Handel – Das optimale Kauferlebnis
Große Onlineplattformen, die vor allem über den Preis verkaufen, machen regionalen Spielwarenhändlern zunehmend das Leben schwer. Doch
etablierte Häuser haben gute Argumente, wenn sie sich ihrer Stärken bewusst werden und neue Besuchs- wie Kaufanlässe schaffen.
Autor: Eric Hinzpeter
Nachgerade in der Pandemie blicken viele Spielwarenhändler mit Sorge auf die große Konkurrenz aus dem Internet, die auch traditionsreichen Häusern mit gut geschultem, dadurch aber kostenintensivem Fachpersonal, das Leben schwer macht. Dabei könnten gerade Fachhändler mit einem etablierten Markenkern von der Kombination aus Filialen vor Ort und E-Commerce als Wachstumsgeschäft profitieren – auch angesichts des durch die Pandemie dauerhaft veränderten Kaufverhaltens vieler Kunden. Sinnvoller als ein Entweder – Oder ist eine ganzheitliche Handelsstrategie, bei der sich Online und Offline Channel-übergreifend in der Kundenansprache ergänzen.
Dem Trend nicht entgegenstehen: Potenzial von Online nutzen
Dafür sollten Spielwarenhändler vor Ort gerade jetzt ihre Gesamtstrategie und deren unterschiedliche Standbeine auf den Prüfstand stellen. Ein immer größerer Anteil an Produkten wird über das Internet verkauft – ein langfristiger Trend im Kundenverhalten, der nicht aufzuhalten ist. Offen ist dagegen, ob der Kunde beim lokalen Spielwarenfachhandel auch online kauft oder ob er das bei der großen internationalen Plattform tut. Viele Kunden sind, das zeigen Reaktionen auf verschiedene „Buy local“-Kampagnen, durchaus nicht daran interessiert, einen anonymen Handelskonzern zu unterstützen, wenn sie das Geld auch in der Region lassen können – zumal sie oftmals selbst nostalgische Erinnerungen an die traditionsreichen Geschäfte haben. Dieses Bekenntnis zum Regionalen belegte zuletzt der Konsummonitor Corona 2021 des Handelsverband Deutschland (HDE) und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).
Sinnvoll ist es daher, wenn der stationäre Handel sich seiner Stärken besinnt und diese geschickt ausspielt, indem er Dinge bietet, die ein Onlinehändler naturgemäß nicht anbieten kann. Denn gerade Spielwarengeschäfte können eine Begegnungsstätte sein, den menschlichen Kontakt fördern und nicht zuletzt ein Einkaufserlebnis mit Spaßfaktor schaffen. Lokale Händler können hier mit entsprechenden Vorführungen von Neuerungen sowie mit Events und Kursen die Kundenbindung fördern – und dass gerade Familien auf Betreiben der Kinder solche Angebote bereitwillig annehmen, muss man wohl nicht einmal Kinderlosen erklären. Kurzum: Nichts ist weniger nachhaltig (und für den Händler vor Ort unerfreulicher) als sich vorrangig über das Preisargument abheben zu müssen, wie dies große Plattformen oftmals tun.
Um entsprechende lokale Events oder Aktionen zu promoten, lässt sich einerseits Content Marketing auf der eigenen Website oder einem hieran angeschlossenen Unternehmens-Blog machen. Zusätzlich bietet es sich an, auf Social-Media-Auftritte etwa bei Instagram oder YouTube zu setzen – und all das durch lokal fokussierte Onlinewerbung zu unterstützen. Gerade der Trend des vergangenen Jahres zu mehr Videowerbung bleibt auch im neuen Jahr bestehen, zumal YouTube weitere Ad-Features und Werbeformen ausrollen wird.
„Sinnvoll ist eine
ganzheitliche gedachte Handelsstrategie“
Eric Hinzpeter ist
Content-Marketing-
Experte bei Smarketer, der größten reinen Google Ads- und Microsoft Ads-Agentur in der DACH-Region. Smarketer zählt zu den wichtigsten Partnern von Google und Microsoft in Europa und unterstützt mit 200 Mitarbeitern rund 900 Kunden aus verschiedenen Branchen beim digitalen Wachstum.
