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Let’s get digital!

31. August 2022, 16:44

Vor Corona durften Hebammen Schwangere ausschließlich persönlich betreuen. Seit der Pandemie ist das anders. Wie viele Branchen hat auch dieser traditionelle Beruf einen Schritt in Richtung Zukunft gewagt und darf jetzt bestimmte Services auch online anbieten. Was das für die Branche und für schwangere Frauen bedeutet, erfuhr Astrid Specht im Gespräch mit Dr. Matthias Kuss, CEO der Tyme Group, die einer Hebammen-Plattform Software zur Videoberatung zur Verfügung stellt.

Herr Dr. Kuss, welche Möglichkeiten eröffnen sich durch das digitale Angebot von Hebammen für Schwangere?
Die Arbeitsbedingungen von Hebammen werden immer schwieriger: 1:1-Betreuungen sind in den wenigsten Kliniken noch möglich und Überstunden schon lange alltäglich. Hebammen, egal ob freiberuflich oder in Geburts- beziehungsweise Krankenhäusern angestellt, brauchen mehr Zeit. Gewisse Termine in den digitalen Raum zu verlegen, führt zu einer Entlastung der Hebammen, von der auch die jungen Familien profitieren. 2019 rief der Deutsche Hebammenverband e. V. in Kooperation mit der Keleya Digital-Health Solutions GmbH die Vermittlungsplattform Ammely (ammely.de) ins Leben. Dort ist eine deutschlandweite Suche nach Hebammen möglich, und dringende Fragen und Anliegen können nun durch unsere Mithilfe auch kurzfristig per Videosprechstunde geklärt werden. Besonders in Großstädten, wo ein akuter Mangel an Hebammen herrscht, kann diese Möglichkeit Schwangeren ein Stück Sicherheit bieten.

Wie funktioniert die Plattform?
Einerseits hat Keleya mit Ammely eine Hebammenvermittlung geschaffen. Frauen geben in der Suchmaske jeweils den voraussichtlichen Geburtstermin und ihren Wohnort ein. Dann kann zuerst zwischen einem sofortigen Einzeltermin oder einer Normalbetreuung und im zweiten Schritt zwischen den möglichen Leistungen und Sprachen gewählt werden. Hebammen tragen ihren Betreuungsradius, Kapazitäten sowie ihr Leistungsangebot ein. So finden die werdenden Mütter immer genau den oder die richtige Ansprechpartnerin für ihre Anliegen. An dieser Stelle kommt die Tyme Group ins Spiel. Wir zeigen, dass die Digitalisierung und insbesondere eine sichere Videoberatung auch ohne viel Eigenaufwand vonstatten gehen kann, und stellen das nötige Werkzeug zur Verfügung. Ammely nutzt zum Beispiel unsere unkomplizierte White-Label-Lösung, das heißt, wir stellen die technische Lösung für Buchungskalender, Videosprechstunde und Co. zur Verfügung, die das Portal seinen Nutzerinnen unter eigenem Namen und Design, und absoluter Datenhoheit unkompliziert anbieten kann.Da es sich im Gesundheitssektor um besonders sensible Daten handelt, haben wir entschieden, diese ausschließlich in deutschen Rechenzentren zu hosten und die Verbindung modern zu verschlüsseln, sodass die Datenhoheit immer in den Händen der jeweiligen Nutzer*innen bleibt. Darin unterscheiden wir uns auch von anderen Anbietern.

