Postfaktisches Halali – Ökotest zieht blank

13. Januar 2017, 13:42

Es ist eine schöne Tradition, alljährlich in der Vorweihnachtszeit Spielware zu testen. Daran ist grundsätzlich nichts Verwerfliches, vor allem, wenn dies politisch korrekt geschieht. Wenn sich allerdings Tester notorisch „grenzwertig“ verhalten und – wie aktuell geschehen – verbal entblößen wie die Kollegen von Ökotest via Facebook und im Leitartikel, wird‘s peinlich.

Herr Prof. Dr. Kreile, mit dem reißerischen Aufmacher „Marke oder Makel“ eröffnete die Zeitschrift Ökotest im November 2016 die Toy Hunting Season. „Alle Jahre wieder“ werden Unternehmen/Marken der Spielwarenbranche von Testinstituten an den Pranger gestellt. Die Testverfahren sind intransparent, die Richtwerte orientieren sich weder an den gesetzlichen Vorgaben, noch an den Standards. Wie beurteilen Sie als Rechtsanwalt diese gezielte Verbraucherverunsicherung, die offensichtlich darauf abzielt, in der Vorweihnachtszeit Quote zu machen? 
Der harte Konkurrenzkampf im Zeitschriftenmarkt zwingt alle Publikationen dazu, mit Überschriften Aufmerksamkeit zu erregen. Je seriöser eine Zeitung ist, desto klarer ist sie in der Aussage, ohne reißerisch wirken zu müssen. Da auch Verbraucherzeitungen im Wettbewerb um die Gunst der Leser stehen, zeigt sich immer wieder, dass diese die Grenzen der rein sachlichen Information überschreiten wollen, um beim Leser Aufmerksamkeit zu erzeugen. Neben den Überschriften kommt es entscheidend darauf an, dass die Untersuchungen neu-tral, sachkundig und im Bemühen um objektive Richtigkeit vorgenommen werden. Dies hat der Bundesgerichtshof in mehreren Urteilen klargestellt, wenngleich Testern ein Entscheidungsfreiraum bezüglich der Angemessenheit der Prüfungsmethoden, der Auswahl der Testobjekte und der Darstellung der Untersuchungsergebnisse zusteht. Bewusste Fehlurteile und Verzerrungen oder falsche Schlüsse aus zweifelhaften Prüfmethoden sind unzulässig. Der Verbraucher muss sich darauf verlassen können, dass die Testergebnisse objektiven Maßstäben gerecht werden; tun sie dies nicht, werden die Verbraucher hinters Licht geführt.

Es gab laut Verband der Deutschen Spielwarenindustrie nach der Veröffentlichung des Artikels keinerlei Reaktionen Verbraucherseits, auch von politischer Ebene gab es keine Rückfragen. Die Medien ignorierten den Beitrag komplett. Es scheint angekommen zu sein, dass derlei „Testergebnisse“ nicht das Papier wert sind, auf das sie gedruckt sind. Würden Sie als Rechtsanwalt vor diesem Hintergrund den betroffenen Unternehmen raten, die Sache auf sich beruhen zu lassen, denn die Öffentlichkeit scheint ja aufgeklärter zu sein als vor ein paar Jahren oder sollte ein Exempel statuiert werden wie es seinerzeit Ritter Sport gemacht hat?
Wenn Testergebnisse objektiv falsch sind, sie also gravierende Fehlurteile deswegen darstellen, weil die Prüfmethoden objektiv falsch sind oder bewusst Verzerrungen ohne sachlichen Grund vorgenommen worden sind, empfehlen wir Unternehmen, hiergegen vorzugehen. Andererseits ist der Verbraucher auch nicht „testhörig“. Er weiß sehr wohl, dass vielen Tests eine Meinungsäußerung des Test-Heftes zugrunde liegt und er weiß auch, dass mitunter mit diesen Artikeln Aufmerksamkeit erregt werden soll, jedoch die Testanalyse bei näherem Hinsehen als dann doch übertrieben erscheinen mag. Bei der Vielzahl von Testzeitschriften und den insoweit durchgeführten Tests gibt es nur ganz wenige Fälle, in denen ein breites Medienecho folgt. Insofern empfehlen wir Unternehmen in vielen Fällen, die Sache auf sich beruhen zu lassen, weil im Falle eines rechtlichen Vorgehens die Gefahr besteht, dass die negative Presseberichterstattung weitergeführt wird. Oft liegen zwischen der Veröffentlichung eines Artikels und der Durchsetzung eines gerichtlichen Unterlassungsanspruches mehrere Wochen und Monate. In dieser Zeit bleibt das Thema dann aktuell und das schadet einem Unternehmen mitunter noch mehr.

Gehen wir einmal weg vom rein faktischen Inhalt des Beitrags und kommen wir zum Editorial des „Kollegen“. Hier ist augenscheinlich, dass seitens Ökotest versucht werden soll, den Verband der Deutschen Spielwarenindustrie, allen voran den Geschäftsführer Ulrich Brobeil, persönlich zu verunglimpfen. Offenbar missfällt es Ökotest, dass der Verband Maßnahmen ergriffen hat, um seine Mitglieder bereits im Vorfeld vor einer unseriösen Berichterstattung zu schützen und konzertiert dagegen vorzugehen. Die Wortwahl im Leitartikel ist an sich ein Armutszeugnis für einen rechtschaffenen Journalisten, nun kann man als Betroffener so etwas einfach elegant ignorieren – was schert’s die Eiche, wenn … –, dennoch wäre Ihre Einschätzung der Rechtslage interessant …
Presse darf Kritik üben, auch an Personen. Die Kritik findet jedoch dort ihre Grenze, wo Personen verunglimpft werden; die sogenannte Schmähkritik ist unzulässig. Ob man gegen Schmähkritik gerichtlich vorgeht, ist eine Frage der persönlichen Einstellung. Bei Personen des öffentlichen Lebens ist die Schwelle, bei der man gegen wertende Äußerungen in der Form der Schmähkritik vorgeht, höher als bei unbekannten Privatpersonen. Es gehört zu der journalistischen Auseinandersetzung, Kritik entgegenzunehmen. Unternehmen stehen durch offensive Pressearbeit, zum Beispiel in sozialen Netzwerken und durch Presseerklärungen, entsprechende Reaktionsmöglichkeiten zu.
 

Prof. Dr. Johannes Kreile ist Rechtsanwalt in München und Partner bei Noerr LLP.