Handel: Lebenswerte Innenstädte

20. Juni 2025, 8:00

Einige deutsche Innenstädte wirken auf den ersten Blick austauschbar und uniformiert. Häufig fehlt die Vielfalt und Einzigartigkeit in den Städten. Doch es tut sich etwas. Kreativität und Innitiative sind gefragt, mit dem Ziel wieder mehr Menschen in die Innenstädte zu locken.

Wenn Passanten durch so manche deutsche Innenstadt flanieren, gewinnen sie häufig den Eindruck eines einheitlichen grauen Stadtbilds. Die Ursache hierfür liegt häufig auf der Hand. Im Nachkriegsdeutschland mussten die Städte so schnell wie möglich wieder errichtet werden, häufig aus günstigen und schlechten Materialien, die heute eine kostenintensive Sanierung erfordern.

Zudem lassen Leerstände, Imbissbuden und Ein-Euro-Shops kaum Wohlfühlatmosphäre aufkommen. Es fehlt häufig an Vielfalt und interessantem Angebot. Sprich: Es fehlt an Gründen sich lange in den Innenstädten aufzuhalten. Die Gründe dafür sind schnell aufgezählt und ähneln sich in nahezu allen Städten: Ehemalige Ladenlokale und Kaufhäuser stehen häufig leer und es kommt somit zu einem Trading-Down-Effekt. Die Inflation, Personalmangel und Online-Handel tun ihr Übriges. Zudem haben einige Einzelhändler auch noch mit den Folgen der Pandemie zu kämpfen.
Doch die Probleme werden erkannt. So verweist das Bundesinnenministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen auf seiner Homepage darauf, dass es an erheblicher funktionaler, städtebaulicher und immobilienwirtschaftlicher Anpassungen in den Innenstädten, Stadt- und Ortsteilzentren fehlt. Doch es regt sich etwas. Die Bundesländer haben, jedes für sich, Initiativen gegründet und gehen die Probleme dabei recht unterschiedlich an. Ob Bürgerbeteiligungen, Workshops oder Verlosungen: Die Fördermaßnahmen sind so vielfältig wie die Bundesländer selbst. Rheinland-Pfalz zum Beispiel hat einen Preis von 30.000 Euro ausgelobt, für diejenigen, die kreative Ideen haben, die Innenstädte aufzuwerten. Den „Innenstadtpreis Rheinland-Pfalz“. Dieser Preis dokumentiert nachahmenswerte Beispiele, motiviert zu eigenen Initiativen und leistet einen weiteren Beitrag zur Belebung der Innenstädte und Ortszentren. Die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt sagt zu der Maßnahme: „In der Innenstadt der Zukunft sollen Menschen sich begegnen, einkaufen und wohnen können. Plätze und Straßen sind barrierefrei und werden auch für kulturelle Angebote genutzt, so dass sich das gesellschaftliche Leben dort entfalten kann. Restaurants, Gaststätten und Cafés lassen Einkaufen, Genuss, Unterhaltung und Entspannung zu einem Gesamterlebnis verschmelzen. Die Innenstadt der Zukunft hat eine leistungsfähige digitale Infrastruktur und eine bürgerfreundliche Verwaltung. Über vernetzte, klimafreundliche Mobilitätslösungen ist sie gut erreichbar für Anwohner, Pendler, Gäste und Lieferanten. Unser Regierungsschwerpunkt ‚Innenstädte der Zukunft‘ ist also ein spannendes Projekt mit vielen Facetten.“ Der Plan ist also die Innenstädte für Einwohner*innen und Besucher*innen wieder attraktiv und lebendig zu gestalten. „Unser Ziel ist es, gelungene Beispiele bekannt zu machen, zur Nachahmung zu motivieren und einen weiteren Beitrag zur Stärkung unserer Innenstädte zu leisten. Ich lade alle engagierten Innenstadtakteure herzlich ein, ihre Projekte einzureichen und zu zeigen, wie mit Kreativität und Zusammenarbeit die Zukunft unserer Innenstädte gestaltet werden kann“, so Ministerin Daniela Schmitt.

