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Interview – Die roten Reiter: Am Anfang ist die Idee

10. Mai 2021, 14:32

Die der Spielwarenmesse angegliederte Fullserviceagentur Die roten Reiter tickt anders. Das wird uns immer wieder aus der Branche zugespielt. Grund genug für Sibylle Dorndorf, der Sache nachzugehen. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer Kreation Christian Medelnik.

Herr Medelnik, als Agenturchef in Corona-Zeiten, hat man da mitunter auch schlaflose Nächte?
Das nicht direkt, aber wir spüren natürlich eine gewisse Zurückhaltung bei den Kunden. Allerdings kann man auch mit kleinen Budgets viel bewirken. Wir haben uns – neben den größeren Herstellern – schon immer auch auf Kundengruppen eingestellt, die für eher kleines Geld eine schöne Aktion machen wollen. Hier denke ich vor allem an die klassischen Fachhändler im Spielwarenbereich.

Zum Beispiel …?
Unser Kunde Selmair, ein Regensburger Spielwarenhändler aus Leidenschaft, suchte nach einer Aktion, die seinen Kunden im Gedächtnis bleiben sollte. Man sieht sich ja bekanntlich immer zweimal im Leben. Wir haben also aus 50 Bildern fünf Motive ausgesucht, die im Kontext mit Spielwaren, Kindern, Familien standen und Postkarten drucken lassen. Diese Postkarten haben wir mit schönen Slogans versehen und jeder Kunde bekam beim Einkauf eine dazu gepackt. Die Aktion kam toll an, hat wenig gekostet und führte dazu, dass Spielwaren Selmair „Spuren hinterlässt“.

Für den Handel sind es gerade schwere Zeiten …
Das Schlimme ist ja die Unsicherheit, viele Händler kennen sich im Dschungel der Verordnungen gar nicht mehr aus. Was darf ich gerade, was darf ich nicht. Diejenigen, die beispielsweise das Online-Geschäft ver-schlafen haben, schaffen es so schnell gar nicht, hier etwas Vernünftiges und wirklich Brauchbares auf die Beine zu stellen. Aber die Erkenntnis ist da, dass im Onlinebereich dringend etwas getan werden muss.

Auch bei den Totalverweigerern?
Zumindest auch bei denen, zu deren Geschäftsphilosophie es bisher nicht passte, einen Onlineshop zu betreiben. Beispielsweise zählt der ARS (Anm. d. Red.: Arbeitskreis Richtiges Spielzeug) zu unseren Kunden, die wir betreuen. Von dieser Gruppe haben sich zehn Händler zusammengeschlossen, um einen gemeinsamen Onlineauftritt auf den Weg zu bringen.

Der Vollblutwerber Christian Medelnik zeichnet bei den Roten Reitern für den Geschäftsbereich Kreation veranwortlich

Und sonst, ist der Handel eher in Lockdown-Schockstarre oder bewegt sich etwas?
Das ist unterschiedlich. Es gibt sicherlich viele, die in Schockstarre verharren, was fatal ist. Aber Kunden nutzen die Zeit eher, um neue Geschäftsideen zu finden. Ein Beispiel, das wir gerade diskutieren, ist der Automatenverkauf. Sie kennen diese Auto-maten vor allem für hochwertige Bio-Lebensmittel. Es gibt in Nürnberg auch einen sehr guten Koch, der über Automaten eine vollwertige Mahlzeit verkauft. Das brummt richtig. Warum also nicht für Spielwaren? Im Moment können Sie Spiel-waren nur im LEH oder beim Discounter kaufen. Nehmen Sie mal an, Sie werden spontan über die Geburt eines Kindes in Ihrem Freundeskreis informiert. Wo gehen Sie dann hin, um ein kleines Geschenk zu besorgen? Ein schön aufgemachter und bestückter Automat könnte hier Abhilfe schaffen, indem der wertige Greifling auf diesem Weg zum Kind kommt. Und der Händler hat eine Präsenz – auch ohne geöffnetes Ladengeschäft.

Das darf aber dann absolut keine billige Anmutung haben …
Nein, das darf es nicht. Aber das lässt sich ja gestalterisch und vor allem von der Bestückung her regeln. Sie finden in den Automaten ja auch nicht das Billigfleisch, sondern eher das Wagyu vom Direkterzeuger und die Bio-Eier vom Eierhof auf dem Land.

