Handel: Strategisch kluge Sortimente
Hohe Inflation, steigende Energiekosten und veränderte Konsumgewohnheiten zwingen Händler dazu, ihre Strategien anzupassen. Besonders die Sortimentspolitik wird zum Schlüssel, um Zielgruppen effektiv anzusprechen und profitabel zu bleiben. Carsten Kortum ist Professor an der Dualen Hochschule Heilbronn und zeigt, wie Händler in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Chancen nutzen und Herausforderungen meistern können.
Strategien für Händler in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten
Die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen – geprägt durch hohe Inflation, steigende Energiekosten und eine zurückhaltende Kaufbereitschaft – stellen Händler vor erhebliche Probleme. Angesichts der zunehmenden Lebenshaltungskosten stehen Unternehmen unter Druck, ihre Preisstrategien und Sortimentspolitiken anzupassen, um sowohl die Rentabilität zu sichern als auch den sich verändernden Konsumgewohnheiten gerecht zu werden. Gerade im Einzelhandel zeigt sich, dass ein flexibler und strategischer Umgang mit dem Sortiment essenziell ist, um auf Marktveränderungen reagieren zu können. Dabei eröffnen sich sowohl für Spielwarenhändler als auch für branchenfremde Händler, die Spielwaren in ihr Portfolio aufnehmen möchten, neue Möglichkeiten. Gleichzeitig birgt diese Entwicklung aber auch Herausforderungen, die strategisch gemeistert werden müssen.
Sortimentspolitik für Spielwarenhändler: Mehr als nur Spielwaren
Für Spielwarenhändler stellt sich die Frage, ob und wie sie ihr Sortiment erweitern sollten, um breiter aufgestellt zu sein und neue Zielgruppen zu erreichen. Die Antwort lautet: Ja, allerdings muss dies mit Bedacht und strategischer Planung erfolgen. Ein erfolgversprechender Ansatz liegt beispielsweise in der Entwicklung sogenannter Concept Stores. Diese kombinieren klassische Spielwaren mit thematisch passenden oder branchenfremden Produkten und schaffen so ein besonderes Einkaufserlebnis. Durch die Verbindung von Spielwaren mit Lifestyle-Elementen können Händler eine emotionale Bindung zur Zielgruppe aufbauen. Beispiele für geeignete Sortimentsergänzungen sind hochwertige und nachhaltige Kinderbekleidung, Babyartikel wie Pflegeprodukte oder Kinderwagen sowie Wohnaccessoires, die sich speziell auf Kinderzimmer fokussieren. Auch der Bereich Bastel- und Schulbedarf bietet großes Potenzial, da die Zielgruppe von Eltern und Kindern in diesem Segment bereits aktiv ist. Darüber hinaus stellen Bücher, insbesondere Kinderbücher und Erziehungsratgeber, eine ideale Ergänzung dar, da sie thematisch eng mit der Kernzielgruppe verknüpft sind. Besonders interessant sind nachhaltige Produkte wie Spielwaren aus Holz oder umweltfreundlichen Materialien, die die zunehmenden Ansprüche umweltbewusster Eltern erfüllen.
Chancen für Nicht-Spielwarenhändler: Die Integration von Spielwaren
Nicht nur Spielwarenhändler können von einer strategischen Sortimentserweiterung profitieren. Auch branchenfremde Händler, deren Zielgruppen Kinder oder Eltern umfassen, können durch die Integration von Spielwaren neue Umsatzpotenziale erschließen. Buchhandlungen beispielsweise haben die Möglichkeit, ihre Kinderbuchabteilungen durch thematisch passende Spielwaren wie Plüschtiere oder Holzspielzeug zu ergänzen. Diese Kombination bietet einen klaren Mehrwert für Kunden, die auf der Suche nach Geschenken für Kinder sind. Modegeschäfte, insbesondere solche mit einem Fokus auf Kinder- oder Babykleidung, können ihr Sortiment durch stilvolle Spielwaren erweitern, die sich ideal als Geschenkartikel eignen. Auch Einzelhändler im Geschenkartikel-Segment profitieren von der Aufnahme hochwertiger, nostalgischer oder nachhaltiger Spielwaren.
Selbst der Lebensmittelhandel hat in diesem Bereich Potenzial. Während Discounter Spielwaren oft als saisonale Aktionsware in ihr Angebot aufnehmen, setzen SB-Warenhäuser auf Dauersortimente mit etablierten Marken wie Lego oder Playmobil. Diese Markenartikel sind bei Eltern beliebt und sichern eine hohe Nachfrage. Entscheidend für den Erfolg ist jedoch die Zielgruppenorientierung. Spielwaren, die keinen Bezug zur bestehenden Zielgruppe oder zur Positionierung des Geschäfts haben, wie preisgünstiges Spielzeug in Luxusmodegeschäften, funktionieren in der Regel weniger gut.
Weniger geeignet für eine Sortimentserweiterung sind hingegen Artikel, die keinen klaren Bezug zur Zielgruppe oder zur Markenidentität des Unternehmens aufweisen. Branchenfremde Produkte wie Lebensmittel oder Elektronik können die Markenwahrnehmung verwässern und potenzielle Kunden verunsichern. Außerdem sind solche Artikel oft margenschwächer, was die wirtschaftliche Attraktivität weiter reduziert. Um Risiken zu minimieren, empfiehlt es sich, mit kleinen Testsortimenten zu beginnen. Diese erlauben es, Marktpotenziale auszutesten, ohne hohe Investitionen tätigen zu müssen.
Margenbetrachtung: Markenartikel versus Eigenmarken
Ein zentraler Aspekt bei der Sortimentserweiterung ist die Margenstruktur. Spielwaren gelten im Einzelhandel als margenstark (über 40 Prozent sind branchenüblich), wobei Eigenmarken oft höhere Margen (50-70 Prozent) ermöglichen als etablierte Markenartikel (30-40 Prozent). Markenprodukte wie Lego oder Playmobil punkten durch ihre Bekanntheit und den Vertrauensbonus bei den Kunden, stehen jedoch im starken Preiswettbewerb. Eigenmarken oder sogenannte Me-Too-Produkte hingegen bieten Händlern größere Preissetzungsmöglichkeiten und sprechen preisbewusste Kunden an. Dennoch erfordert der Handel mit Eigenmarken besondere Aufmerksamkeit. Insbesondere bei Warenbezügen aus Asien über die eigenen Einkaufsorganisationen müssen strenge Qualitätskontrollen etabliert werden, um Risiken wie Produkthaftung und Reputationsverluste zu vermeiden.
Neben Eigenmarken bieten auch Nischenprodukte wie nachhaltige oder edukative Spielwaren interessante Möglichkeiten. Diese Produkte erzielen oft Margen zwischen 40 Prozent und 60 Prozent und sprechen bewusstere und kaufkräftigere Käufergruppen an, was sie zu einer attraktiven Ergänzung des Sortiments macht.
Fazit: Strategische Planung ist der Schlüssel
Die Erweiterung des Sortiments birgt für Händler zahlreiche Chancen, birgt aber auch Herausforderungen. Entscheidend ist eine sorgfältige strategische Planung, die sowohl die Zielgruppe als auch die Markenidentität des Unternehmens berücksichtigt. Testsortimente können helfen, Marktpotenziale zu evaluieren und Risiken zu minimieren. Darüber hinaus sollten Händler die Balance zwischen Eigenmarken und etablierten Markenprodukten sorgfältig austarieren, um sowohl hohe Margen als auch Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Letztlich geht es weniger darum, kurzfristig neue Kunden zu gewinnen, sondern langfristige und profitable Kundenbeziehungen aufzubauen.