Dazu bedarf es einer Mischung aus Handel, Handwerk, Dienstleistungen, Gastronomie und kultureller Angebote. Auch historisch bedeutsame Plätze, eindrucksvolle Denkmäler, Wasser und grüne Oasen bringen Leben in die Städte und wirken anziehend. Gerade im Sommer spielt das Thema Begrünung eine zentrale Rolle. Denn zubetonierte und kahle Plätze ohne Baumbestand spenden auch keinen Schatten und somit auch keine ersehnte Abkühlung, wenn die Sonne mal wieder unerbittlich auf das Straßenpflaster brennt. Auch hier gibt es bereits einige Städte, die in Sachen Begrünung so einiges richtig machen und viele Passanten in die Städte locken. Zudem zeigen aktuelle KIT Studien, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurden, dass urbane und vielfältige Grünanlagen mit Bäumen die Gesundheit der Menschen in Städten verbessern und die Lebensqualität in Städten beeinflusst. „Wir können zeigen, dass eine Erhöhung des Baumbestandes um mindestens 30 Prozent die jährliche Zahl der extremen Hitzestunden um fast 64 Prozent und den jährlichen Wasserabfluss um 58 Prozent verringern könnte“, fasst Dr. Somidh Saha, Gruppenleiter am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT und Leiter der Studie zusammen.
„Raus ins Grüne“ bedeutet in Kassel, Essen, Halle und Osnabrück nicht zwangsläufig auch „Raus aus der Stadt“. Schließlich sorgen Parks, Botanische Gärten und Auen auch in Großstädten für Erholung.
Aber wie sieht es denn tatsächlich mit den beliebtesten Einkaufsstraßen aus? Im Jahr 2023 waren die drei beliebtesten Einkaufsstraßen laut Hystreet.com München (Neuhauser Straße mit 28,62 Millionen Besuchern), München (Kaufingerstraße mit 28,56 Millionen Besuchern) und die Frankfurter Zeil (23,3 Millionen Besucher). Hystreet hat in inzwischen 112 Städten an 322 Standorten Laserscanner installiert, die die Passanten vollautomatisiert zählen. Die digitalen Daten sind für jedermann auf der Plattform abrufbar. Im laufenden Jahr 2025 sind die Plätze eins bis drei von München belegt. Was fehlt den anderen Städten oder was macht eine Innenstadt attraktiv für Besucher*innen? Im Gespräch mit Martin Reink, Bereichleiter für Standort- und Verkehrspolitik des Handelsverbands Deutschland, erfährt TOYS-Redakteurin Janina Hamhaber was Innenstädte besonders lebenswert macht und wie das Ideal einer Innenstadt aussehen sollte.


Interview mit Michael Reink, Bereichsleiter Standort und Verkehrspolitik beim HDE

Herr Reink, wie sieht Ihrer Meinung nach eine lebenswerte Innenstadt aus, beziehungsweise welche Faktoren machen eine Innenstadt besonders lebenswert?
Na ja, letzten Endes ist es eigentlich die Lebendigkeit und die Nutzungsmischung, die eine Innenstadt lebenswert macht. Erstmal natürlich, dass viele Menschen in die Städte kommen und Begegnungen ermöglicht werden. Der Einzelhandel spielt eine Rolle, aber auch die Gastronomie, Kultur, Dienstleistung, öffentliche Einrichtungen und so weiter. Zu guter Letzt zählen natürlich auch ein schönes Stadtbild und eine Wohlfühlatmosphäre dazu. Das ist eigentlich das Ideal einer schönen Innenstadt.