Kanalübergreifend denken: Kauferlebnis rückt in den Vordergrund
Unaufdringlicher Service und Beratungsqualität sind entscheidende Elemente, für die der Kunde durchaus einen fairen und wettbewerbsfähigen Preis zu zahlen bereit ist – vorausgesetzt der Handel vor Ort geht die berühmte Extrameile und bietet ihm in der Einfachheit des Kaufs und bei der Retourenpolitik eine mit dem Onlinehandel vergleichbare Kulanz. Händler können hier auch online punkten, indem sie beispielsweise Click & Meet oder Click & Collect anbieten. Gerade lokale Händler sollten dazu einen zeitgemäßen Webauftritt haben und Klarheit über die Verfügbarkeit und den Lagerbestand von Produkten im Laden schaffen.
Google-Werbung bietet inzwischen umfangreiche Möglichkeiten, um mit möglichst geringen Streuverlusten regional zu werben und so Kunden mit einer speziellen Kaufabsicht zu erreichen. Local Ads-Formate sorgen dabei für Transparenz. Und wer als stationärer Händler bereits Kundenkonten führt, kann mit Hilfe von CRM-Daten die Wirkung von Online-Medien (Suche, Google Shopping und YouTube) bewerten und mit Offline-Käufen abgleichen. Spielwarenanbieter sollten dazu mit ihrem Online-Marketing-Dienstleister unbedingt über die Optimierungsmöglichkeiten im Rahmen von Performance Marketing sprechen.
Umgekehrt sollte die Beratung im Laden digitale Elemente enthalten und einen technischen Uplift erfahren, indem der Kunde etwa über QR-Codes am Regal Präsentationsvideos findet oder Anwendungsszenarien mit Hilfe von Augmented-Reality-Brillen bestaunen kann. Und wenn sich der Kunde nach einer Beratung durch einen Mitarbeiter vor Ort für ein Produkt entschieden hat, das in der gewünschten Variante gerade nicht auf Lager ist, sollte dieses im Laden beispielsweise mit Hilfe von Tablets bestellbar sein und nach Hause geliefert werden. Das stellt sicher, dass der gerade beratene und kaufbereite Kunde eben nicht zuhause auf eine Vielzahl von Online-Anbietern trifft, zwischen denen er dann auswählt, sondern seinen Kauf gleich im Laden abwickeln kann – Barzahlung inklusive. Nicht nur ältere Kunden, die erst nach und nach den E-Commerce entdecken und hier Vorbehalte bei ihnen unbekannten Versandhändlern haben, schätzen den Kauf bei einem bekannten Partner, zu dem sie auch ins Geschäft gehen könnten. Bei den älteren Zielgruppen beobachten Marketer ein interessantes Wachstumspotenzial, da diese oftmals noch nicht ihre bevorzugten Händler im Netz haben.
Das Thema Nachhaltigkeit glaubwürdig transportieren
Ein weiteres übergreifendes Trendthema, das gerade auch der Spielwarenhandel für sich entdeckt, ist die Nachhaltigkeitsdebatte. Die Unbedenklichkeit der Materialien ist hier nur ein Punkt unter vielen, hinzu kommen Lieferketten und Regionalität der Erzeuger. Auch das Re-Commerce-Thema lässt sich in Form von Gutscheinen bei Inzahlungnahme beim Neukauf von Produkten mitdenken, ähnlich wie dies etwa Händler von Kinderfahrrädern seit Jahren vormachen.
Spielwarengeschäfte sollten gerade hier, um konkurrenzfähig zu bleiben, auf ein argumentatives Storytelling setzen und dies beispielsweise auf der eigenen Website, im Shop oder über die Social-Media-Kanäle promoten. Als Alleinstellungsmerkmal kann der Händler einzelne Facetten des Nachhaltigkeitsthemas herausgreifen, wobei sich gerade mit regionalen Herstellern Synergieeffekte finden lassen. Der kleinere, stationäre Händler hat hier oftmals sogar bessere Karten im Hinblick auf Vertrauen und Glaubwürdigkeit als große E-Commerce-Konzerne – auch aufgrund von Greenwashing-Fällen der Vergangenheit.