Anzeige

Retail: Sei mehr als ein Händler!

14. Januar 2023, 12:40

Innovativ, erfrischend, nachhaltig – diese Attribute hat sich Andreas Oberländer auf die Fahnen geschrieben. Sie sind gleichsam ein Versprechen an seine Klienten, im Training neue Wege zu gehen. Dabei macht der erfahrene Coach keine Experimente. Oberländer weiß, was er tut. Er gehört zu den erfolgreichsten Sales Trainern und ließ Sibylle Dorndorf hinter die Kulissen seiner Arbeit blicken.

Herr Oberländer, Sie kennen als Sales Trainer und Coach die Nöte des Handels, nachgerade in den letzten beiden Jahren sind die nicht kleiner geworden, im Gegenteil. Haben sich die Anforderungen an Ihr Unternehmen, an Sie als Trainer dadurch geändert?
Auf jeden Fall! Die Themenfelder für Trainings und Coachings sind komplexer geworden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass auch die Kunden:Innen im Einzelhandel anspruchsvoller geworden sind. Für die Verkäufer:Innen ist es wichtig, die konkreten Bedarfe und Ziele der Kunden:Innen noch besser zu (er-) kennen. Es reicht eben nicht, den geäußerten Kundenwunsch zu erfüllen. Vielmehr empfehlen wir intensiv nachzufragen, welches Nutzenversprechen konkret erfüllt werden soll und dabei auf die persönlichen Motive der Kunden:Innen einzugehen und diese zu erfüllen. Das alles gepaart mit einem positiven Einkaufserlebnis macht den Unterschied, ob Kunden:Innen im stationären Einzelhandel, oder eben Online einkaufen. Der „Automatismus“, zum Einzelhändler in der Nähe zu gehen, ist nicht mehr selbstverständlich. Dies fordert ein schnelles Umdenken und Handeln, welches gerade für langjährig erfolgreiche Einzelhändler*innn nicht immer einfach ist.

Wann werden Sie gerufen? Wenn das Dach brennt oder schon die ganze Hütte?
Oftmals erst dann, wenn die eigenen Ideen und Ansätze gescheitert sind und die klassischen „Blaupausen-Strategien“ nicht (mehr) wirken. Der Schmerz ist in der Regel groß. Fänden die Gespräche früher statt, wären Handlungsspielräume und Möglichkeiten größer. Auch der Frustlevel ist dann geringer und blockiert die Denk- und Entscheidungsspielräume weniger.

Wer konsultiert Sie in der Regel und was sind gerade heute die konkreten Erwartungen an einen Sales Trainer und Coach?
Wir sprechen in der Regel mit der Geschäftsführung, wobei Abteilungen wie Human Ressources und Vertriebsleitung mit eingebunden sind, um einen ganzheitlich wirksamen Ansatz erfolgreich umsetzen zu können. Oft wird sich ein „Zauberschlüssel mit Erfolgsgarantie“ gewünscht. Den gibt es logischerweise gerade eben nicht. Wir prüfen intensiv, welche Faktoren den aktuellen Erfolg verhindern. Das können Arbeits- und Vorgehensweisen von Mitarbeiter*innen genauso sein, wie Unternehmensprozesse und Abläufe, die Marktanforderungen nicht mehr gerecht werden. Gerade im Bereich Service und Kundenbindung ist im Handel noch viel zu tun.

Würden Sie sagen, der Handel erlebte nachhaltige Learnings mit der Pandemie und welche sind das?
Die Händler*innen, die überleben, sind deutlich agiler geworden und arbeiten intensiv an Multi-Channel-Konzepten, auch wenn sie damit zum Teil spät dran sind. Der Handel steht aus meiner Sicht vor sehr großen Herausforderungen: Flächen sind teuer, Kunden verunsichert, das Kaufverhalten an sich hat sich durch die Pandemie nachhaltig verändert: Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der sich auf die Qualität in der Beratung merklich auswirkt. Wenn ich weniger Mitarbeiter:Innen habe, muss ich diese qualitativ besser ausbilden und auf Situationen wie „Mehrfachberatung“, Umgang mit vermeintlich schwierigen Kunden, Serviceorientierung und Kundenerlebnis besser vorbereiten und schulen. Hierbei ist eine klare Unternehmens-Philosophie auch und gerade nach innen zwingend erforderlich. Diese sollte dann nicht nur auf einer schönen Folie stehen, sondern vom gesamten Unternehmen mit Leben gefüllt und nach außen transportiert werden. Diesen Veränderungsprozess unterstützen wir aktiv mit unserer jahrzehntelangen Expertise sowie mit konkreten Tools und Vorgehensweisen. Die Strategie muss stimmen!

Erleben wir jetzt die vielzitierte „Neue Stunde Null“ oder machen viele einfach da weiter, wo sie im März 2020 aufgehört haben?
Ein „Weiter so“ wird und kann es nicht geben. Die Welt hat sich verändert und verändert sich dramatisch weiter. Entweder ich (ver-)ändere mich als Händler:In aktiv selbst oder ich werde verändert – im schlimmsten Fall mit entsprechenden wirtschaftlichen Konsequenzen.

