Messen – Nachbericht Kind + Jugend Re-Start Edition 2021
Vom 9. bis 11. September fand die Kind + Jugend in Köln statt – das erste Mal seit Pandemiebeginn. Dazu lässt sich nur sagen: „Messe is back“! Zwar nicht mit einem lauten Knall, dennoch war es ein Signal, das in der Branche deutlich hörbar war und für Resonanz sorgte.
Die Erwartungen an die Kölner Weltleitmesse für Baby- und Kleinkindausstattung waren im Vorfeld gemischt. So richtig konnte sich niemand dieses renommierte Event reduziert auf eine Messehalle vorstellen. Doch auf den ersten Blick wirkte in Halle 10.2 alles wie immer. Große Stände wie die von Thule und Lässig fielen sofort ins Auge ebenso wie die Präsenzen von JH-products und Sterntaler, mamalila, everearth und einigen Erstausstellern mit absolut sehenswerten Produkten, darunter ASA Selection und müsli by Green Cotton. Folgte man den Gängen in Richtung der gegenüberliegenden Hallenseite wurde es ruhiger, kleiner und weniger bekannt, jedoch nicht weniger sehenswert. Noch ein Stück weiter bot das Trendforum und die dahinter liegende Ausstellung zum Kids Design Award ein schönes visuelles Kontrastprogramm zu den bunt gemischten Messeständen vorne.
Aussteller zufrieden
Was sofort auffiel, war der Geschäftigkeit, die auf den Ständen herrschte. Zwar war die bei näherem Betrachten geringer als in Vor-Corona-Zeiten, von der befürchteten gähnenden Leere aber keine Spur. Auch die Aussteller bestätigten diesen Eindruck. So lobte Patrick Osann, Geschäftsführer beim gleichnamigen Autokindersitzhersteller, die Frequenz, mit der sein Firmenstand besucht wurde. „Wir konnten unsere Kunden sehen, und zwar nicht nur virtuell, sondern auch physisch“, beschrieb er den Messeverlauf. „Deshalb sind wir durchaus zufrieden über die gute Resonanz von Besuchern aus dem deutschsprachigen Europa und aus anderen europäischen Ländern. Vor allem war die Qualität der Besucher durchweg gut. Dieser Re-Start war für die Branche wichtig, aber auch für uns als Unternehmen.“
Auch Laure Bertrando, Deputy Head of Corporate Communications & PR bei der Lässig GmbH zeigte sich zufrieden, ebenso wie wie Vicki Marx, Geschäftsführerin von mamalila. Die Messe sei viel besser verlaufen als erwartet und man hätte viele gute und intensive Gespräche führen können. Das mag mitunter daran gelegen haben, dass Termine häufig spontan zustande kamen und Gespräche sich entwickeln konnten und nicht im 15-Minuten-Takt abgearbeitet beziehungsweise unterbrochen werden mussten.
Dass die Qualität der Fachbesucher hoch war, bestätigten die Aussteller übereinstimmend. Viele berichteten von Aufträgen, andere erwarteten ein gutes Nachmessegeschäft. In der familiären Messeatmosphäre konnten sich gerade auch kleinere Unternehmen bemerkbar machen und freuten sich entsprechend über die größere Aufmerksamkeit des Handels.
Positives Resümee der Koelnmesse
Auch die Koelnmesse zeigte sich aus Veranstaltersicht zufrieden. Laut Abschlussbericht stellten während der drei Messetage rund 150 Anbieter aus der DACH-Region, Dänemark, Polen, der Türkei und dem weiteren europäischen Ausland ein ausgewähltes Spektrum an Baby- und Kleinkindprodukten aus. Die rund 2.000 Besucher aus dem Groß-, Einzel- und Onlinehandel, davon über die Hälfte aus dem Ausland, ließen sich diese Gelegenheit nicht entgehen, um endlich wieder Informationen aus erster Hand zu sammeln, Produkte anzufassen und zu testen und vor allem auch wieder in direkten Kontakt mit den Herstellern zu treten und über Geschäfte zu sprechen und Order zu tätigen.
„Der erfolgreiche Re-Start der Kind + Jugend 2021 bestätigt, wie wichtig es war, die Messe in diesem Jahr durchzuführen. Der persönliche Kontakt und Austausch haben der Branche gefehlt, und die diesjährige Messe hat hier einen zentralen Impuls gegeben. Das sind auch sehr gute Vorzeichen für die Kind + Jugend 2022“, fasst Oliver Frese, Geschäftsführer der Koelnmesse, die drei Messetage zusammen.
