsere starke Verbindung zur Community der Pferdeliebhaber. Hier gibt es viele Sammlerinnen und Sammler, für die unsere Figuren keine Spielzeuge sind, sondern hochwertige Collectibles. Das Schöne daran: In dieser Community spielt das Alter keine Rolle! Deshalb sehen wir Kidults als eine wertvolle Erweiterung unserer Markenwelt – allerdings ohne unsere Kernzielgruppe aus den Augen zu verlieren. Es geht darum, beide Bereiche sinnvoll weiterzuentwickeln und sie bestmöglich zu bedienen.

Kommen wir zum Thema Nachhaltigkeit: Schleich hat in der Vergangenheit viel und offen darüber geredet. Wie steht Schleich aktuell dazu – immerhin kostet Nachhaltigkeit sowohl bei der Entwicklung aber auch für den Verbraucher …
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema für Schleich, und ich bin überzeugt, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Ein großer Vorteil unserer Produkte ist, dass sie nicht einfach entsorgt werden. Schleich-Figuren begleiten Kinder oft über Jahre hinweg, sie stehen später im Regal oder werden weitergegeben – sie sind ein Teil der persönlichen Geschichte. Gerade bei Mädchen sehen wir, dass die Figuren oft einen Namen bekommen und eine emotionale Bedeutung haben. Das macht sie besonders wertvoll und trägt wesentlich zur Nachhaltigkeit bei. Neben dieser Langlebigkeit setzen wir unsere Materialstrategie konsequent fort. Das Ziel ist es, unsere Produkte möglichst nachhaltig und recycelbar zu gestalten. Dabei gehen wir Schritt für Schritt vor, denn es reicht nicht, einfach nur auf ein anderes Material umzustellen. Unsere Figuren haben eine hohe Detailgenauigkeit und Qualität – das erfordert eine ganzheitliche Entwicklung von A bis Z. Wir haben bereits vor einem Jahr die erste Generation nachhaltigerer Materialien eingeführt und arbeiten jetzt an der nächsten Generation. Dieser Prozess ist ein kontinuierliches Learning, das uns hilft, immer effizienter zu werden. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass nachhaltige Lösungen nicht zu einer Preissteigerung führen, die am Ende den Verbraucher abschreckt – denn ein Produkt, das aus Nachhaltigkeitsgründen nicht mehr gekauft wird, hilft niemandem. Deshalb verfolgen wir einen umfassenden Ansatz: Neben der Materialentwicklung geht es uns auch darum, die Langlebigkeit und Wiederverwendbarkeit unserer Produkte weiter zu stärken. Denn Abfall gar nicht erst entstehen zu lassen, ist letztlich der beste Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Wie sieht es aus mit der Rohstoffgewinnung. Schleichtiere oder Produkte sind ja dafür bekannt, sehr hochwertig zu sein. Wenn man jetzt beispielsweise von Virgin Plastic auf Recycled Plastic setzt, könnte das diese Hochwertigkeit gefährden?
Genau das ist der zentrale Punkt unserer Strategie. Wir stellen aktuell von nicht recycelbarem PVC auf recycelbares PPE um – mit der klaren Vorgabe, dass die Qualität unserer Produkte erhalten bleibt. Das ist eine große Herausforderung, denn das neue Material verhält sich anders als PVC. Wir können es nicht einfach eins zu eins ersetzen, sondern müssen die gesamte Entwicklung darauf ausrichten. Deshalb ist jede Umstellung ein eigenes Entwicklungsprojekt. Aber genau darum geht es: Nachhaltigkeit ohne Kompromisse bei der Detailgenauigkeit und Hochwertigkeit unserer Figuren.

Zum Abschluss: Beschreiben Sie die Zukunft von Schleich in drei Worten:
Einzigartig, global und relevant.

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