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Hasardeure oder Strategen – Wer investiert in die Spielwarenbranche?

19. Juli 2019, 11:20

Der sich seit Jahresbeginn abzeichnende und nun vollzogene Verkauf der Stadlbauer-Gruppe an den Finanzinvestor Quantum Capital Partners (QCP), dem Gesellschafter von Revell, wirft die Frage auf, warum sich Finanzinvestoren zusehends im Segment der mutmaßlich margenschwachen Spielwaren tummeln. Ob es nun Industriefirmen oder Handelsgesellschaften sind, national oder international, der Toy Sector scheint das Interesse der Finanzwelt geweckt zu haben. Im Gespräch mit dem Spielwaren- und Finanzexperten Martin Böckling ging Sibylle Dorndorf den wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit den Engagements von Investoren nach.

Martin Böckling war viele Jahre Geschäftsführer von Spiel & Spass und berät heute große Handels- und Industrieunternehmen

Herr Böckling, seit geraumer Zeit gibt es einen auffälligen Trend in der Spielwarenszene zu alternativen Finanzierungsmodellen. Spielen die Hausbanken nicht mehr mit oder woran liegt das?
Die traditionellen mittelständischen Konsumgüterunternehmen, ob nun Handel oder Industrie, stehen bei den klassischen Finanzierungsmodellen wie Krediten oder Darlehen nicht mehr ganz oben auf der Rankingliste der Geschäftsbanken. Große Insolvenzen auf Industrieseite oder einiger internationaler Ketten, ich denke da an BR-Toys oder Toys ‘R‘ Us, haben die Finanzwelt aufmerken lassen. Mir begegnen die Bedenken auch bei kleineren Projekten, wie etwa der Nachfolgefinanzierung, wenn ein geeigneter Nachfolger gefunden wurde, aber die Anforderungen der Hausbanken nahezu unerfüllbar sind.

Wie sieht es denn mit den Konditionen aus? Sind die interessant für Investoren?
Während bei Immobiliengeschäften mo-mentan im variablen Bereich bei umfassenden Darlehensfinanzierungen gerne Mittel zu einem unglaublichen Zinssatz zwischen 0,5 Prozent und 1,0 Prozent geradezu aufgedrängt werden, hält man sich im Konsumgütersegment generell bedeckt, es sei denn, man verkauft ein scheinbar innovatives Geschäftsmodell.

Welche Möglichkeiten der Beschaffung von Finanzmitteln sehen Sie zum Beispiel für notwendige Investitionen oder Expansion?
Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, auf die ich hier im Einzelnen nicht eingehen kann, wie zum Beispiel Mezzanine Kapital als Mischform aus Eigen- und Fremdkapital. Das gilt auch für die Aufnahme stiller Gesellschafter, die die Kapitalbasis stärken und somit den Banken gegenüber Möglichkeiten auf breiterer Eigenkapitalbasis eröffnen. In der Branche hat sich vor einigen Jahren die Möglichkeit eröffnet, Finanzierungen über Anleihen vorzunehmen. Dies bedeutet allerdings ein sehr transparentes und aufwändiges Berichtswesen, da Anleihen börslich gehandelt und am Ende deutlich höhere Zinsen, in der Regel zirka fünf Prozent aufwärts, verlangt werden. Denn die Anleger lassen sich speziell im Bereich der KMU ihr Kapital gerne mit einem Risikoaufschlag vergüten.
Zur Verdeutlichung für unsere Leser: Was bedeutet eigentlich die Quotenangabe einer Anleihe?
Die Quotenentwicklung in Prozent, zu der eine Anleihe gehandelt wird, lässt häufig auch Rückschlüsse auf die betriebswirtschaftliche Performance des Unternehmens zu. Im Ergebnis kann ein solches Finanzierungsinstrument aber nur bedingt helfen, wenn keine nachhaltigen strukturellen Anpassungen und Entwicklungen einsetzen. Royalbeach, ein in der Branche bekannter Lieferant vor allem für Freizeit und Sportartikel, insbesondere Inflatables speziell an große Ketten, hatte scheinbar Probleme, eine Folgeanleihe vollumfänglich zu platzieren und geriet so im vergangenen Jahr in die Insolvenz.