Misstöne
Doch nicht alle waren glücklich mit der der Kind + Jugend 2021. Hörte man aufmerksam zu, drangen auch Misstöne aus dem Chor der Erleichterten hervor. Am häufigsten beklagt wurde die Höhe der Standpreise. Unter diesen Bedingungen auf den regulären Preis für einen Stand zu bestehen und sich unflexibel bei den Stornierungsmöglichkeiten zu zeigen, sei unverständlich äußerten sich mehrere Aussteller aus dem In- und Ausland. Es wäre kundenfreundlicher gewesen, die Standpreise zu reduzieren, so hätten auch mehr Aussteller teilgenommen, ergänzten sie. Andere hatten die Eindruck, dass die Kommunikation zwischen Veranstalter und Aussteller hätte besser verlaufen können. Schwere Erreichbarkeit, mangelnde Informationen und Transparenz bei der Hallenplanung waren hier die häufigsten genannten Beschwerdepunkte.
Diese Klagen sind einerseits verständlich, andererseits muss man die Situation auch aus Sicht des Veranstalters betrachten. Seit Beginn der Pandemie sind den Messegesellschaften weltweit nahezu alle Einnahmequellen weggebrochen und ganze Teams mussten immer wieder oder für längere Zeit am Stück in Kurzarbeit gehen. Auch eine frühe fixe Planung war schwierig, war doch lange nicht klar, in welche Richtung sich das Infektionsgeschehen entwickeln würde. Insofern blieb wenig (finanzieller) Spielraum. Dennoch ist es schade, dass so wenige große und bekannte Unternehmen zumindest aus dem deutschsprachigen Raum mit einem Stand vertreten waren, zumal nicht wenige Hersteller bestätigen, wirtschaftlich bisher stabil durch die Krise gekommen zu sein. Letztendlich ist es für uns alle die erste Pandemie und die Entscheidungsfindung für oder wider die Teilnahme an einer Großveranstaltung unter noch immer unsicheren Rahmenbedingungen ist komplex und wird von ganz individuellen Aspekten innerhalb eines Unternehmens gesteuert. Umso schöner war es, Aussteller mit Mut und Herz zu erleben, die voller Begeisterung ihre Besucher*innen empfingen.
Kind + Jugend @home
Ein Novum gab es in diesem Jahr: Zum ersten Mal realisierte die Koelnmesse mit der Kind + Jugend 2021 ein hybrides Messekonzept. „Die Ergänzung der physischen Messe durch das digitale Format Kind + Jugend @home konnte sich vom Start weg sehr gut etablieren und bietet für die Zukunft noch viel Potenzial“, sagte Oliver Frese.
So bildete die Plattform Kind + Jugend @home alle ausstellenden Unternehmen mit ihren Produkten ab. Darüber hinaus konnten virtuelle Messebesucher*innen von hier aus auch auf das informative Eventprogramm des TrendForums zugreifen. Zudem bot sich hier die Möglichkeit mit anderen Teilnehmer*innen in Kontakt zu treten und zu networken. Die Kind + Jugend @home steht noch bis Ende Oktober 2021 zur Verfügung. Für Tickets können sich Interessenten auch jetzt noch kostenlos registrieren und haben danach Zugang zu allen Inhalten.
Kind+Jugend 2021 in Zahlen
An der Kind + Jugend 2021 beteiligten sich 149 Unternehmen aus 24 Ländern, davon 85 Prozent aus dem Ausland. Darunter befanden sich 22 Aussteller aus Deutschland ohne zusätzlich vertretene Unternehmen sowie 127 Aussteller aus dem Ausland. Schätzungen für den letzten Messetag einbezogen, wurden zur Kind + Jugend 2021 rund 2.000 Besucher aus 59 Ländern gezählt. Der Auslandsanteil der Fachbesucher lag bei 56 Prozent.*
Trendforum
„Quo vadis, Babybranche?“, war die Frage, die die Teilnehmer*innen der Talkrunde „Babybranche im Wandel“ am Morgen des ersten Messetages versuchten zu beantworten. 1st Steps Redakteurin und Moderatorin Astrid Specht hatte hierfür drei Branchenvertreter*innen eingeladen, um Antworten aus Sicht des Handels, der Hersteller und von einer Kommunikationsexpertin zu erhalten. Zum Panel gehörten Patrick Osann, Geschäftsführer des Kinderautositzherstellers Osann, Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln und Tomma Rabach, Geschäftsführerin von rabach kommunikation.
