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Konjunkturspritze – Kindergeld in Polen

29. September 2016, 11:24

In Polen liegt 2016 die Geburtenrate bei 1,33 Kinder pro Frau – das ist nicht hoch. Trotzdem ist der Markt für Babyprodukte in dem osteuropäischen Land durchaus interessant. Ein Grund: das neu eingeführte Kindergeld.

Maria Bialczak und ihr Ehemann Janusz führen schon seit vielen Jahren ihr Geschäft „Anusia“, das Kinder- und Babybedarf anbietet. Es liegt in Nowogard in Westpommern – einer Stadt mit 17.000 Einwohnern. Eine ihrer Kundinnen ist Agnieszka, eine Mutter von fünf Kindern, zwei Jungen und drei Mädchen. Sie lebt auf dem Land und konnte sich wirklich nur billigste Produkte leisten, die sie manchmal sogar in Raten bezahlte. Das hat sich jetzt geändert. Bei ihrem letzten Besuch im „Anusia“ war für sie die Qualität und die Begeisterung ihrer Kinder wichtig – und sie zahlte bar. Woher kommt dieser plötzliche Wandel?
Am 1. April 2016 startete das Regierungsprogramm „Familie 500 plus“ – in dessen Rahmen erstmals ein Kindergeld gezahlt wird: Monatlich 500 Zloty (115 Euro) ab dem zweiten Kind und auch für das erste Kind fließt diese Unterstützung, wenn das Einkommen 800 Zloty (183 Euro) pro Person in der Familie nicht überschreitet. Das Kindergeld wird bezahlt, bis der Nachwuchs 18 Jahre alt ist.
Bevor das Programm in Kraft trat, schätzte die Regierung, dass rund 2,7 Millionen Jungen und Mädchen in den Genuss des neuen Kindergelds kommen würden. Doch bereits jetzt sind es 3,2 Millionen – und die Zahl wird voraussichtlich noch auf 3,5 Millionen ansteigen. Das sind 47 Prozent aller polnischen Kinder unter 18 Jahren. Dieses Jahr wird das Programm „Familie 500 plus“ 17 Milliarden Zloty (4 Milliarden Euro) kosten – 2017 wird diese Summe auf 22 Milliarden Zloty (5 Milliarden Euro) ansteigen.
Einer Studie zufolge will fast die Hälfte aller Polen, die von „Familie 500 plus“ profitieren, das Kindergeld ausschließlich für ihren Nachwuchs ausgeben, 32 Prozent zumindest zum Teil. „Anusia“ kann am Tag der monatlichen Kindergeldauszahlung mit besonders vielen Kunden rechnen – wie die junge Mama, die das Geld gleich in einen Kinderwagen für ihr Baby anlegte. Inhabergeführte Geschäfte wie das von Maria Bialczak und ihrem Mann gibt es tausende in kleinen und mittelgroßen polnischen Städten. Doch auch größere Ketten wie Smyk und Toys„R“Us haben sich in dem Land etabliert. Spielzeug und Kinderkleidung finden sich zudem in Supermärkten und Discountern wie Biedronka und Lidl vor allem rund um Feiertage wie Erntedank, Weihnachten, Ostern oder dem Kindertag.
Die Durchschnittsausgaben bei Spielzeug liegen pro Artikel zwischen 34 und 37 Zloty (7,8 und 8,50 Euro). Rund 50 bis 100 Euro geben die Eltern in dem osteuropäischen Land für Spielzeug, Sportausstattung für Kinder- und Babyprodukte pro Jahr aus. Die NPD Forschungsgruppe stuft Polen als das Land mit dem dynamischsten Umsatzwachstum bei Spielzeug in der ganzen Welt ein – noch vor Deutschland und Großbritannien. Die höchsten Zuwachsraten verbuchen Plüschtiere, Bauklötze und der Bereich Malen und Zeichnen. 2015 gaben polnische Eltern 2,5 Milliarden Zloty (600 Millionen Euro) für Kinderspielzeug aus – eine Milliarde davon klingelte in den Kassen der Handelsunternehmen Carrefour, Empik, Makro, Smyk, Tesco und Toys „R“ Us.

Ilona Niebal