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Safety – Safety First

2. Dezember 2019, 11:05

Firmen, die sich im besonderen Maße für die Sicherheit ihrer Baby- und Kleinkindprodukte engagieren, wurden dieses Jahr erstmals mit dem EU Product Safety Award ausgezeichnet. Die Preisverleihung fand Ende September in Brüssel statt. Astrid Specht war exklusiv vor Ort.

Unternehmen müssen ermutigt werden, die Sicherheitsaspekte ihrer Produkte zu verbessern, vor allem, wenn es um Produkte für Baby und Kleinkinder, der verletzlichsten aller Zielgruppen geht“, so Vera Jourova, die scheidende EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung. Vera Jourova, die dieses Jahr vom US-Magazin Time in das Ranking der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten aufgenommen wurde, wollte einen besonderen Anreiz für Firmen schaffen, sich über das Mindestmaß für die Sicherheit ihrer eigenen Produkte einzusetzen. Es ginge ihr vor allem darum, die Aufmerksamkeit auf Unternehmen zu lenken, die alles dafür täten, die Verbaucher zu schützen und so der Branche als leuchtendes Beispiel dienten, so die EU-Kommissarin bei der Pressekonferenz im Vorfeld der Preisverleihung. Für die erste Ausgabe dieses Awards wurden Unternehmen ausgezeichnet, die Baby- und Kleinkindprodukte herstellen. Ob das Format in den kommenden Jahren so beibehalten wird, steht noch nicht fest. Jourova schied im Oktober aus dem Amt, ihr Nachfolger hat sich hierzu noch nicht geäußert. Dennoch ist der Preis prestigeträchtig. Er ist zwar nicht mit einem Geldbetrag dotiert, wird aber den Ruf der Gewinner weltweit stärken, da sie nun offiziell als führend im Bereich Produktsicherheit gelten.

Im Bild (v.l.n.r.): Dr. Nikolai Geissler (Goodbaby/Cybex), Leda Vitouladitou (Mega Disposables), Michele Servalli (Remmy), Elina Björklund (Reima), Rune Gitz-Johansen (Evomove), Peter Röhrig (Mam Österreich), Tim Lorenz (reer), Patrick Degenkamp (Mippaa), EU-Kommissarin Vera Jourova

Der Award stand Unternehmen aus allen EU-Ländern sowie Island, Liechtenstein und Norwegen offen. Ingesamt hatten sich 38 Unternehmen aus 16 EU-Ländern um den Preis in den Kategorien „Großunternehmen“ und „Mittelständische Unternehmen“ beworben. Im Anschluss wählte eine Jury, die aus EU-Bediensteten, Vertretern aus Nichtregierungsorganisationen, der Industrie und/oder der Wissenschaft bestand, die Finalisten aus. Bei der Gala-Zeremonie im Concert Noble, einem Ballsaal im Herzen Brüssels, wurden die Gewinner der beiden Kategorien bekannt gegeben. Zudem erhielt jeweils eine Firma eine besondere Erwähnung für ihr Engagement.
Dr. Nikolai Geissler, Senior VP Group Program Management Goodbye Baby hat den Preis für Cybex entgegen genommen und äußerte sich direkt nach der Verleihung:

Herr Geissler, Cybex hat beim EU Product Safety Award Silber in der Kategorie „Large Companies“ für den Priam Baby Stroller gewonnen. Was bedeutet dieser Preis für Cybex?
Für Cybex ist das eine tolle Bestätigung. Wir arbeiten seit 14 Jahren im Bereich der Kindersicherheitssitze, haben Sicherheit, zusammen mit Design und Funktionalität als unsere höchste Priorität gesetzt und das ist natürlich eine Bestätigung für die Arbeit, die wir geleistet haben. Und vor allem ist es ein Ansporn, genau auf diesem Weg weiterzugehen. Ich freue mich aber auch ganz besonders, dass die Europäische Union das Thema Child Safety aufgreift und auf die Tagesordnung bringt und ich fände es schön, wenn das von der nächsten Kommission weitergeführt wird. Weil Child Safety eine Grundlage ist, die unabhängig von der Kommission weiterhin bestehen sollte.

Als Sie den Preis entgegen genommen haben, sagten Sie, dass dieser Award ein Ansporn ist, weiterzumachen. Braucht Cybex denn diesen Ansporn?
Ja, natürlich. Cybex braucht Innovation, neue Ideen, Technologie, aber vor allem auch Lösungen für Konsumenten. Wir machen Produkte immer nur für den Konsumenten. Wir denken nicht in Features, wir denken und leben in Consumer Benefits. Das ist die DNA von Cybex. Wir werden nie einen Gang runterschalten, wir sind immer an der Speerspitze vorne mit dabei. Das ist Cybex.