Und gerade Bio ist ja derzeit sehr gefragt.
Das hat meiner Meinung nach mit dem Umdenkungsprozess zu tun, in dem wir uns gerade befinden. Wir spüren, wie fragil unsere Welt ist, wie schützenswert die Natur. Viele Menschen erleben das erste Frühjahr bewusst „draußen“. Das verändert uns – im Übrigen zum Positiven.

Und daraus werden dann schöne Kampagnen gemacht …
Wenn sie zur Marke passen, ja. Aber da muss man sehr vorsichtig sein, denn die tollste Kampagne hilft nichts, wenn die Marke dem Bild, das man entwirft, nicht standhält. Der Schuss geht dann nach hinten los. Das strafen Kunden ab.

Darüber kann Amazon nur „lächeln“ …
Ich glaube nicht, denn sehr viele Verbraucher hinterfragen mittlerweile die Amazon-Praktiken. Jeder weiß, wie dieser Apparat tickt. Wir decken dort einen gewissen Bedarf, aber wenn andere Player es schaffen, Alternativangebote mit Mehrwert zu machen, würde sich das schnell ändern. Da bin ich sicher.

Ich merke, auch die Agenturdenke hat sich geändert. Früher hieß es höher, schneller, weiter, das, was Sie sagen, ist sehr nachdenklich und auf die Bedarfe Ihrer Kunden fokussiert …
Bei den Roten Reitern war es nie unser Ziel, Kunden Projekte aufzuschwatzen, die nicht zu ihnen passen. Nachdem wir uns auf die Spielwarenbranche fokussiert haben, würde sich so ein Vorgehen schnell herumsprechen. Im Gegenteil, wir sind eine schlagkräftige Agentur mit einem jungen siebenköpfigen Team, das absolut kreativ ist und in der Lage, „um die Ecke zu denken“. Das braucht man heute.

Wie meinen Sie das?
Wenn ein Kunde zu uns kommt, hören wir genau zu, was er von uns möchte. Dann setzen wir uns zusammen und die Kernfrage, die wir uns stellen, lautet: Wo ist die Idee? Wir schmeißen keinen Millionenapparat an, keine Kampagnenmaschine. Nein, es kann sein, dass es eine ganz kleine superoriginelle Kiste wird, die wir aufmachen. Wenn erst einmal eine Idee gefunden ist, findet sich auch ein Weg, sie auf die Straße zu bringen. Und wenn ich bei Regen selber mit der Heißklebepistole Lotterielose an eine Litfaßsäule klebe.

Man sagt, Sie kreieren nachhaltig …
Wir versuchen es, ja. Das ist ein Hand-, kein Zauberwerk. Bei uns ist das Entwicklungsbudget überschaubar. Denn wir wissen, der Kunde muss ja auch noch das Produktionsbudget stemmen können. Wir wollen, dass unsere Ideen beim Kunden ankommen und sichtbar werden.

Was ist am Anfang wichtig?
Man muss mit den Kunden ganz offen reden. Das ist wie beim Arzt. Man darf keine Geheimnisse voreinander haben. Wir hatten einen Händler, der ein Refresh seines Logos wünschte, weil er wenig Geld für eine kreative Grafikleistung ausgeben wollte. Wir haben das umgesetzt, aber unser Grafiker hat ein paar ganz neue Entwürfe mitgeliefert. Der Kunde war begeistert. Plötzlich ging es nicht mehr ums Refresh, das neue Logo war geboren.

Konnte der Kunde dies dann auch bezahlen?
Ja, das konnte er. Die Rechnung war nicht teurer als kalkuliert. Und im Übrigen, wenn uns Kunden gerade in diesen Zeiten sagen, wir müssen die Kampagne eindampfen, wir sind nicht mehr so flüssig wie vor einem Jahr, dann geben wir auch mal ein sehr langes Zahlungsziel.

Nutzen manche Kunden das nicht aus?
Nein. So etwas ist immer Vertrauenssache. Wir haben keine Kunden, die zocken. Da würden wir nicht mitmachen, das ist klar.

Sie glauben also fest an das Gute im Menschen?
Ja, daran und an die Idee. Ich glaube an die Idee – sie ist der Anfang von allem. Wir kommunizieren mit Ideen, Ideen befeuern unser Geschäft. Wenn wir Ideen haben, müssen wir uns um unsere Zukunft keine Sorgen machen.

Ein schönes Schlusswort, Herr Medelnik. Vielen Dank für das tolle Gespräch.