Kinderlizenzen haben immer einen Markt
Ivica Maracic gehört zu den bekanntesten Gesichtern in der deutschen Lizenzbranche. Nach vielen Jahren in leitenden Positionen bei verschiedenen Lizenzagenturen hat er sich selbstständig gemacht und gibt im Interview mit Astrid Specht ganz persönliche Einblicke in seine Arbeit und in die Branche.
Herr Maracic, Sie gehören zu den Urgesteinen der deutschen Lizenzbranche und haben sich in diesem Jahr selbstständig gemacht. Wie kam es dazu?
Das Thema Selbständigkeit hat mich schon immer gereizt. Nachdem ich mich im Sommer 2022 von meinem letzten Arbeitgeber, der Bavaria Media, im besten Einvernehmen getrennt habe, stellte sich mir die zentrale Frage: Wie schaut mein nächstes berufliches Kapitel aus? Nach vielen Überlegungen und Gesprächen hat sich zusehends der Gedanke durchgesetzt: Wenn Selbständigkeit, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür! Die Mischung aus den Bedarf bei Rechteinhabern sowie Lizenzagenturen bezüglich „Sales“, insbesondere hinsichtlich der Kategorien „Food & Beverages sowie Promotions“ kennen, über meine Zeit selbst bestimmen zu wollen, meine in über 15 Jahren ausgebaute Lizenz-Expertise sowie das Netzwerk für mich, also in die eigene Tasche arbeiten zu lassen, das waren meine Hauptmotivationen, den Sprung in die Selbständigkeit zu wagen.
Das Feld des Licensings ist weit und bunt. Welche Marken und Mandate vertreten Sie beziehungsweise auf welche Kategorien sind Sie spezialisiert und warum genau auf diese?
Mein Mandatsportfolio ist bunt gemischt. Ich vertrete folgende Mandanten mit den entsprechenden Lizenzagenturen beziehungsweise Rechteinhabern: Lizenzwerft, Studio100 Media: Die Biene Maja, Wickie, Heidi, Mia and Me; CineConsult: Die Mainzelmännchen, Petzi, Hey Lønne; Sekiguchi: Monchhichi; IMC Toys: Cry Babies; Seven.One Licensing; Jahreszeitenverlag: art ask agency.
Durch meine Lizenzexpertise und meine langjährige Tätigkeit als Director Licensing & Sales bei der Bavaria Media bin ich in allen Warenklassen sicher „unterwegs“. Meine Steckenpferde sind jedoch die Kategorien „Food & Beverages“ sowie „Promotions“. Das sind auch die Kategorien, in welchen ich für die meisten meiner Mandanten arbeite. Seit meiner Zeit bei der Studio100 Media habe ich in diesen Kategorien gearbeitet – und einen Narren daran gefressen. Der FMCG Sektor ist spannend, vielseitig und hat eine endlose Fülle an Licensing-Möglichkeiten. Oft verschwimmen die Grenzen zwischen klassischer Lizenzprodukt-Kooperation und einer Promotion. Aber das ist am Ende eine Definitions- und Interpretationssache. Wichtig ist mir, dass am Ende eine tolle Lizenzkooperation den Weg in den Handel, in den Markt findet.
In den vergangenen krisengeprägten Jahren waren Lizenzprodukte für viele Hersteller und Händler ein Umsatzretter. Wie schätzen Sie das Potenzial für lizenzierte Produkte aktuell und für die Zukunft ein?
Ja, das ist korrekt. Man muss jedoch ergänzen, dass besonders der Handel sehr stark auf Lizenzthemen gesetzt hat, die Zugpferde im Licensing darstellen und somit das unternehmerische Risiko möglichst minimieren. Hierzu zählen insbesondere die Marken und Lizenzthemen der großen amerikanischen Lizenzgeber und Rechteinhaber. Entgegen aller Krisen und Herausforderungen haben aber natürlich alle anderen Marken und Lizenzthemen in DACH nicht nur ihre Berechtigung, sondern auch ihre Käufer und somit potenziellen Partner. Man muss vielleicht nur noch etwas gezielter akquirieren, gezielter nach potenziellen Herstellern/Lizenznehmern suchen, gezielter den Brand-Produkt/Promotion-fit finden. Und so ist die Situation in den einzelnen Kategorien:
Fashion: Aktuell ist die Lage angespannt, da sich viel Ware im Markt beziehungsweise bei den Händlern auf Lager befindet. Der Bereich Fashion lebt aber von Trends und aktuellen Hypes. Daher war, ist und bleibt diese Warenklasse eine zentrale Produktekategorie in der Vermarktungsstrategie vieler Lizenzthemen.
Food & Beverages: Diese Kategorie hat die Corona-Pandemie relativ gut bewältigt. Hier sind eher die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise ein Thema. Doch Food & Beverages war noch nie eine einfache Warenklasse in der Lizenzindustrie. Genau darin liegt aber der Reiz: Die Potenziale sind enorm, man muss „nur“ zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein.
Publishing: Lesen ist und bleibt immer ein Thema, gerade in einem Land wie Deutschland mit seinen führenden Fachmessen hierzu. Der Markt für Kindermagazine war und ist hart umkämpft, viele Titel haben nicht überlebt beziehungsweise tun sich schwer, in der Flut der Angebote mitzuhalten. Und dennoch: Der Bereich Publishing ist und bleibt eine Schlüsselkategorie für den Bereich „Content“ in vielen Lizenzvermarktungsstrategien.