Michael Reink, Bereichsleiter Standort und Verkehrspolitik beim HDE

Wie ist das Ihrer Meinung nach umsetzbar? Was fehlt oder beziehungsweise wer hat das in der Hand, dass man ein solches Ideal schaffen kann?
Wenn man es ganz kurz beantworten würde, kann man einfach auf die kommunale Planungshoheit verweisen. Die Kommunen planen vor Ort selbst. Somit sind es die Kommunen, die es in der Hand haben. Aber man muss noch ein bisschen in die Tiefe gehen: Wenn man heutzutage die Stadtgestaltung angeht, dann macht man das mit breiten Bürger-Beteiligungsprozessen, das heißt also die Bürger werden häufig bei diesen Entscheidungen miteinbezogen. Aber ganz wichtig ist auch, wenn man sagt, dass die Kommunen verantwortlich sind, dann muss man natürlich auf die kommunalen Haushalte schauen, ob die Kommunen überhaupt in der finanziellen Lage sind, etwas für diese gute, schöne Innenstadt zu tun. Und da lesen wir natürlich gerade in jüngster Zeit, dass die kommunalen Haushalte verschuldet sind.

Und wie sieht es aus Sicht des Handels aus? Wenn man momentan in die Innenstädte geht, hat man oft den Eindruck, dass sich Imbisse, Friseure und Ein-Euro-Shops abwechseln, aber die Vielfalt fehlt. Wie lockt man denn die Menschen wieder zurück in die Innenstädte, beziehungsweise was muss getan werden, damit der Handel in den Innenstädten auch wieder vielfältiger wird?
Die Situation in den Innenstädten ist sehr unterschiedlich. Wir wissen, dass die Leute sehr gerne in ihre Innenstädte gehen, auch junge Menschen gehen sehr gerne in ihre Innenstädte. Die vermissen dort natürlich ein bisschen was, sie wollen sich dort mit anderen Leuten treffen und chillen. Das ist ein großes Motiv. Der Hauptanlass, in die Innenstadt zu kommen, ist nach wie vor der Einzelhandel. Bei älteren Leuten geht es natürlich auch um eine gute Handelsausstattung, aber auch um die Frage, ob dort genügend Sitzplätze zur Verfügung stehen oder wie denn das Straßenpflaster ist. Wir haben mittlerweile in den meisten Innenstädten wieder recht gute Frequenzen. Aber das zweite, was sie gesagt haben, ist total richtig. Man sieht immer mehr Gastronomie. Aber diese Gastronomie ist dann häufig keine hochwertige gastronomische Einrichtung, sondern eine „Imbissbude“. Die sorgt natürlich auch nicht dafür, dass das Stadtbild insgesamt aufgewertet wird. Hier muss man aber sagen, dass alles ein bisschen bürger- und verbrauchergesteuert ist. Umso mehr Leute im Onlinehandel einkaufen und das machen sie insbesondere im Textilen-Einzelhandel. Und der Textile-Einzelhandel wiederum hat die stärkste Marktdurchdringung beim Onlinehandel, nämlich über 40% Markanteil. Wenn ein recht großer Teil dieser Umsätze sich von einem physischen Raum zu einem virtuellen Raum verlagert, also dem Onlinehandel, dann muss man als Händler reagieren, um seine Wirtschaftlichkeit weiterhin wahren zu können. Und das bedeutet einfach, man baut Flächen ab. Diese Flächen werden dann frei und zum Beispiel von der Gastronomie genutzt. Aber eines ist ganz wichtig: Das ist ja kein Prozess, der jetzt vom Einzelhandel ausgelöst wird, sondern der Siegeszug des Onlinehandels. Das sind alles Folgewirkungen, wie unsere Gesellschaft zum Beispiel mit der Digitalisierung umgeht.

