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Neues Leben für alte Pullis

27. Mai 2022, 10:50

Aus alt mach neu – nach diesem Motto hat sich Janine Fränzel einen Traum erfüllt und mit der Gründung von Jawoll Baby den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt.

Nähen war für Janine Fränzel, 34, schon immer eine große Leidenschaft. Aus dem Wunsch nach nachhaltiger Kleidung für ihr Kind ist dann die Idee für ihr Start-up Jawoll Baby entstanden. Den Anstoß gab ein löchriger Kaschmir-Pullover ihrer Mutter, aus dem sie die erste Babyhose schneiderte. Die gleiche Wiedergeburt erlebte ein alter Wollpulver, den Janine Fränzel neben einem Kleidercontainer gefunden hatte. Langsam entstand so die Idee, eine ohnehin angestrebte Selbstständigkeit mit dem Upcycling-Gedanken und ihrer Leidenschaft fürs Nähen zu verbinden. Den letzten Ausschlag und die Motivation, das Thema Selbstständigkeit konkret anzu-gehen,war die Kündigung in ihrem alten Job direkt nach der Elternzeit. Fit für ihren Schritt in die Selbstständigkeit machte sie dann schließlich ein „Coaching vor der Gründung“ durch die ZGS. Bis heute ist eine Coachin an ihrer Seite.
Eine Ausbildung zur Schneiderin hat Ja-nine Fränzel nicht gemacht, sie ist Autodidaktin. Doch schon als Kind konnte sie sich fürs Schneidern begeistern und hat ihre Barbies eingekleidet. Außerdem leitete sie jahrelang eherenamtlich einen Nähkurs mit Kindern. Die Schneiderei scheint ihr aber auch in den Genen zu liegen. Ihr Ur-Ur-Opa war Uniformschneider, ihre Oma Herrenmaßschneiderin. Kleidung war auch ein Thema ihrer Master-Arbeit für den Abschluss in Kunstgeschichte. Übung macht den Meister – nach dieser Devise hat sich Janine Fränzel auf ihre Selbstständigkeit vorbereitet. Profitiert hat ihr gesamter Freundeskreis, der großzügig mit Kindersachen versorgt wurde – bis sie die Sicherheit hatte, mit der Qualität an den Markt gehen zu können. Im Frühjahr 2021 kam dann endlich die Gründung von Jawoll Baby.

„Upcycling sollte ein Teil
des Konsums der
Zukunft sein.“

Janine Fränzel

Mittlerweile wird das Upcycling-Projekt von Janine Fränzel sehr gut angenommen, das Feedback ist durchweg positiv. Die Eltern schätzen an der Wollkleidung für ihre Kinder, dass sie atmungsaktiv und temperaturregulierend ist und sich fast von selbst reinigt. Und im Gegensatz zu neu produzierten Wolltextilien verursachen die upgecycelten Produkte von Jawoll Baby weder Tierleid noch belasten sie die Umwelt. Stattdessen werden vorhandene Rohstoffe nachhaltig weiterverwendet und die Kundeinnen genießen die Vorteile der Eco Wolle und tun dabei gleichzeitig etwas Gutes für den Planeten. Alle Kleidungsstücke, die Janine Fränzel über den Online-Shop Etsy vertreibt, bestehen aus 100 Prozent Wolle oder Kaschmir beziehungsweise Kaschmir-Seide-Mischungen. Es gibt Baby-Kleidung ab Geburt wie Hosen, Mützen, Schuhe oder Baby-Sets, für ältere Kinder werden Outdoor-Hosen, Wollhosen und Accessoires angeboten. Zielgruppe sind vorrangig Mütter, die den Nachhaltigkeitsgedanken mittragen und honorieren. Denn das Preis-Leistungs-Verhältnis der Babykleidung, die Janine Fränzel im Moment noch ausschließlich selbst näht, sollte sowohl für sie selbst als auch für ihre Kundinnen fair sein. „Kleidung, die fair und nachhaltig in Deutschland produziert wird, stellt eine Alternative zur Fast Fashion dar und MUSS mehr kosten. Denn irgendwo auf der Welt zahlt immer jemand den Preis für ein billiges Kleidungsstück. Meine Zielgruppe weiß das und wählt bewusst diese Alternative.“
In Sachen Material für ihre Produkte arbeitet Janine Fränzel eng mit dem Textilhafen der Berliner Stadtmission zusammen. Die Kleidung, die an Obdachlose gespendet wird, wird dort in der zentralen Sammelstelle sortiert. Kleidungsstücke, die nicht getragen werden können, wandern in den Materialpool, aus dem Janine Fränzel beschädigte Pullover für ihr Upcycling zum Kilopreis aufkauft. Mit ihrer mittlerweile großen Erfahrung kann sie die unterschiedlichen Materialien auch gut einschätzen. Ziel ist es immer, von einem Pullover so viel wie möglich zu retten. Aus einem großen Herrenpullover beispielsweise entstehen, wenn es gut läuft, am Ende zwei Hosen und drei Mützen. Kleinste Reste verkauft sie als Flicken und Bastelmaterial oder spendet es an Kitas und andere Designer.

