PBS/Creative – Die PBS-Branche in der Digitalisierungsfalle?

13. Mai 2019, 15:44

Selbstverständlich sind die Digitalisierung und, damit verbunden, digitale Verkaufsplattformen auch in der PBS-Branche längst angekommen. Was das für das B2B- und B2C-Geschäft bedeutet, erläutert Personal- und Unternehmensberater Udo Peters.

Udo Peters ist seit 2018 Partner bei Heads 4 Solution, einer Personal- und Unternehmensberatung mit fast 20 Jahren Marktpräsenz. Seine Beratungsschwerpunkte liegen in der Konsumgüterindustrie sowie im Groß-, B2B- und Online-Handel. Im Feld der Personal-beratung deckt Heads 4 Solution das gesamte Headhunting von Fach- und Führungskräften ab. Vor seiner Beratertätigkeit war Peters in leitender Funktion bei edding, Staedtler und im Handel beispielsweise bei Lyreco tätig.

Ähnlich wie im Spielwarenbereich lassen sich Produkte für Büro, Schule und zum Basteln hervorragend im Internet verkaufen. Ein Unterschied zum Spielwarenmarkt allerdings ist, dass durch den großen B2B-Anteil der Großteil in Deutschland immer noch über den Fachhandel verkauft wird. Anders als bei den Spielwaren sind viele Produkte an sich nicht kreativ und bieten oft nur Funktion. Sei es beim Ordner, einem Stift oder Papier – der emotionale Wert ist, falls überhaupt vorhanden, hauptsächlich über die damit verbundene Marke existent.
Trotz des seit Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Booms, verbunden mit steigender Anzahl an Büroarbeitsplätzen in Deutschland, geht der Bedarf an Büromaterial im B2B-Bereich kontinuierlich zurück. Denn durch die zunehmende Digitalisierung im Büro wird weniger gedruckt und offline archiviert, inzwischen wird vorwiegend auf dem Tablett oder Monitor bearbeitet. Es ist deutlich einfacher, kosten- und platzsparender sowie komfortabler, Dokumente und Unterlagen digital zu archivieren. Die Digitalisierung setzt sich dort in den Prozessen durch, wo Effizienz eine wichtige Rolle spielt. Und das ist in der B2B-Welt nun einmal der Fall. Auf der anderen Seite gibt es den B2C-Kanal, der ebenfalls stark im Umbruch ist. Zwar ist auch dieser von der Digitalisierung betroffen, unterm Strich allerdings sogar erstaunlicherweise positiv.
Jede Bewegung löst irgendwann eine Gegenbewegung aus. Digitalisierung er-zeugt Geschwindigkeit und enorme Möglichkeiten, an Daten und Informationen zu kommen und gleichzeitig schafft sie dann auch eine Erwartungshaltung der schnellen Reaktion. Was in der Wirtschaftswelt erstrebenswert ist, ist es aber nicht unbedingt im privaten Bereich. Permanente Erreichbarkeit ist anstrengend und der Bedarf nach Pausen und Erholung wächst.
So boomten auf einmal Malbücher für Erwachsene, welche dann stundenlang kleine Flächen in großen Bildern ausmalten – bis dahin unvorstellbar! Es entstand ein Milliardengeschäft. Stifte- und Malbuchhersteller sowie der anhängende Handel haben in dieser Zeit davon enorm profitiert. Nicht nur der Umsatz stieg stark, sondern auch die Margen. Die Entwicklung ging zu immer hochwertigeren Materialien und größeren Verpackungen und der Kunde war bereit, hierfür tief in die Tasche zu greifen.

