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Kommentar von Sybille Dorndorf – Der Lockdown und seine Folgen

4. Januar 2021, 15:21

Lockdown an Ostern. Lockdown im Weihnachtsgeschäft – der Spielwarenhandel stand 2020 vor gewaltigen Herausforderungen. Und die werden mit der Beendigung des soundsovielten Lockdown auch nicht zu den Akten gelegt werden können. Das Kaufverhalten der Kunden, das belegen Studien, die sich mit diesem Thema befassen, hat sich nachhaltig verändert.

Black Friday

Ist der Gewinner wirklich Amazon? Eines steht fest: Die Online-Umsätze haben gewaltig zugelegt. Sie liegen in der Spielware derzeit bei über 40 Prozent, Tendenz steigend. In Zahlen ausgedrückt heißt das: Belief sich der Umsatz im Online-Handel mit Spielwaren im Jahr 2019 auf 1,47 Milliarden Euro, so werden heute 42 Prozent der Spielwarenkäufe online getätigt. Bei einem Gesamtumsatz der Branche von 3,7 Milliarden Euro ist das ein erklecklicher Zuwachs.

Und das ist nicht nur Corona geschuldet: Künstlich geschaffene und gepushte Kauf-Events wie der Cyber Monday oder der Black Friday „erziehen“ Käufer geradezu zu Schnäppchenjägern und Online-Shoppern. Dass fast 70 Prozent der „Angebote“ von der Preisgestaltung her Mogelpackungen sind, stört die Käufer anscheinend kaum. Wo früher in den Geschäften teilweise gefeilscht wurde wie auf dem Basar, wird online anstandslos bezahlt. Was Wunder. Amazon diktiert den Preis, das haben die Kunden des Internetgiganten schnell gelernt.

Zwar ist die Bekanntheit des Black Friday und Cyber Monday weltweit weiter gestiegen (in Deutschland lag sie 2020 schon bei 100 Prozent), aber parallel dazu steigt das Misstrauen – und die Kaufbereitschaft lässt spürbar nach. Hierzulande plante 2020 nur die Hälfte der von Simon-Kutcher befragten Konsumenten, an den beiden Shoppingtagen einzukaufen, trotz Corona!

Was bleibt dem braven Spielwarenhändler also, will er das Jahr 2021 überleben? Er muss, statt auf Rabatte zu setzen, neue und intelligente Aktionen im Web fahren. Die Studie „Global Black Friday Forecast“ der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kutcher & Partners hat sich dem Thema gewidmet und herausgefunden, dass die Budgets, die Käufer für die beiden Shoppingtage freischlugen, merklich gesunken sind. Im Schnitt liegen sie derzeit in Deutschland bei um die 200 Euro (2019: Knapp 250 Euro). Diese offensichtliche Übersättigung kann sich der Handel zu Nutze machen. 52 Prozent der Käufer wollen heute vor allem stöbern und sich vom Angebot inspirieren lassen. Das ist neu – und es enthält eine Botschaft. Bisher setzte der Spielwarenhändler vor allem darauf, Kunden am Point of Sale emotional zu begeistern, nun sieht es so aus, als wolle der Smart-Shopper auch Online einen Point of Surprise erleben. Nina Scharwenka, Partner in der globalen Consumer & Retail Practice bei Simon-Kutcher bringt es auf den Punkt: „Alles, was in früheren Jahren an Nicht-Preis-Aktionen stattgefunden hat – das besondere Event-Flair, das Glas Sekt, ist derzeit kaum nicht möglich. Stattdessen müssen Händler alle digitalen Kommunikationskanäle nutzen, um Kunden in ihre Webshops zu ziehen.“

Intelligente Promotions, Aktionen und Events, die Cross-und Up-Selling unterstützen, kann man auch online durchführen, so Scharwenka. „Wenn man dabei nicht nur über den Preis gehen will, muss wirklich gut für Inspiration gesorgt werden – dies kann beispielsweise über „Konzept-Ecken“ geschehen, die alle Produkte zu einem bestimmten Thema enthalten.“ Fitness zuhause, Gratis-Produkte über einem definierten Schwellenwert als Zugabe oder digitale Events wie beispielsweise Shopping mit Influencern.

Dieser Trend sollte sich durch- und fortsetzen, um in Deutschland trotz der Wettbewerbsverzerrung, die von Seiten der Politik „verordnet“ wurde, eine bunte und vielfältige Einzelhandelslandschaft zu erhalten. Händler müssen mit ihren Webshops in die Wohnzimmer der Menschen kommen und ihnen dort online tolle Shopping-Erlebnisse bieten sonst machen künftig Müller, real, REWE & Co das Spielwarengeschäft.

Es sind und bleiben unsichere Zeiten für Unternehmer im Handel, aber jammern hilft nicht – und tatenlos zusehen, wie Mitbewerber ihre Spielwarenabteilungen öffnen dürfen auch nicht. Wobei: Eine konzertierte Aktion der Handelsverbände gegen den Lockdown nicht „systemrelevanter“ Geschäfte hätte sicher nicht geschadet.

Sibylle Dorndorf