Handel: Die Alpha-Strategie
Der Markt sogenannter Pure Player im Spielwarenhandel ist hart umkämpft. Mit welchen Ansprüchen zukünftige Generationen dem Spielwarenhandel begegnen, erläutert Christoph Hofer im nachfolgenden Beitrag.
Unternehmen geht trotz mehrmaliger Strategiewechsel und hoher Investitionssummen auf der Langstrecke nicht selten die Puste aus. Wo die Margen so knapp kalkuliert sind, können sich Spielwarengeschäfte in Reinkultur keine Innenstadtlagen mit entsprechenden Mietkosten mehr leisten. Eine Nische finden, sich profitabel aufstellen, mit stationärer Präsenz neben Mitbewerbern aus Drogerie, Schreibwarenhandel oder Elektromarkt bestehen – eine große Herausforderung.
Die Würfel fallen online
Wo Fachgeschäfte straucheln, wächst der E-Commerce-Umsatz. Branchenbeobachter gehen davon aus, dass das Onlinegeschäft bis 2025 etwa 60 Prozent des Spielwarenmarktes ausmachen wird. Fakt ist, dass Onlineshops und Marktplätze den stationären Handel mehr und mehr verdrängen und die Zahl der reinen Spielwareneinzelhändler in Deutschland schrumpft. So zählt der Wirtschaftsinformationsanbieter databyte in diesem Jahr noch 1.205 wirtschaftsaktive Spielwarenhändler, nur 39 neue Player gründeten sich bisher 2023.
Insbesondere für stationäre Geschäfte ohne angeschlossenen Großhandels-Shop oder eine Marktplatz-Anbindung sieht die Zukunft nicht rosig aus. Ihre Möglichkeiten, Verbraucherinenn und Verbraucher wieder auf die Fläche zu locken, sind Stand heute eingeschränkt. Schließlich zählt bei den Konsumierenden primär der Preis als ausschlaggebendes Kaufargument. Hier bietet der Onlinehandel hohe Transparenz und Vergleichbarkeit, niedrige Preise sowie eine schnelle und bequeme Lieferung nach Hause.
Wo die Zahl der Anbieter hoch ist und der Großteil des Geschäfts über leicht verfügbare Marken abgewickelt wird, ist die Bindung der Kaufenden an den Händler niedrig. „Die Spielwarenbranche ist überdurchschnittlich markenartikelgetrieben“, beobachtet Steffen Kahnt vom BVS – Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels e.V. „Kinder und Jugendliche werden vielfältig und auch über verschiedene Kanäle wie TV und Merchandise an bestimmte Brands herangeführt. Diese Markenfokussierung führt dazu, dass die Bezugsquelle der begehrten Artikel schneller austauschbar ist. Das Produkt zählt dann schnell mehr als der Bezug per Online-Shop oder Ladengeschäft“.
Was der Branche Auftrieb geben kann, ist eine kluge, kundenbindende und mittelfristig KI-gestützte Verknüpfung von Store und Shop. Wie kann das aussehen und was erwarten Konsumierende in naher Zukunft?
zwei.gmbh
„Onlineshopping der Zukunft setzt auf Schnelligkeit, Individualität und Bequemlichkeit“
Die nächsten Generationen
Kinder und Jugendliche haben heutzutage auch ohne eigenes Budget klare Vorstellungen davon, was sie sich wünschen, woher sie ihre Lieblingsprodukte bekommen und wie sie ihre Wünsche zu ihren Angehörigen transportieren. Eine kurze Nachricht mit Link über den Messenger und der Bestellprozess läuft. Noch ist die Elterngeneration am Warenkorb, aber die Konsumtreiber von heute sind die Kundinnen und Kunden von morgen. Zum Beispiel die Generation Corona: Jugend- und Zukunftsforschende berichten, dass die COVID-19-Pandemie unbestritten Einfluss auf die Identität und damit im nächsten Schritt auf das Konsumverhalten Jugendlicher hatte und hat. Sie beschreiben eine Generation Corona, der sie die jüngsten Angehörigen der Generation Z und die ältesten der Generation Alpha zurechnen. In dieser, grob von 2003 bis 2010 geborenen Zielgruppe, setzte der E-Commerce-Turbo ein und erfasste auch die Spielwarenbranche. Aus den Umsatzdaten verschiedener Fachverbände zum Corona-Jahr 2021 lässt sich ablesen, dass die Spielwaren-Branche auf der Gewinnerseite der Krise stand: Laut Handelsverband Spielwaren BVS investierten die Deutschen 3,8 Milliarden Euro.