Es scheint, viele Unternehmen sind gar nicht so stark auf die Verbraucher und deren Bedürfnisse fokussiert. Wird dieser Award das ändern – bei Cybex aber auch ganz allgemein in der Branche?
Das hoffe ich, ehrlich gesagt. Wie gesagt, wenn die EU Kindersicherheit auf die Tagesordnung bringt, dann hoffe ich, wird insgesamt das Bewusstsein für das Thema steigen. So merken hoffentlich auch andere Firmen, dass der Verbraucher im Fokus steht und nicht nur Verkaufszahlen und Kommerz. Letztendlich geht es darum, und das haben wir heute hier gemerkt, Leben zu retten und das ist wirklich das beste und wichtigste, was wir tun können.

ec.europa.eu/product-safety-award

Steine ins Wasser werfen

Der EU Product Safety Award in Bronze im Bereich KMU ging an den deutschen Kindersicherheits-Spezialisten reer. Tim Lorenz, Geschäftsführer der reer GmbH, nahm den Preis in Brüssel entgegen. Lioba Hebauer sprach mit ihm über die Bedeutung dieser Auszeichnung.

Das Leonberger Familienunternehmen erhielt den Preis dabei nicht – wie die meisten anderen Gewinner – für ein Einzelprodukt, es wurde für das gesamte, auf Risikoprävention ausgerichtete Sortiment sowie die begleitenden Verbraucher-Informationskampagnen ausgezeichnet.

Herr Lorenz, hatten Sie denn damit gerechnet, einen Safety Award zu gewinnen?
Als ich von dieser Preisausschreibung gelesen habe, war mir klar, dass wir vom Anspruch her gewinnen müssen. Einfach, weil die Kriterien genau auf uns als Firma zutreffen. Neben dem österreichischen Unternehmen Mam sind wir die einzigen, die nicht für ein Einzelprodukt prämiert wurden. Wir sind für unser Gesamtkonzept ausgezeichnet worden. Dafür, dass wir nicht nur sichere Produkte entwickeln, sondern auch Aufklärungsmaßnahmen machen und Netzwerke aufbauen – mehr Steine ins Wasser werfen für mehr Sicherheit für Kinder. So wurde unsere Mission honoriert. Das tut gut.

Wie informieren Sie die Verbraucher über die möglichen Gefahren?
Das ist ein bunter Strauß an Maßnahmen, die sowohl digital als auch im Print vorliegen. Online bieten wir zum Beispiel ein virtuelles Sicherheitshaus an, das man aus der Perspektive eines Kindes erkundet. Dort erscheinen zu jeder Gefahrenstelle Informationen, wie man sich schützen kann und ob es ein passendes Produkt dafür gibt. Wir flankieren das mit Checklisten für die verschiedenen Räume und für unterschiedliche Kindesalter, weil sich die Risiken im Laufe der Kindheit auch verändern. Um den Endverbraucher maximal aufzuklären und ihn nicht zu überfordern, haben wir alles in kleine logische Häppchen aufgeteilt. Wir nutzen sämtliche Kanäle, um unsere Botschaft zu vermitteln – von der Produktverpackung über die Sozialen Medien bis hin zu den Printmedien. Zusätzlich arbeiten wir mit unterschiedlichen Multiplikatoren zusammen, die beispielsweise im Rahmen von Eltern-Kind-Kursen direkten Kontakt zu Endverbrauchern haben und sie ganz gezielt aufklären können.