In den letzten beiden Jahren profitierte quer durch fast alle Branchen der Onlinehandel, allen voran Amazon. Nun scheinen die Zahlen auch hier zu stagnieren.
Das ist richtig und dennoch stellt sich die Frage: „Was kann der „normale“ Händler von Amazon lernen? Amazon funktioniert unfassbar gut – ob man Amazon jetzt mag oder nicht. Vieles läuft schneller, als im klassischen Einzelhandel und ist unabhängiger von externen Einflussfaktoren. Schauen wir aufs Thema Service: Haben Sie schon mal was bei Amazon reklamiert? Da wird nicht „rumgezickt“, das wird sofort kulant geregelt. Oder vergleichen Sie die Web-Oberfläche mit der klassischer Offline-Fachhändler. Da gibt es große Unterschiede was Einfachheit, User-Experience und Klarheit betrifft. Auch als Einzelhändler*in muss ich mich permanent „neu erfinden“, um die eigenen Stärken zu nutzen und meine Kunden eng an mich zu binden.


„Ein „Weiter so“ wird und kann es nicht geben. Die Welt hat sich dramatisch verändert“

Andreas Oberländer


Und was kann er vielleicht sogar besser machen als Amazon?
Amazon kann nicht lächeln – die Menschen im Einzelhandel schon. Gerade im persönlichen Kontakt liegt die große Chance des Einzelhandels. Hinzu kommt, dass der Fachhandel beratungsintensive und komplexe Produkte besser vermarkten kann. Die Verkäufer:Innen bekommen eine direkte Kundenreaktion, mit der gearbeitet werden kann. Waren können direkt in Augenschein genommen werden. Produkte und Services werden greifbar.
Wenn ich meine Mitarbeiterinnen gezielt auf diese Themen schule und die richtigen Verhaltensweisen trainiere, kann ich mich als Einzelhändlerin abheben und auch weiterhin sehr erfolgreich sein. Dazu brauche ich natürlich das richtige Personal und auch hier haben sich die Ansprüche verändert. Ein erfolgreiches Unternehmen bildet eben nicht nur ausgezeichnet aus, sondern schafft auch optimalen Rahmenbedingungen, die unter anderem eine zielgerichtete Life-Work-Balance ermöglichen, die im Handel nicht immer leicht zu erreichen ist. Der Handel muss auch als Arbeitgeber wieder attraktiv(er) werden!

Durch eine fortschreitende Vertikalisierung tritt die Industrie mehr und mehr in Konkurrenz zum Handel. Kann das auch ein Miteinander sein und wie könnte das aussehen?
Die entscheidende Frage für mich ist: WARUM macht die Industrie das? Meine Antwort:

  1. Durch die Befürchtung von Pleitewellen versucht die Industrie, die Infrastruktur (im Handel) zu halten. Es ist an Kunden:Innen schwer vermittelbar, 50 km zu fahren, um sich ein Produkt anzuschauen, weil in näherer Umgebung kein passender Händler mehr da ist.
  2. Weiter hat die Industrie Sorge, dass der Handel die Veränderung möglicherweise nicht selbst hinbekommt und versucht die Lücke zu füllen.
    Um Industrie und Handel gemeinsam erfolgreich zu machen, braucht es auf der einen Seite klare Abgrenzungen und auf der anderen Seite gemeinsame Strategien. Ob hierzu beide Seiten bereit sind, wird sich zeigen.

Viele reden vom phygitalen Einkaufen. Gibt es eine friedliche Ko-Existenz von On- und Offline? Was meinen Sie?
Beide Vertriebswege gibt es und wird es weiterhin geben. Die Frage ist: Nutzt der Einzelhandel beide Kanäle sinnvoll und professionell, oder habe ich einen Alibi-Aufritt mit semi-professionellen Onlineshop? Kann ich mich als Händer*in und Marke so positionieren, dass meine Kunden*innen gerne (mehr) bei mir einkaufen oder ist der Klick auf die großen Online-Plattformen dann doch bequemer? Mitentscheidend ist auch hier wieder, wie ich mit dem persönlichen Kontakt umgehe und meine Kundenbindung von Offline auch ins Online – meinen Webshop – überführen kann.

Kommen wir zu konkreten Beispielen: In fast allen Branchen ist der Handel mit Preissteigerungen konfrontiert, die er an Kunden weitergeben muss. Das ist nicht einfach in einer Zeit, in der wir alle aufgrund der Energiekrise mit sinkenden Nachfragen rechnen. Was raten Sie? Wie kann man sich auf solche Verkaufsgespräche vorbereiten und sie vielleicht sogar zu einem positiven Ende bringen?
Wenn ich einfach nur die Zahl auf dem Preisschild erhöhe, wird es schwierig. Händler*innen sollten sich die Frage stellen, wie sie durch Zusatzleistungen, intensiveren Service, bessere (sympathischere?) und zielgerichtete Beratung diesen Mehrpreis auch mit Leistung rechtfertigen können. Das Motto lautet: Raus aus der Vergleichbarkeit! Bei uns fragen Kunden verstärkt nach Themen wie Deeskalation, Resilienz, empathisches Verhalten, weil klar ist, dass diese Kundenszenarien in naher Zukunft kommen. Hierzu müssen Verkäufer*innen und manchmal auch das Management entwickelt werden.

yourwayup.de