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Platz zum Glücklichsein – Sehnsuchtsort Skandinavien

2. Januar 2019, 13:35

„Schau dich hier um und dann in dich hinein – denn jeder braucht ‘nen Platz zum Glücklichsein. Wir laden dich und deine Leute ein, um heute da zu sein, wo man sich liebt: in der Stadt, die es nicht gibt.“ (Die Fantastischen Vier)

Rückzugsorte in Zeiten der Hektik, selbst kontrollierbare Sicherheit, wo äußere Umstände nicht mehr beeinflussbar und mit unsicherer Zukunft scheinen – was man in den 2000ern „Cocooning“ nannte, hat heute eine soziale Komponente dazugewonnen: Wir sehnen uns nach Miteinander, Harmonie, Gleichheit, Genuss und einer neuen Wir-Kultur. Soziale, aber auch ästhetische Wärme. „Hygge“ wird das Stillen dieses Verlangens überschrieben. In Anlehnung an ein nordisches Lebensgefühl.
Doch weshalb projizieren wir dieses Gefühl auf Skandinavien? Ist es das Bild von weiten Seen- und Waldlandschaften, viel Natur, Jedermannsrecht und Ruhe? Ist es das von Ikea gepflegte „Du“ und das Image immer freundlicher Leute, die wissen, wie man stressfrei und zufrieden lebt? Ist es das von Astrid Lindgren geprägte, scherenschnittartig liebe Bild einer Bullerbü-Welt? In einer Zeit ohne Hektik, dafür mit Verständnis und Zeit füreinander?
Ist es das, was auch gedanklich hinter dieser Lindgren-Welt steht, und was die Autorin vor nunmehr 40 Jahren so eindringlich gefordert hat – eine Welt des friedlichen Miteinanders und die Achtung von Kindern und deren Bedürfnissen? Sind es erzieherische Ansätze wie die des dänischen Familientherapeuten Jesper Juul, der eine kooperative und respektvolle Kindererziehung propagiert, und dafür gefeiert wird?

All diese Aspekte gehören mit Sicherheit dazu, vor allem wenn es um „Hygge“ im Familienbereich geht: familiäre Gemeinschaft, Achtsamkeit, Empathie und Anerkennen der Individualität von Kindern. Werte, die in Skandinavien hoch gehalten werden und auch bei uns aus reformpädagogischen Konzepten bekannt sind. Auch die hiesigen reformatorischen Ideen haben Konjunktur. Das gefühlt überkommene staatliche Schulsystem wird mehr und mehr von freien Schulen und reformpädagogischen Einrichtungen flankiert.
Übertragen auf die Produktwelt heißt das: Wohnungen und Kinderzimmer werden behaglicher. Sie sind Rückzugsorte, um zu sich selbst, aber auch zueinander zu finden. Obgleich (oder weil?) es immer mehr digitale Devices und vermeintliche Helferlein rund ums Kinder Großziehen gibt, entscheiden sich Eltern für analoge, sensorisch-sinnliche Erfahrungsräume für sich und ihre Kinder. Materialität und harmonische Gestaltung nehmen hohe Stellenwerte ein und tragen zu familiären Erfahrungsräumen bei.
Die Farbigkeit ist nie aufdringlich und strahlt Wärme und Natürlichkeit aus. Als Gegenentwurf zur schnellen, oft lauten und kühlen Umwelt. Formen sind zurückhaltend und reduziert, fast ikonisch. Dinge geben nicht vor, etwas zu sein, sie wirken geradlinig und ehrlich. Ohne Ornament, aber dennoch liebevoll und nahbar.
Bleibt zu wünschen, dass der Bezug auf familiäre Nähe und gemeinsam verbrachte Zeit nicht nur ein trendiges Lippenbekenntnis ist, sondern nachhaltig und langfristig einen Platz in der Gesellschaft findet.