Ein Tipp am Rande: Ist der Anleihemarkt attraktiv?
Im Moment ist er insgesamt eher schwierig. Ist das Geschäftsmodell sexy genug, kann man auch über Beteiligungen nachdenken, zum Beispiel durch die Aufnahme von Finanzinvestoren in den Gesellschafterkreis. Das muss nicht zwangsläufig über zweifelhafte TV-Shows geschehen. myToys nahm als Gesellschafter beispielsweise Seven Ventures auf, nicht zuletzt wegen des Medien-Hintergrundes.

Private Equity ist ein gutes Stichwort. Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit Finanzinvestoren vorstellen? Welche Anforderungen werden gestellt?
Die Welt der Private Equities ist ziemlich heterogen. Allen gemeinsam ist der Blick auf eine optimale Performance und den Exit, denn die meisten Investoren halten ihre Anteile zeitlich limitiert. Wichtig ist das Storytelling, das erlebten wir beim „Neuen Markt“, der Dotcom-Blase und aktuell. Blicken wir in die nahe Zukunft, werden wir parallel dazu auch das Scheitern vieler heutiger Start-ups erleben, die zum Teil gigantische Fehlbeträge angehäuft haben.
Beispiele gibt es nicht nur in der World of Toys, gravierender sieht die Situation bei den Start-ups im Baby-Onlinehandel aus. Die Geschäftsbanken agieren mittlerweile sehr vorsichtig und der eine oder andere, der in den vergangenen Jahren extrem expandierte, steht nun mit einem großen Verlustvortrag da und hofft, über fantastische Geschichten Geld für die weitere Expansion zu akquirieren. Selbst die Berliner Profis haben ihre Beteiligungen, die nach fünf, sechs Jahren immer noch weit von der Gewinnzone entfernt sind, über Bord geworfen.

In der Branche sind ja schon einige Investoren gescheitert, die Unternehmen gerieten dann in Schieflage oder rutschten in die Insolvenz …
Es gibt kleinere Finanzinvestoren, wie im Falle Bullyland, die scheinbar die Problematik des Geschäftsmodells nicht voll erfassten und daran scheiterten. Dagegen stehen große Investoren, die im Rahmen einer buy-and build-Strategie wie Quantum Capital Partners, in einem Segment Firmen zusammenkaufen, um größere, werthaltigere Einheiten zu schaffen. Es gibt Spielwarenproduzenten, die ihren Firmenwert unter der Ägide von Finanzinvestoren mit einem hervorragenden Management grandios steigerten, so dass nun der Weiterverkauf an Fachinvestoren, also ein anderes Indus-trie- oder Handelsunternehmen, nahezu aussichtslos erscheint.
Welche Strategie wäre hier ratsam?
Hier wäre die Exitstrategie der IPO, sprich der Börsengang, oder die Suche eines weiteren Private Equities, in dessen Portfolio das Unternehmen strategisch sehr gut passt, hilfreich. Im Modebereich sehen wir allerdings immer häufiger die chinesischen Produzenten, also die eigentlichen Maker, in die internationalen Topmarken einsteigen. Somit besteht durchaus die Möglichkeit, fernöstliche Fachinvestoren zu gewinnen, denn neben der Marke wollen sie ihren Absatz langfristig sichern. Aber Achtung: Finanzinvestoren entscheiden kompromisslos, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen, denn sie sind im hohen Maß der bestmöglichen Verzinsung des ihnen anvertrauten Kapitals verpflichtet. Das kann ein schnelles Aus für das Portfoliounternehmen bedeuten. Man denke an die Märklin-Insolvenz. Das Unternehmen konnte nur durch das beherzte Engagement eines Familienunternehmens überleben. Die Insolvenzen unter Alteri Invest und anschließenden Übernahmen von Intertoys/Bart Smit durch Maxi Toys/Green Swan oder der Verkauf von Hamleys nach hohen Verlusten nun an die indische Reliance Industries zeigen die gleiche Symptomatik. Allerdings schätze ich persönlich die hocheffiziente, zielorientierte Zusammenarbeit, insbesondere den ungefilterten Gedankenaustausch, mit Private Equities.