„Fair und nachhaltig produzierte Kleidung MUSS mehr kosten.“

Aus Sicht von Janine Fränzel sollte Upcycling definitiv ein Teil des Konsums der Zukunft sein. Ein wichtiger Eckpfeiler seitens der Industrie wäre dabei die Entwicklung neuer Technologien bei der Herstellung und beim Recycling. Aktuell können Kleidungsstücke aus Mischfasern nicht recycelt werden. Auf jeden Fall müsse man die Flut an Fast Fashion stoppen, sagt sie. Das bedeute, auch Konsument*innen müssen zum Umdenken bewegt werden. Ihre Hoffung liegt auf einem Gegentrend zu Fast Fashion, bei dem Kleidung Wertschätzung durch lange Tragedauer, Pflege und Reparatur erfährt.
Trotz ihres momentanen Erfolges möchte Janine Fränzel sich und ihr Business auch in den kommenden Jahren weiterentwickeln. Dass sie durch ihre Selbstständigkeit die Geschwindigkeit selbst bestimmen kann, sieht sie als großes Privileg. So kann sie sich immer wieder aufs Neue fragen: „Wo will ich hin? Was macht mich glücklich?“ Denn nur Zufriedenheit gibt ihr die Energie und Kreativität, Jawoll Baby weiterzuentwickeln. Ein wichtiger Schritt dazu sind die frisch konzipierten Workshops, in denen sie gemeinsam mit Eltern Babykleidung aus deren beschädigten Wollpullovern näht und sie somit befähigt, umweltschonend und quasi kostenlos Kleidung für ihr Kind herzustellen.

In Mützen, Schuhen und Baby- und Outdoorhosen finden alte ausgemusterte Wollpullover ihre neue Bestimmung

Zum Ende dieses Jahres hätte Janine Fränzel gerne ein Ladengeschäft zurZwischennutzung, um herauszufinden, ob dieser Bereich eine Option für sie wäre oder sie lieber wie bisher mit anderen Geschäften zusammenarbeitet. Da sie aktuell ihre Produkte über Etsy vertreibt, steht auch die Verwirklichung einen eigenen Onlineshop als zweites digitales Standbein noch im Laufe dieses Jahres auf der Wunschliste. Außerdem würde sie gerne in Form einer Wiedereingliederungsmaßnahme in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Näherinnen einstellen, um ein größeres Produktionsvolumen erzielen zu können. Auf jeden Fall möchte sie aber viele Wollpullover retten, damit viele Jawoll Babys einkleiden und so für mehr Nachhaltigkeit in den Kinderkleiderschränken sorgen.

jawollbaby.de