Dann kommt es sicherlich auch auf die Konkurrenzfähigkeit mit dem Onlinehandel an? Weshalb der stationäre Handel wahrscheinlich gar nicht mithalten kann?
Ja, teils teils. Also die Margen im stationären Einzelhandel sind wesentlich höher als im Onlinehandel. Das hängt beim Onlinehandel häufig mit Retouren zusammen, die recht teuer sind. Und viele Menschen häufig Waren retournieren. Dadurch wird natürlich die Marge beim stationären Einzelhandel wesentlich besser als beim Onlinehandel. Dennoch ist es so, dass der Onlinehandel, gerade was den textilen Einzelhandel angeht, schon nennenswerte Umsatzanteile hat.

Und wie sieht es im Bereich Spielwarenfachhandel aus?
Da ist es auch relativ ähnlich, also auch bei Spielwaren ist es so, dass sie online von den Kunden gut angenommen werden. Weil wenn man erst mal Vertrauen gefasst hat zu gewissen Produkten, ob das jetzt Playmobil ist oder Mattel oder andere Marken, die sie kennen, da werden die Leute das Angebot des Händlers vielleicht gar nicht mehr in Anspruch nehmen. Auf dem Produkt steht ohnehin drauf, für welche Altersgruppe es empfohlen wird. Und wenn man die Marke kennt und Vertrauen dazu hat, dann kann man der Marke natürlich auch online trauen. Das heißt also, all diese Produkte, die das betrifft, werden auch online angeboten und verkauft. Gleichwohl die Beratung, die natürlich ein Einzelhändler oder eine Einzelhändlerin aus dem Fachhandel bieten kann, vom Online-Handel nicht übernommen wird.

Wie müsste sich dann der stationäre Handel insofern verändern, dass die Menschen wieder lieber in die Läden gehen, weil sie vor Ort vielleicht ein besonderes Einkaufserlebnis haben?
Man kann da auch in andere Branchen schauen. Also wir hatten zum Beispiel ganz am Anfang, als es losging mit dem Onlinehandel, große Probleme im Buchhandel. Von Amazon wurden anfangs weitestgehend Bücher angeboten. Dann kam dieser Reader mit dazu, da hat dann aber die Buchbranche selbst reagiert, indem sie einen eigenen Reader entwickelt hat, der mittlerweile sehr gute Marktanteile hat. Aktuell haben wir ein Geschäft ausgezeichnet, von Thalia in Köln. Da muss man einfach sagen, dass sich der Buchhandel weiter entwickelt hat, in einen öffentlichen Ort, an dem man sich im Prinzip den ganzen Tag aufhalten kann. Wo man natürlich Bücher lesen kann, aber wo auch Spielecken für Kinder sind. Das ist eine sehr angenehme Atmosphäre. Das heißt also, der stationäre Einzelhandel hat sich vom reinen Verkauf weiterentwickelt. Es gibt auch in Bonn einen Spielzeugladen, in dem man ganz normal Spielzeug kaufen kann, der sich aber auch weiterentwickelt hat. Nämlich so, dass derjenige, der dort in den Laden geht, Eintritt bezahlt. Weil Kinder dort überall spielen können und die Eltern dort Kaffee trinken können. Das heißt, die sind dort auch in diesen Event-Charakter eingestiegen. Das bedeutet, der Einzelhandel muss sich sehr wahrscheinlich ein bisschen nach vorne entwickeln nach dem Motto: „Wo ist noch Wertschätzung, die mit dem reinen Verkauf nichts zu tun hat, aber was unheimlich gut mit den Produkten gekoppelt werden kann?“ Ich glaube, in diese Richtung wird das Ganze in Sachen Spielzeughandel gehen.

