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Lernspielzeuge – Eine wichtige und wachsende Spielzeugkategorie im Wandel

14. Juni 2019, 13:12

Lernspielwaren stellen das am schnellsten wachsende Segment im weltweiten Spielzeugmarkt dar. Ihr Wachstum wird für absehbare Zeit jährlich im oberen einstelligen Wachstumsbereich liegen.

Tabelle 1: Vom IWF gschätztes Bevölkerungswachstum – insgesamt und im Hinblick auf die Altersgruppe der unter 15-Jährigen

Zunächst einmal muss der Begriff „Lernspielzeuge“ definiert werden, denn die geschätzten weltweiten Einzelhandelsumsätze im Jahr 2018 schwanken zwischen fünf und 25 Milliarden US-Dollar. In den 25 Milliarden US-Dollar sind all jene Spielzeuge enthalten, die aus pädagogischer Sicht einen Lerneffekt haben beziehungsweise Kindern helfen, ihre Welt zu verstehen. Dazu gehören beispielsweise Puppen, Konstruktionsspielzeug, Brettspiele, Kuscheltiere, elektronische Lernhilfen und Spielzeuge für Vorschulkinder. Die weitaus geringere Zahl von fünf Milliarden US-Dollar setzt sich zusammen aus Lernspielzeugen, wie der Einzelhandel sie definiert. Was im Regal als Lernspielzeug verkauft wird, sind alle elektronischen Lernhilfen sowie Spielzeuge für Vorschulkinder, die einen klaren Lernaspekt vorweisen. Spielzeuge wie Barbie, Lego oder eine Star Wars-Figur passen demnach nicht in diese Kategorie.
Das Wachstum im Bereich der Lernspielwaren wird von drei verschiedenen Faktoren getrieben: dem Bevölkerungswachstum der unter 15-Jährigen, einer Verbesserung der wirtschaftlichen Faktoren und dem zunehmenden Bewusstsein, dass Bildung bereits bei den ganz Kleinen ein wichtiges Thema ist. Tabelle 1 zeigt das vom IWF geschätzte Bevölkerungswachstum – insgesamt und im Hinblick auf die Altersgruppe der unter 15-Jährigen.

Heute lebt 87 Prozent der unter 15-Jährigen Bevölkerung in Wachstumsmärkten. Bis 2050 wird diese Zahl auf 89 Prozent ansteigen, da Afrika als einziger Kontinent weiterhin starkes Wachstum verzeichnet, während die Bevölkerung auf allen anderen Kontinenten gleich bleibt oder sogar schrumpft.
Was den wirtschaftlichen Einfluss an-geht, ist das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt, wie es vom IWF geschätzt wird, vermutlich der beste Maßstab. In Tabelle 2 sieht man deutlich, dass die Zahlen in den Wachstumsmärkten dynamischer sind als die der etablierten Wirtschaftsstaaten. Zudem wird in Afrika das stärkste Wachstum erwartet – wenn auch in einer kleinen Bevölkerungsgruppe.
Der dritte Faktor – das zunehmende Bewusstsein, dass Bildung bereits bei den ganz Kleinen anfängt – ist der wahrscheinlich wichtigste Impulsgeber für das Wachstum dieser Spielzeugkategorie.

Tabelle 2: Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt und jährliche Wachstumsrate (Quelle: IWF)

Tabelle 3: Ausbau der Regalflächen in den USA seit der Insolvenz von Toys‘R‘Us im Oktober 2017

In fast allen Ländern der Welt werden Spielzeuge als gute Möglichkeit gesehen, Kindern Lerneffekte zu vermitteln – über sich selbst, die Menschen und Dinge um sie herum und die Welt im Allgemeinen. Spielzeuge werden seit jeher für die Entwicklung und Bildung von Kindern eingesetzt. Das gilt besonders für Regionen, in denen Alternativen zur frühkindlichen Entwicklung rar sind oder gänzlich fehlen; Wachstumsmärkte sind dafür ein typisches Beispiel.
Chinesische Eltern legen beispielsweise sehr viel Wert auf frühkindliche Bildung und haben sehr hohe Ansprüche an Kindergarten und Vorschule. Allerdings ist die Kluft zwischen den Wünschen der Eltern und den tatsächlichen Leistungsangeboten sehr groß. Seit der Abschaffung der Ein-Kind-Politik im Jahr 2016 ist der Bedarf an Vorschulerziehung stark angestiegen und wird 2021 ihren Höhepunkt erreichen. Bis dahin werden voraussichtlich etwa 11.000 Kindergärten sowie drei Millionen Erzieher fehlen. Lernspielzeuge werden daher zunehmend als Mittel eingesetzt, um diese Lücken zu schließen.