Wieso steigen ausgerechnet Finanzinvestoren in dieses schwierige und margenschwache Marktsegment ein?
In den Projekten auf Handels- wie auch Industrieseite zeigt sich, dass es noch jenseitige Wertschöpfungspotenziale gibt, die von sogenannten Branchenkennern nicht gesehen werden. Dies gilt für die Wertschöpfungsstufen entlang der Supply Chain und ganz besonders für die Prozesse. Da ist es mit einem Onlinemarktplatz oder -shop allein nicht getan. Natürlich erkennt man die KMU-Strukturen und im Hinblick auf die beschriebenen Strategien für einen möglichen Exit mangels Nachfolger viel Potenzial, um neue Gebilde zu kreieren. Der Zusammenkauf von Unternehmen – mir ist ein Investor bekannt, der ständig die rund 450 relevanten Unternehmen der Branche screent – ist allerdings nicht so einfach. Meist scheitert dies an überzogenen Kaufpreisvorstellungen und damit einhergehend einer schwachen Kapitalverzinsung. Manchmal werden auch negative Kaufpreise verhandelt, insbesondere, wenn be-stimmte Einheiten aus bestehenden Gebilden herausgelöst werden müssen. So sparen sich die Altgesellschafter den vollumfänglichen Sozialplan.
Große Potenziale liegen natürlich im Einkauf. Man betrachtet Abläufe im Detail, auch durch Einbeziehung außenstehender Fachleute, und analysiert sehr wohl das Marktgeschehen. Realistisch analysiert man die Player im Markt, zum Beispiel Amazon mit einem Marktanteil tendenziell gegen 25 Prozent, und zieht Schlüsse aus deren Verhalten.

Kaufen zukünftig Handelsunternehmen deshalb bei Markenartiklern nur noch FOB? Stärkt man im Handel die Eigenmarkenportfolios?
Man sieht die Erfolge im Drogeriemarkt und im LEH. Die aktuelle Substitution von Marken durch Eigenmarken bei Kaufland und Edeka, übrigens aus einer Genossenschaft erwachsen, bewirken nicht die zunächst befürchteten Umsatzeinbrüche. Vielleicht eine Blaupause für den Umgang mit dem einen oder anderen Spielwarenlieferanten, der mit seinen Platzierungsansprüchen den Bogen deutlich überspannt? Wie sieht es industrieseitig mit dem B2C-Vertrieb aus? Wurde der richtige Multichannel-Ansatz gewählt? Werden alle Absatzkanäle beziehungsweise Absatzpunkte bedient? und so weiter. Viele Finanzinvestoren greifen, aufgrund positiver Erfahrungen in anderen Branchen, gerne diese taktischen Vorgehensweisen auf. Denn man muss realisieren, dass die Margenentwicklung im Toy Segment nicht besser, sondern eher schlechter wird. Wir werden sehen, wie sich der Hochzeitsbonus von Karstadt/Kaufhof und der Markteintritt von Smyth Toys auf die Preise im letzten Quartal auswirken. Hier sind effiziente vertikale Strategien gefragt und dies beantwortet die im Titel gestellte Frage: Hasardeure sind dort nicht am Werk.

Herr Böckling, ich bedanke mich für dieses hoch informative Gespräch und die Einblicke in die Welt der Investoren, die Sie uns ermöglicht haben!