Kaum eine andere Tätigkeit ist so nah am Menschen wie die der Hebammen. Wie lässt sich dieser traditionelle Beruf mit Digitalität vereinen? Wie kann sich eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Hebamme und zukünftiger Mutter aufbauen, wenn sich beide nur am Bildschirm gegenübersitzen?
Videosprechstunden sollen den physischen Kontakt zwischen Mutter und Hebamme nicht ersetzen, sondern lediglich
ergänzen. Gewiss wird es immer Hebammenleistungen geben, die nicht online erbracht werden können. Eine physische Untersuchung, das Abtasten des Bauches, die Überprüfung der Herztöne, Massagen, Akupunktur – all diese wertvollen Services werden auch in Zukunft in direktem Kontakt stattfinden. Beratungen, das Beantworten von akuten Fragen oder Hilfestellungen bei bestimmten Schwangerschaftsbeschwerden wie Schlaflosigkeit, Aufarbeitung traumatischer Geburtserlebnisse oder allgemeiner Ängste und Befürchtungen im Zusammenhang mit der Geburt, können, wie Ammely zeigt, sehr wohl und gut digital abgebildet werden. Unserer Erfahrung nach sind viele Menschen heute auch durchaus an Besprechungen am Bildschirm gewöhnt, die Hemmschwelle, ins Gespräch zu kommen, ist kleiner geworden. Zudem sind Hebammen natürlich Profis darin, eine Verbindung zu ihren Patientinnen aufzubauen – das klappt in der Regel auch aus der Distanz gut.

Wie wird das Angebot bisher angenommen?
In meinem letzten Gespräch mit Victoria Engelhardt, CEO von Keleya, betonte sie, dass die Videosprechstunde insbesondere von Frauen genutzt wird, die keine reguläre Hebammenbetreuung gefunden haben oder auf eine Zweitmeinung angewiesen sind. Diese Situation wird auch nach der Pandemie bestehen, und das Angebot wird auch aktuell, trotz geringer Kontaktbeschränkungen, sehr stark nachgefragt.

Wie sehen Sie die Digitalisierung dieses Berufszweiges langfristig? Wird es dafür auch nach Corona noch Bedarf geben?
Ja, davon bin ich überzeugt. Wir stehen im Gesundheitssektor noch ganz am Anfang der Digitalisierung und haben viele Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft. Nur anderthalb Jahre nach dem Start von
Ammely war dort fast ein Drittel der deutschen Hebammen zu finden. Diese Tendenz wird sich fortsetzen, da es einen akuten Bedarf gibt und das Angebot der Videosprechstunde sich im gesamten medizinischen Bereich als feste Ergänzung zur physischen Beratung etablieren wird.

Die Digitalisierung im Gesundheitswesen schreitet voran. Welche anderen digitalen Beratungsangebote in der Medizin werden sich Ihrer Meinung nach in den nächsten zehn Jahren etabliert haben, und warum?
Viele unserer Kunden sind junge, fortschrittliche Unternehmen aus dem Telemedizin-Bereich, die darauf spezialisiert sind, ihre Services per Videosprechstunde anzubieten. Neben Ammely nutzt auch VetGuru (vetguru.de), ein Anbieter für tierärztliche Beratung per Videosprechstunde, unsere White-Label-Lösung. Eine weitere Branche aus dem Gesundheitssektor, die sich gerade digital neu erfindet, ist die der Apotheken. Seit Neustem kooperieren wir mit der Versandapotheke apo.com. Auch hier macht es besonders zu Pandemiezeiten Sinn, den persönlichen Kontakt durch digitale Lösungen zu ersetzen. Grundsätzlich sind wir aber allen Branchen gegenüber offen und freuen uns natürlich immer über neue Partnerschaften und Kooperationen.

Dr. Matthias Kuss, 
CEO der Tyme Group

Werfen wir zum Abschluss noch einen Blick in die Glaskugel: Entwickeln wir uns zum „Homo digitalis“, das heißt, werden wir einander bald nur noch virtuell im Metaverse begegnen. Oder ist das ein Trend, der irgendwann wieder abflaut, einfach weil „analoges“ Miteinander fest in unserer DNA verankert ist?
Ich glaube, es wird sich genau so entwickeln, wie wir es bei Ammely sehen: Der direkte, persönliche Kontakt zwischen den Menschen wird niemals komplett durch digitale Kontaktformen ersetzt werden. Die virtuelle Welt bietet jedoch eine tolle Ergänzung! Personen können per Knopfdruck über Ländergrenzen hinweg miteinander sprechen. Wir profitieren von einem permanenten Wissensaustausch und können uns gegenseitig in jeder Lebenslage zur Seite stehen, egal, wo wir gerade sind.

tyme-group.com