Könnte so auch generell die Zukunft der Innenstädte aussehen, dass das eher zum Erlebnisraum wird als zum reinen Einkaufserlebnis, wie wir es aktuell kennen?
Genau die Innenstädte entwickeln sich ohnehin schon seit einiger Zeit dorthin. Es gab Langzeitstudien und die Studienergebnisse haben gezeigt, dass die Leute mehr Events in der Innenstadt wollen. Einige kommunale Vertreter haben das falsch übersetzt, weil die dann gesagt haben, wir müssen jetzt noch mal die Wallenstein-Tage durchführen oder ein anderes historisches Spektakel. Aber darum geht es den Leuten eigentlich gar nicht. Man kann ja nicht jeden Tag ein Mittelalterspektakel machen, da kommen die Leute dann irgendwann auch nicht mehr. Die Leute wollen einen Ort haben, an dem sie ihre Freizeit verbringen möchten. Das kann bedeuten, dass das Ganze mit dem Thema Sport verbunden wird. Wieso gibt es nicht viel mehr Sportangebote in den Innenstädten? Wenn wir eine große Fläche in den Innenstädten haben, dann sind das oft Parkplätze. Oder es sind ähnliche Grünflächen. Auf der Grünfläche steht dann häufig dran, „Rasen betreten verboten“. Ich verstehe das alles überhaupt nicht, weil wieso haben wir nicht riesengroße Spielanlagen auch für Erwachsene in den Innenstädten? Wieso ist die Halfpipe, die wir jungen Leuten anbieten, immer unter irgendeiner Autobahnbrücke und wieso nicht mitten in den Innenstädten? Wir müssen den Menschen Möglichkeiten bieten, ihre Freizeit zu verbringen. Es geht einfach darum, Anlässe zu schaffen und permanente Anlässe bedeuten, wir müssen die Innenstädte teilweise anders denken. Wie etwa: Wo sind gute Orte, wo die Leute sich einfach in Ruhe aufhalten können, Ballspiele ausüben oder was auch immer? Und das ist es, was die Leute mit Events meinen. Also Menschen sind halt gerne unter anderen Menschen und beobachten auch ganz gerne andere Menschen.

Und was macht die Innenstadt aus Sicht des Handels attraktiv?
Ja, also der Handel muss sich natürlich auch weiter nach vorne bewegen. Vor ein paar Jahren war es auch noch sehr ungewöhnlich, dass Ihnen in einem Einzelhandelsgeschäft ein Kaffee angeboten worden ist. Und heutzutage haben wir bei Peek und Cloppenburg zum Beispiel häufig Café-Einstein, die direkte Untermieter sind. Oder wir haben teilweise Einzelhändler, die sich direkt mit der Gastronomie verbinden und Sterneküche anbieten. Das heißt also auch hier geht es darum, die Aufmerksamkeit in diesen Geschäftsräumen zu erweitern. Und wenn man sich die Flagship-Stores von Douglas ansieht, dann geht es zum Beispiel darum, Hautanalysen zu machen, Gesichtsmassagen anzubieten oder Schminktermine zubuchen. Die Wertschöpfungskette muss weiter gedacht werden. Nach dem Motto: Was können wir mit unseren Produkten noch machen? Wie können unsere Produkte in Szene gesetzt werden? Also zum Beispiel beim Sporthandel bin ich häufig verwundert, dass in den Sportläden nicht automatisch auch Sport-Einrichtungen sind. Ich verstehe das gar nicht. Also wieso wird nicht in jedem Sportladen, der zum Beispiel Golfschläger anbietet, automatisch ein Abschlagplatz angeboten?

Das ist sicherlich auch eine Frage des Platzes, also wird dann auch mehr Verkaufsfläche gebraucht, oder?
Aber wenn Sie mich nach dem Ideal fragen, wie der Handel sich weiterentwickeln sollte, dann ist das meine Antwort. Natürlich können wir uns auch darüber unterhalten, dass die Geschäfte relativ klein sind und die Ladeninhaber oft sechs Stunden am Tag oder sechs Tage in der Woche hinter dem Ladentresen stehen.