Das ist die Situation in China, dem wohl erfolgreichsten Schwellenland. In weniger erfolgreichen Schwellenländern, in Afrika und Asien, wo keinerlei Bildungseinrichtungen für Kinder zur Verfügung stehen, ist die Situation deutlich ernster. Spielzeuge – egal ob gekauft oder selbstgemacht – werden immer öfter als Ersatz für fehlende Bildungseinrichtungen gesehen.
Die Anzahl an Herstellern, die diesen großen und weiterwachsenden Markt bedienen, ist riesig; jedoch stechen zwei Unternehmen besonders hervor – VTech und Mattel. Der Lernspielzeuge-Markt wie wir ihn kennen, wurde 1994 von „Leap Frog“ etabliert. Vorher gab es zwar einige Spielzeuge, die einen gewissen Lerneffekt für sich beanspruchten, jedoch waren sie hauptsächlich Teil der weiter gefassten Vorschul-Kategorie, und keine eigene Kategorie für sich.
Genau genommen haben Lernspielzeuge im Handel erst mit der Markteinführung von VTech im Jahr 2004 einen gesonderten Bereich bekommen. Sowohl Leap Frog als auch VTech boten ein umfassendes Programm an Konsolen, Lernsoftware und nicht-elektronischen Lernspielzeugen, dominierten damit dieses Marktsegment und ließen andere Mitstreiter komplett außen vor. Mit der Übernahme von Leap Frog im April 2016 fand diese Marktsituation ein jähes Ende und VTech nahm eine Monopolstellung ein. Jedoch sind Monopole den Einkäufern im Einzelhandel ein Dorn im Auge, da sie ihre Verhandlungsposition schwächen. Um dem entgegenzuwirken, boten sie anderen Herstellern wie beispielsweise Mattel Regalflächen im Bereich Lernspielzeuge an, vorausgesetzt, es würden geeignete Produkte für diese Kategorie produziert.
Mattel nutzte diese Gelegenheit, um sein Fisher Price-Franchise zu stärken. Man entwickelte kurzerhand zwei hervorragende Lernspielzeug-Reihen – Laugh and Learn und Think & Learn – und brachte sie in die Regale der großen Händler, wo sie sehr erfolgreich sind.

Tabelle 4: Top fünf der Lernspielzeuge Ende März in einigen Schlüsselmärkten

Lutz Muller arbeitet bereits seit 1984 als CEO im Bereich Fertigung und Branchenexperte in der Spielwarenindustrie. Sein Unternehmen Klosters Trading besteht bereits seit 1987 und zu seinen Kunden zählen Führungskräfte von Spielwarenunternehmen sowie Finanzanalysten. Zweimal pro Monat veröffentlicht er auch Newsletter. Zu seinen Kontakten gehören Einkäufer der 30 größten Spielwarenhändler der 17 größten Märkte weltweit sowie zahlreiche chinesische Spielwarenproduzenten.

Der Erfolg von Mattel lässt sich am besten verdeutlichen, indem man sich den Ausbau der Regalflächen in den USA seit der Insolvenz von Toys‘R‘Us im Oktober 2017 anschaut (siehe Tabelle 3)
Dies hatte zur Folge, dass das Leap Frog/VTech-Geschäft stagnierte und Mattels Fisher Price-Business stark anwuchs.
Wie man in Grafik 1 auf der nächsten Seite sehen kann, stellen die zwei großen Wettbewerber 30 Prozent des Gesamtumsatzes dar. Mit einigen Ausnahmen wie 4M, Learning Resources und Elenco, sind die anderen hauptsächlich lokale oder regionale Marken, die die heimischen Vorlieben und Einkommensniveaus bedienen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In Tabelle 4 sind die Top 5 der Lernspielzeuge in einigen Schlüsselmärkten aufgeführt. Und diese Aufstellung führt wieder zu Tabelle 2. Sowohl Mattel als auch VTech/Leap Frog konzentrieren sich auf die Märkte mit höherem Einkommen – Nordamerika und Europa – die es ihnen erlauben, höhere Preise zu verlangen. Diese Strategie hat zur Folge, dass die Produktentwicklung sich ebenfalls an den Bedürfnissen dieser Märkte orientiert. Jedoch werden die Produkte schließlich weltweit vertrieben, sie sind weder für nationale Kulturen oder religiöse Gegebenheiten konzipiert. Asien, Afrika und Lateinamerika werden dadurch verstärkt von lokalen oder regionalen Marken bedient, die deutlich günstiger sind, gleichzeitig aber viel mehr auf die Präferenzen der Kunden eingehen. Obwohl die Strategie von Mattel und VTech in Bezug auf den Gewinn sicherlich Sinn macht, so ist sie doch ausschließlich auf jene Märkte fokussiert, in denen die Zahl der Konsumenten – also Kinder unter 15 Jahren – sinkt. Langfristig attraktive Märkte mit hohem Wachstumspotenzial – sowohl in Bezug auf die Bevölkerung als auch das Einkommen – werden vernachlässigt. Um diese wachstumsstarken Märkte zu erschließen, müssten Mattel und VTech nicht nur eine neue Preisstrategie verfolgen, sondern auch auf die lokalen Bedürfnisse der Konsumenten eingehen. Das mag vielleicht schwierig, unbequem und kostspielig sein; die Alternative ist langfristig jedoch Stagnation.