Promotions: Dies ist eine Kategorie, die am meisten Interpretation zulässt. Aber abgesehen von der Interpretation ist diese Kategorie – analog der Kategorie Food & Beverages – sehr anspruchsvoll für das Licensing. Auch hier gilt es am Puls der Trends, der aktuellen Hypes zu sein und nach Promotionideen zu suchen beziehungsweise potenzielle Partner zu akquirieren, die im Markt möglichst einen „Wow-Effekt“ generieren.
Toys & Games: Wenige Kategorien sind so wichtig für die Lizenzindustrie wie diese Warenklasse – gerade für das Segment der Pre School- und Kinderlizenzen. Die Spielwarenbranche ohne Lizenzen? Schlichtweg undenkbar. Daher ist und bleibt diese Kategorie eine der wichtigsten für die Lizenzindustrie.
„Besonders der Handel hat auf Zugpferde im Licensing gesetzt, die sein unternehmerisches Risiko minimieren.“
Sind Lizenzprodukte Ihrer Meinung ebenfalls von der aktuellen allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage betroffen, das heißt, halten Verbraucher*innen derzeit auch hier den Geldbeutel fest oder gelten bei Lizenzprodukten andere Regeln?
Wie so oft bei Krisen beziehungsweise schwierigen und angespannten wirtschaftlichen und finanziellen Lagen: Gespart wird schnell, der Gürtel wird enger geschnallt – zuletzt jedoch bei den (eigenen) Kindern! Daher ist gerade für den Bereich der Kinderlizenzen immer ein Markt da, egal ob im Bereich der Spielware oder in den anderen Schlüsselkategorien der Lizenzindustrie.
Lizenzpartnerschaften funktionieren dann am besten, wenn Lizenz und Produkt sich clever ergänzen, beispielsweise wie bei der Die drei ??? Pizza von Freiberger Lebensmittel, Kosmos und Sony. Wenn Sie eine Lizenz und ein Produkt/eine Produktkategorie zusammenbringen könnten, was wäre Ihr ganz persönlicher Traum-Deal?
Ein „Der Pate-Whisky“, das käme an meinem persönlichen Traum-Deal ziemlich nah ran.
Welche Lizenztrends beobachten Sie aktuell ganz allgemein und was sagen Sie zum (wahrscheinlichen) Niedergang der NFTs?
Die Themen Bildung, Nachhaltigkeit, Umweltschutz und Safe the Planet sind omnipräsent und vollkommen berechtigt in aller Munde. Lizenzthemen, die diese Themen glaubhaft transportieren, verstärken und vor allem emotionalisieren, die haben tolle Chancen am Markt. Wie viele in der Lizenzbranche wissen: Ich bin kein Digital-Guru. Mein Wissen reicht jedoch aus, um sagen zu können: Die digitale Welt und das Wesen des Lizenzgeschäfts vertragen sich schon allein unter einem Aspekt nicht: Schnelllebigkeit trifft auf Langfristigkeit. Was in der digitalen Welt heute „Talk of Town“ ist, kann morgen schon ein „alter Hut“ sein. Sehr viele Lizenzkooperationen leben hingegen von Langfristigkeit, Beständigkeit und Planbarkeit. Und dies kann die digitale Welt (mit Ausnahme der Gaming Industrie), mit ihren schnelllebigen Trends und Hypes nur selten der Lizenzindustrie liefern.
Für die diesjährige Lizenzmesse Brand Licensing Europe hat sich der Veranstalter für das Fokusthema Location Based Entertainment (LBE) entschieden. Worum genau geht es dabei? Wie erklären Sie sich diesen Trend und wie lange wird er anhalten? Und: Wie lässt sich dieser Trend im Handel beziehungsweise für den Vertrieb von Lizenzprodukten, insbesondere für Spielware, nutzen?
LBE vereint zahlreiche Aktivitäten, die das Publikum begeistern, und bietet den Verbrauchern einen zentralen Ort zum Essen, Spielen und Einkaufen. Dieses geballte Erlebnis an einem Ort, aufgeladen mit einer attraktiven und unterhaltsamen Brand, hat großes Potenzial für eine Win-Win-Situation. Dieser Trend ist relativ einfach zu erklären: Corona hat die Menschen in ihren Wohnungen und Häusern isoliert. Die Menschen haben somit einen ausgeprägten Drang, diese verlorene Zeit nach- und aufzuholen. Ein anderer Aspekt ist aber auch: Händler und Shopping-Malls müssen sich immer kreativere Gedanken machen wie Sie die Verbraucher, die Familien zu sich „locken“, um der geballten Konkurrenz des Onlinehandels die Stirn bieten zu können. Daher ist die Idee der LBE nur eine logische Folge dieser Entwicklungen.
Nachdem auch ich keine Glaskugel zu Hause habe, ist die Aussage über die Langlebigkeit dieses Trends nicht einfach zu beantworten. Aber so viel ist klar: Je besser das Konzept, der Unterhaltungsfaktor, der Mehrwert eines LBEs für die Verbraucher, Familien und Kinder, umso eher hat dieser Trend eine Chance, eine langfristige Rolle im Markt zu spielen. Entscheiden wird, wie so oft, der Endverbraucher. Aber es liegt an uns, an der Industrie, dem Endverbraucher ein tolles, nachhaltiges Erlebnis zu ermöglichen.
Den Nutzen für den Handel habe ich eben ausgeführt.
Lizenzprodukte lassen sich, je nach Konzept und Lizenzthema, relativ leicht in ein LBE integrieren. Hier bieten insbesondere die Kategorien Toys & Games, Arts & Craft oder Audio fantastische Möglichkeiten, keine Langweile aufkommen zu lassen. Eine sehr spannende Möglichkeit, die Lizenzprodukte erlebbar zu machen, um einen „Will ich auch zu Hause haben-Effekt“ zu generieren!