Die Pandemie liegt glücklicherweise hinter uns, der Onlineboom ist geblieben. Er wird zukünftig verstärkt von Generationen angeheizt, die als Digital Natives mit Technologie aufgewachsen sind, mit digitalen Devices versiert umgehen und genaue Vorstellungen davon haben, was Services online leisten müssen. Die jüngsten von ihnen sind die seit 2010 geborenen Alphas, die aktuell zwar nicht über mehr als ihr Taschengeld verfügen, aber indirekt über ihre Eltern schon einen riesigen Markt beeinflussen. Zu allererst den für smartes Spielzeug. Ob zur Beschäftigung, zum Lernen oder ganz nebenbei, alle ab 2010 Geborenen kennen kein Leben ohne Bildschirm. Das prägt junge Köpfe ungemein und verstärkt gewisse Trends, die sich bereits heute im Ansatz zeigen. Sie zum heutigen Zeitpunkt für Sales- und Marketingstrategien außen vor zu lassen, wäre fahrlässig. Aber was erwarten die Jungen vom Spielwarenhandel, wie und wo wollen sie angesprochen werden?
Mobile only statt mobile first!
Die Generationen Z bis Alpha nutzen in der Regel mobile Geräte wie Smartphones und Tablets, um sich zu informieren und zu shoppen. Der erste Schritt für zukunftsgewandtes Handeln führt dementsprechend auf eine Website, die responsiv für Mobiles optimiert ist und damit aufwandfrei und benutzerfreundlich in den Alltag passt. Neben der mobilen Shop-Version bieten Apps für die Kommunikation und Bindung junger Kunden steigende Mehrwerte. Mit moderner Darstellung, aber auch technischen Features wie Live-Chats, regionalem Targeting, Identifikationsmethoden und verschiedenen Payment-Methoden bieten Shopbetreibende ihrer Kundschaft über Apps positive Einkaufserlebnisse. Je mehr Anwendende der App Push-Nachrichten zulassen, desto schneller gelingen Zielgruppenanalysen und individualisierte Ansprachen.
Onlineshops müssen sich mehr und mehr daran gewöhnen, dass ihre Kunden aufgrund der Flut an Möglichkeiten immer anspruchsvoller werden. Statt sich mit dem Verfügbaren zufrieden zu geben, ziehen die jungen Nutzer weiter. So kennen sie es von Social Media, wo das unterhaltsamere Video nur ein paar Klicks entfernt wartet. Händler müssen Alpha-Kunden dementsprechend gleich auf der Startseite überzeugen, um sie nicht an andere zu verlieren. Eine Umfrage von Google offenbart außerdem einen klaren Wunsch nach Omnichannel. Schon Millenials nutzen mehrere Kanäle beim Shoppen: Auf Instagram inspirieren lassen, direkt im Onlineshop bestellen und innerhalb weniger Stunden im Laden abholen.