Zunächst warfen die Gäste einen Blick zurück, um die Veränderungen seit Pandemiebeginn widerzuspiegeln. Hier berichtete Patrick Osann wie er gleich am Anfang des ersten Lockdowns im März 2020 seiner gesamten Belegschaft zusagte, dass ihre Arbeitsplätze und Gehälter trotz geschlossenem Babyfachhandel sicher wären. Zudem rief er alle Mitarbeitenden dazu auf, eine Vision für das Unternehmen nach der Pandemie zu entwickeln. Durch diese Haltung und diese Perspektive fühlte sich das Team gestärkt und konnte kreative Energien freisetzen, die genutzt wurden, um eine digitale Vertriebsstrategie auf den Weg zu bringen, die den Handel mit einbezog. So wurde dieser durch Drop-Shipment-Lösungen und kulante Zahlungsmodalitäten unterstützt.
Aus Dr. Hudetz’ Sicht hat der Handel vor allem während des ersten Lockdowns viel dazugelernt. Einige hätten im Zuge dessen in Digitalisierung investiert, alle verfügbaren Kommunikationskanäle geöffnet und auch Veränderungen im Sortiment vorgenommen, so der Handelsexperte. Insgesamt sei spürbar gewesen, dass viele Händler Schritte unternommen hätten, um dem Kunden näher zu sein und ihn besser zu verstehen. Das gäben auch die Zahlen wider, so Hudetz, allerdings seien diese Verschiebungen schnell und volatil. Wichtig wäre für den Handel im Auge zu behalten, dass Convience, also Bequemlichkeit, und Einfachheit für Verbraucher immer wichtiger würden. Weil Kunden Ware immer häufiger online bestellten und nach Hause liefern ließen, müsste der Handel in Zukunft andere Anreize bieten als einfach nur Produkte ins Regal zu stellen. Hier könne der Handel mit Service, Beratung und Erlebnis punkten.
Tomma Rabach stimmte dem zu und gab zu bedenken, dass sich Kunden ihre Produkt-Informationen immer häufiger im Netz suchten – wobei Social Media und Influencer*innen eine immer größere Rolle spielten. Um dieser Entwicklung mitzugestalten, könnten Hersteller und ihre Handelspartner sich zusammentun und gemeinsame Kommunikations- und Marketingkonzepte entwickeln, die den Kunden an den verschiedensten Touchpoints abholen und so deren Bedürfnisse erfüllen. Wichtig wäre dabei darauf zu achten, dass Online- und Offline-Konzept zusammenpassten und authentisch seien – zum Beispiel was Ansprache, Testimonials oder gegebenenfalls die Wahl eines/einer Influencers/Influencerin beträfe. „One size fits all“ würde hier nicht greifen, sondern diese Konzepte müssten immer ganz individuell entwickelt und angepasst werden. In Zukunft würde es für Hersteller, aber auch für Händler immer wichtiger werden, nah am Kunden zu sein, Gesicht zu zeigen und Mehrwerte über das reine Produkt hinaus zu bieten, so Tomma Rabach.
Welche spannenden Aspekte noch besprochen wurden, zeigt der Mitschnitt der Talkrunde auf der Plattform Kind + Jugend @home. Dort gibt es auch jeden Menge andere spannende Vorträge und Keynotes zu aktuellen Themen, die die Branche bewegen bis Ende Oktober zu sehen.
Der Blick nach vorn
Corona ist noch nicht vorüber. Wie es mit der Babybranche weitergeht, hängt größtenteils davon ab, wie sich das Infektionsgeschehen im kommenden Herbst und Winter und auch die Impfkampagne nicht nur in Deutschland, sondern weltweit entwickelt. Das hat wiederum indirekten Einfluss auf die Verfügbarkeit und Preise von Rohstoffen, aber auch auf die aktuellen Herausforderungen in der Logistikbranche. Die Pandemie wird zudem weiterhin als Beschleuniger auf bereits bestehende Prozesse einwirken allen voran die Vertikalisierung und die digitale Transformation, was strukturelle Verschiebungen im Handel mit sich bringt.
Letztendlich wird es weitergehen. Anders zwar, aber Babys müssen auch in Zukunft mit entsprechenden Produkten versorgt werden. Wo diese ge- beziehungsweise verkauft werden, ob online oder im Laden, das haben Industrie und Handel jetzt in der Hand. Jetzt ist die Zeit, diese virtuellen und/oder analogen Konzepte gemeinsam zu entwickeln und zu gestalten. Und was Messen betrifft – diese werden auch in Zukunft Orte sein, virtuelle und analoge, an denen sich Hersteller und Händler begegnen, um sich über relevante Themen, Produkte und Innovationen auszutauschen. Den Anfang hat die Kind + Jugend mit ihrer Re-Start Edition 2021 gemacht – mit Erfolg.
* Alle Zahlen sind nach den Richtlinien der Gesellschaft zur Freiwilligen Kontrolle von Messe- und Ausstellungszahlen (FKM) berechnet (fkm.de).