In den vergangenen fünf Jahren waren die Hersteller von Stiften aller Art durch das Erwachsenenmalen in eine Situation geraten, die es bislang in der PBS-Branche noch nicht gegeben hatte. Die gestiegene Nachfrage führte dazu, dass nicht schnell genug produziert werden konnte, um den gesamten Bedarf zu decken. Solch einen Hype gab es zuletzt im Kreativmarkt vor über 25 Jahren, als Window-Color einen ähnlichen Boom auslöste. Den gleichen Effekt sieht man auch in anderen Freizeitbereichen, beispielsweise beim Fahrradmarkt in Deutschland, der seit Jahren boomt. Und auch hier geht es um Zeit für sich selbst, Bewegung, frische Luft, Herausforderungen, Erfolgserlebnisse und Selbstverwirklichung – kurz um Ruhe und Entschleunigung.
Was selbstverständlich auch die B2C-Kanäle im PBS-Markt stark bewegt, ist die Verlagerung der Umsätze in die digitalen Verkaufsplattformen. Hier laufen die Profis im E-Commerce dem stationären Handel den Rang ab, wenn dieser seine Kundschaft nicht mit besonderen Leistungen bindet. Wer im Handel Multichannel spielen möchte, muss seine komplette Organisation auf den Prüfstand stellen. Es reicht nicht, ein paar Experten für den Online-Shop einzustellen und diese losgelöst vom restlichen Unternehmen agieren zu lassen. Die Anforderung im E-Commerce-Geschäft sind deutlich höher und berühren sämtliche Abteilungen im Unternehmen. Von der Produktdarstellung, der Preisflexibilität, der Kommunikation mit dem Kunden bis hin zur Logistik und Buchhaltung sind alle gefordert, sich in den Prozessen weiter zu entwickeln und vernetzter zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig werden Anpassungen an die Kundenbedürfnisse und an die neuen Technologien in kürzeren Abständen notwendig. Das bedeutet Schulungen für die Mitarbeiter und Einstellung neuer, erfahrener Fachkräfte. Wer sein Alleinstellungsmerkmal und seinen Mehrwert im Vergleich zu den reinen E-Commerce-Spezialisten herausstellen kann und dieses gut kommuniziert, wird eine reelle Chance haben, den Markt mitzugestalten.
Auch auf die Hersteller kommt einiges zu. Der klassische Einzelhandel verliert Marktanteile und die Abhängigkeit von wenigen immer größer werdenden Online-Kunden steigt. Wo Amazon heute noch ein großer Wachstum- und Margenbringer ist (das ist im PBS-Markt tatsächlich noch der Fall), wird es in ein paar Jahren, wie in anderen Branchen bereits geschehen, die Nachfrage steuern und die Preise und damit Erträge diktieren. Zudem ist Amazon mittlerweile selbst Marke und ersetzt Produkte mit reiner Funktion oft durch seine Eigenmarke. Hersteller wie Handel benötigen also eine Strategie, wie die definierten Zielgruppen erreicht werden können. Hierzu muss man nah am Kunden sein, seine Sprache sprechen, eine persönliche Bindung aufbauen und halten, Anforderungen am Markt frühzeitig wahrnehmen und die richtigen Maßnahmen daraus ableiten. Also eigentlich also genau das tun, was im Vertrieb immer schon wichtig war, um erfolgreich zu sein: den Fokus auf den Kunden haben, den Markt beobachten und sich vom Wettbewerb differenzieren. Diese entscheidende Frage sollte man immer beantworten können: Warum sollte der Kunde ausgerechnet bei mir kaufen? Wenn diese Kernaufgaben erledigt sind, braucht die Unternehmensleitung ein Rezept, wie die ganze Organisation in die Lage gebracht wird, flexibel und schnell auf Marktveränderungen reagieren zu können. Das bedingt Mitarbeiter und Führungskräfte, die über eine große Kundenorientierung verfügen, sich permanent weiterentwickeln und in abteilungsübergreifenden Teams arbeiten können. So wird das altbekannte Abteilungs-Denken zum Auslaufmodell und die Firmenkultur, die über Jahre gut funktioniert hat, muss zumindest neu überdacht werden.