TikTok made me play it
Dass Social Media eine große Rolle beim Kaufverhalten Heranwachsender spielt, geht auch aus einer Umfrage von Wunderman Tompsen hervor. Von 4.000 Befragten gab mehr als die Hälfte an, Kaufinspiration beim Lieblings-Influencer zu sammeln. Aus der Kombination Onlineshop plus starke Social Media-Präsenz, insbesondere auf YouTube, Instagram und TikTok, entsteht eine solide Basis. „Auch mit Hilfe meiner Verbundgruppe habe ich als Händler die Freiheit, meine Onlinepräsenz selbst zu gestalten“, so Steffen Kahnt. „Es ergibt durchaus Sinn, den Shop mit Social Media-Kanälen wie Facebook oder Instagram zu verknüpfen und hier Produktlaunches oder Kampagnen zu Saisonzeiten zu fahren. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, oft ist es selbstverständlich eine Frage der Manpower“.
Je schmaler Zeitkonto und Budget ausfallen, desto klarer sollten sich Handelnde überlegen, auf welche Social Media-Plattform sie bauen: Während sich auf Facebook überwiegend die Elterngenerationen tummeln, nutzt die Gen Z abwärts Instagram, YouTube und TikTok. Wie die digitale Strategie auch aussieht, die Spielwarenindustrie stellt dem Fachhandel zumeist ausreichend Video- und Bild-Content zur Verfügung, der sich regional für Aktionen nutzen lässt.
Ganz gleich welche Plattform, authentische, unterhaltsame, kreative und schnell erzählte Inhalte punkten. Geduld war einmal eine Tugend – doch im Internet gilt das Gesetz des Lautesten und Schnellsten. Die Generation Alpha hat aufgrund der digitalen Reizüberflutung und schnellen Informationen eine kürzere Aufmerksamkeitsspanne. Egal ob Events, Angebote oder smarte Spielzeugtrends, jede Sekunde zählt. Am eindrucksvollsten zeigt das TikTok. Wer auf der App nicht innerhalb eines winzigen Moments die Aufmerksamkeit erhascht, wird einfach weggewischt.
„Um junge Menschen für den Besuch im stationären Handel zu begeistern, muss dieser attraktive Angebote unterbreiten“
Steffen Kahnt, BVS
Mein Freund die KI
Gen Alpha schätzt interaktive Erfahrungen und Gamification. Sie wird von Spielzeugen erwarten, dass sie künstliche Intelligenz nutzen, um etwa ihre Fragen zu beantworten, auf ihre Vorlieben einzugehen und mit ihnen so zu interagieren, als wären sie menschlich. Besonders sprachgesteuerte digitale Assistenten im E-Commerce werden sich in diesem Bereich gut schlagen. Fest steht, Onlineshopping der Zukunft setzt auf Schnelligkeit, Individualität und Bequemlichkeit. Am besten funktioniert das mit möglichst vielen Daten und hier kommt die rasant voranschreitende KI ins Spiel. In naher Zukunft fragen Kinder und Jugendliche nicht mehr die Freunde nach einer Empfehlung fürs Partyspiel, sondern Avatare im Metaverse. Diese, in Ansätzen schon heute vertretenen Tools, werten Kaufverhalten und Vorlieben der Nutzer aus, um gezielte Vorschläge für den nächsten Einkauf zu geben.
Authentizität und reale Begegnungen zählen
Ja, die Generation Alpha wird noch technologiegeprägter als ihre Vorgängergenerationen. Das bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass sie immer weniger Wert auf reale zwischenmenschliche Begegnungen legt. „Um junge Menschen für den Besuch im stationären Handel zu begeistern, muss dieser attraktive Angebote unterbreiten, die einen Anlass für den Besuch im stationären Geschäft liefern“, erklärt Kahnt. „Händlerinnen und Händler können zum Beispiel die Dynamik nutzen, die durch auf Social Media angekündigte Events oder Neuheiten entsteht. Damit bauen sie eine persönliche Kundenbeziehung auf.“
Unterstützung regionaler Geschäfte und ein starkes Bewusstsein für Umweltthemen – auch das sind die Alphas. Greenwashing und laue Werbeaussagen erkennen sie jedoch geschult und daher wird online, auf Social Media und real überzeugen, wer seine Geschichte glaubhaft erzählt.