Genau, das meinte ich.
Natürlich haben die neben der Personalführung und dem Wareneinkauf dann auch noch das Marketing. Dann müssen sie die Miete erfüllen, Kredite bedienen und Waren einkaufen. Dann kommt noch der Onlinehandel dazu, Social Media und so weiter. Also es ist total viel Arbeit. Wenn Sie mich jetzt fragen, ob sich auch Geschäfte entwickeln, dann kann ich sagen, wenn wir uns anschauen, wie die Gesellschaft sich insgesamt weiterentwickelt, dann haben wir eigentlich immer mehr Freizeit. Auch das Homeoffice wird dazu genutzt, immer mehr Freizeit zu haben. Weil diese Pendlerverkehre entfallen.

Und was hat das für Folgen?
Dann haben wir wieder eine halbe Stunde, eine Stunde, vielleicht sogar zwei Stunden, teilweise mehr pro Tag gewonnen. Weil wir haben entweder ein Shoppingcenter auf der grünen Wiese, oder wir haben die Innenstadt, aber das sind zielgerichtete Verkehre. Beim Freizeitverhalten ist es total chaotisch, weil wir alle machen unterschiedliche Sachen in unserer Freizeit. Der eine sagt, ich gehe mal laufen, der andere sagt, ich fahre Rad, andere lesen lieber irgendwelche Bücher, andere Leute gehen in den Wald. Es ist also völlig chaotisch, was wir in der Freizeit machen. Und wir wissen über Verkehrsanalysen, dass eben dieses Homeoffice, dass dieser zielgerichtete Verkehr durch den chaotischen Freizeitverkehr ausgetauscht wird. Wenn Sie mich dann fragen, okay, wir haben also mehr Freizeit, dann sage ich natürlich, ja, das ist ideal für den Einzelnen, wenn dieses Freizeitverhalten sehr stark mit der Innenstadt gekoppelt wird. Und wenn wir dann gleichzeitig wissen, dass nicht nur die jungen Leute, sondern alle Altersgruppen gerne in die Innenstadt gehen und ihre Freizeit dort verbringen, dann sage ich, dass wir eigentlich nur beim Freizeitverhalten andocken müssen. Und dann kann ich eben in einen Sportladen gehen, der eine Golf-Abschuss-Rampe anbietet.

Existiert so etwas in der Art bereits?
Was wir zum Beispiel ganz häufig sehen, bei Fahrradläden zum Beispiel, da gibt es oft einen Community-Gedanken. Es gibt Fahrradläden, die sind auch genau so konzipiert. Eigentlich sollten die Leute dort auch irgendwann ein Fahrrad kaufen oder reparieren lassen, aber im Grunde geht es darum, dass wenn jemand einen guten Raum sucht, in dem man sich wohlfühlt, in den Fahrradladen zu gehen, dort sogar zu arbeiten oder einen tollen Kaffee zu trinken. Im Prinzip können sich die Leute dort den ganzen Tag aufhalten. Wichtig ist nur, dass man sich der Community verpflichtet fühlt und die Werte mitträgt. Wieso gibt es das nicht auch im Spielwarenhandel? Das machen bestimmt schon einige, dass sie Spieleabende anbieten, um neue Spiele auszutesten. Aber warum wird dort nicht auch so eine Community aufgebaut? Weil viele Leute einfach Lust auf Spielen haben. Und dieser Spielwarenladen in Bonn, den ich bereits erwähnt hatte, der hat es total auf die Spitze getrieben. Kinder und Eltern müssen Eintritt zahlen und dafür ist das dann so ein kleiner Freizeitpark im Spielwarenladen. Die Kinder können spielen und die Eltern sind froh, weil sie einen Kaffee trinken oder ein Buch lesen können. Und dann kommen die Familien dorthin und die Kinder möchten unbedingt dieses oder jenes Spiel. Damit startet dann der Verkaufsprozess, in dem der Laden dann diese ganzen Spiele anbieten, von Playmobil und so weiter, aber man kann es natürlich auch kaufen. Das heißt, sie haben zwei Möglichkeiten, Geld zu verdienen, und wie gesagt, diese eine Möglichkeit, das über das Spiel an sich hinzubekommen, das nutzen die meisten Läden halt bisher nicht.

einzelhandel.de