Manche Sicherheitsprodukte sind doch recht kompliziert. Wie sieht es hier mit der Beratung aus?
Das stimmt. Wenn es darum geht, ein Schutzgitter oder eine Schubladenverriegelung zu installieren, muss ich mich als Verbraucher viele Dinge fragen. Um auch da die gefühlte Komplexität zu reduzieren, bieten wir einen Konfigurator an, der gezielt Fragen stellt und am Ende zum empfohlenen Produkt führt. Das gleiche Prinzip findet der Verbraucher in unserer ‚Safety Station‘ im Fachhandel, die auch vom Mitarbeiter für seine eigene Fortbildung genutzt werden kann.
Auch mit unseren Safety Tools schaffen wir Bewusstsein für Gefahrensituationen. Sie werden über Multiplikatoren als Give-aways gestreut. Wir haben zum Beispiel einen Kleinteiletester, der die Verschluckungs- und Erstickungsgefahr bei kleinen Teilen prüft und zusammen mit einer Checkliste verschenkt wird. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Mehr Sicherheit für Kinder e.V. (BAG) nutzt unsere Tools für ihre Train the Trainer-Seminare. Wir hatten im Oktober auch zu einem Round Table eingeladen. Ziel war es, so viele Protagonisten wie möglich zusammenzubringen – von der Schwangerschafts-Concierge bis zum Erste-Hilfe-Kurs-Trainer. Es erfordert viel Zeit und Input, um diese Partnerschaften mit Leben zu füllen.

Hilft der Gewinn eines EU Product Safety Award bei dieser Zusammenarbeit?
Ich habe in Brüssel viele Gespräche mit Firmen und Organisationen geführt, mit denen ich sonst nicht in Kontakt gekommen wäre. Ich konnte spüren, dass alle das gleiche Verständnis haben, die gleichen Werte teilen. Und ein Ziel ist wohl auch, durch das Vernetzen verschiedener Protagonisten eine Allianz zu schnüren. Das ist essenziell. Aus Südostasien drängen zum Beispiel massiv sogenannte Sicherheits-Sets auf den Markt, die über einen unerreichbar niedrigen Preis und guten Content vermarktet werden. Diese Produkte sind jedoch alles andere als sicher. Davon geht der Endverbraucher aber nicht aus. Das war auch Thema in Brüssel. Man hat eingeräumt, dass die Überwachsungsbehörden überfordert sind bei der Flut an Produkten, die etwa auf Amazon erkauft werden. Es ist das eine, die ambitionierten Hersteller zu unterstützen und ihnen eine Bühne zu bieten. Aber das reicht nicht, wenn gleichzeitig eine Riesenflut von No-Name-Produkten den Markt überschwemmt. Und das passiert nicht nur in unserem Bereich.

Welche Maßnahmen würden Sie sich wünschen?
Dass die Überwachungsbehörden stärker vorgehen. Dass auf die Einhaltung der Standards geachtet wird und darauf, was überhaupt in Verkehr gebracht werden darf. Das beste Beispiel sind Türstopper aus Schaumstoff. Hier wurde eine Norm erarbeitet, die Türstopper aus Schaumstoff als nicht sicher einstuft. Das interessiert aber niemanden, sie werden weiterverkauft. Man kann oder möchte nicht dagegen vorgehen. Wir haben unsere Türstopper frühzeitig auf einen härteren Kunststoff umgestellt, damit in jedem Fall der notwendige Klemmspalt für das Kind gegeben ist. Der kostet aber das Drei- bis Vierfache. Unsere Verkaufsmenge hat sich seitdem halbiert.
Der neue EU Product Safety Award wurde nur eine Woche nach den Innovation Awards der Kind + Jugend vergeben. Kommen sich die beiden Formate auch inhaltlich in die Quere?
Ich finde beide Preise haben ihre Daseinsberechtigung, sie haben einen unterschiedlichen Fokus. Ich stufe den EU Product Safety Award als wichtiger ein. Ein Innovation Award zeichnet nur ein einzelnes Produkt aus. Und bei unserem EU Award geht es um das Gesamtkonzept. Auch von der Strahlkraft her würde ich sagen, dass auf EU-Ebene ein guter Nachhall zu erwarten ist. Mich hat bei den diesjährigen Innovation Awards gestört, dass es in der Kategorie ‚World of Kids Safety at Home‘ nur einen einzigen Nominierten gab. Normalerweise sind es drei. Wir hatten uns mit einem – aus unserer Sicht – äußerst innovativen Produkt beworben. Mich hat auch die Frage beschäftigt, warum so viele Preisträger und Marken aus Südostasien stammten. Das ist dem allgemeinen Trend der Branche geschuldet und daher zwar nachvollziehbar, aber natürlich nicht förderlich, um europäische Marken zu stärken. Auch wenn es logischerweise bei einer Innovation nicht darauf ankommt, aus welchem Land sie stammt. Trotzdem – als Repräsentant eines deutschen Unternehmens, der auch an die EU glaubt, halte ich es für problematisch, dass man über den Innovation Award die Akzeptanz von Produkten aus China zusätzlich unterstützt. Wenn sie sicher sind, ist das kein Problem. Aber das sind sie nicht immer.