Global – Lieferketten im Stresstest
Wie wichtig stabile Lieferketten sind, das hat die Corona-Pandemie bewiesen – auch und gerade in der Spielwarenindustrie. Nachdem sich die Lage an den Produktionsstätten in China wieder stabilisiert hat, bereiten nun die hohen Frachtkosten auf den Weltmeeren Probleme.
Eigentlich sieht sich die Theo Klein GmbH, traditionsreicher Spielwarenhersteller aus dem pfälzischen Ramberg und Spezialist für Rollenspielzeug aus Kunststoff, beim Thema Einkauf gut aufgestellt, so Geschäftsführer Martin Klein. Joachim Lindner, Leiter der Materialwirtschaft, ist mehrmals im Jahr bei den langjährigen Lieferanten in China unterwegs. Diese stellen für Theo Klein von der Spielküche bis zu Bohrmaschinen vor allem die Produkte seines Sortiments her, die elektrische oder elektronische Komponenten enthalten. Die Zukäufe aus China machen rund 50 Prozent der Angebotspalette aus. Ein großer Teil der Spielwaren des Pfälzer Unternehmens wird nach wie vor in einem großen Kunststoff-Spritzgusswerk in Landau gefertigt.
„Als in Europa im Frühjahr 2020 zwischen vielen Ländern die Grenzen geschlossen wurden, war unsere erste große Befürchtung, dass wir unsere Container, die in Rotterdam ankommen, nicht nach Deutschland bekommen. So haben wir uns für eine Umleitung nach Hamburg entschieden – trotz der dort höheren Kosten“, blickt Lindner zurück. „Da waren wir jedoch etwas zu vorsichtig, denn die Grenzen zu den Niederlanden wurden niemals dichtgemacht. Inzwischen läuft wieder alles wie gewohnt über Rotterdam.“
Bild: HHM/Peter Glaubitt
Alternativen hat Theo Klein nicht nur bei den Häfen, sondern auch bei den Lieferanten stets im Blick. Für jedes Produkt gibt es eine zweite Option und jeweils zwei Werkzeugsätze, die für den Einsatz bereitstehen. Doch in der Corona-Pandemie trat ein ganz anderes Problem auf. „Alle unsere asiatischen Partner sitzen auf engem Raum in China zusammen und unser Plan B half uns herzlich wenig, als das Land seine Unternehmen nach dem chinesischen Neujahrsfest Ende Januar 2020 für zehn Wochen schloss“, berichtet der Logistikexperte des Spielwarenherstellers. „Und auch als die Produktion im April wieder anlief, war nicht alles wieder gut. Die Belegschaften wurden aufgrund der Abstandsregeln heruntergefahren und der Output war entsprechend geringer. Erst im Herbst 2020 normalisierte sich die Situation.“ Die Folge: Bei einigen Artikeln waren die Pfälzer zeitweise nicht lieferfähig, die Lager leer.
Maritime Frachtpreise explodieren
Und aktuell gibt es eine neue Hürde: Die Transportpreise für Seefracht explodieren. Der Grund: Die Corona-Pandemie treibt die Nachfrage in den großen westlichen Wirtschaftsnationen wie den USA und Europa – angefangen von Hygieneartikeln, pharmazeutischen und medizinischen Produkten wie Desinfektionsmitteln bis zu den in Zeiten von zahlreichen Lockdowns heiß begehrten Waren für die Sanierung, Renovierung und Verschönerung der eigenen vier Wände. Und auch Spielwaren stehen vor diesem Hintergrund hoch im Kurs. Diese Entwicklung führt einseitig zu großen Importmengen aus Asien. Doch die hierfür eingesetzten Container stapeln sich in den US-amerikanischen und europäischen Häfen, da am Transport für Güter nach Asien kaum Interesse besteht. Die Zirkulation ist gestört.
Entsprechend rasant steigen die Kosten für Seecontainer von Asien nach Europa, weiß Markus Schering, Geschäftsführer der gleichnamigen Agentur im niedersächsischen Wunstorf, von seinen Branchenkontakten. Lag der Seefrachtpreis für einen 20 Fuß Standard Boxcontainer im April 2020 noch bei 725 US-Dollar, so kletterte der Preis bis November 2020 gemäß dem SCFI – Shanghai Containerized Freight Index auf 1.644 US-Dollar – mit einer weiteren Tendenz nach oben. Für 40 Fuß High Cube Container, für die lange Zeit zum Beispiel von Shanghai nach Hamburg eine Seefrachtrate von 950 bis 1.150 US-Dollar zu bezahlen war, werden für Januar bereits Preise bis 9.000 US-Dollar aufgerufen, so Joachim Lindner. Er hofft auf eine Beruhigung nach dem chinesischen Neujahrsfest.
Weiterhin müssen Kunden bei Terminlieferungen mit einem „Priority-Zuschlag“ rechnen, der bei vielen Reedereien auch schon einmal 1.000 bis 4.000 US-Dollar ausmachen kann. Trotzdem ist das „Rollen“ von Containern, also die Verladung auf andere, meist später auslaufende Schiffe beispielsweise wegen Überbuchung, gang und gäbe und führt häufig zu ärgerlichen Lieferverzögerungen.
Verzögerte Lieferketten gefährden die Wirtschaft
Die Stimmung der deutschen Spediteure ist entsprechend. Ihre Interessenvertretung, der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik, fordert von den Container-Linienreedereien die Rückkehr zur Normalität und die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit der Fahrpläne und der erforderlichen Servicequalität. Das Funktionieren der maritimen Lieferketten sei unabdingbar für die europäische Wirtschaft. „Die Linienreedereien stellen schlichtweg keine ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung“, bemängelt Willem van der Schalk, Sprecher des Komitee Deutscher Seehafenspediteure im DSLV. Auch die Wartezeiten würden immer länger. Verschiffungen könnten vor Chinese New Year im Februar 2021 fast nicht mehr gebucht werden.
„Die Container-Linienreedereien müssen den gegenwärtigen Zustand endlich beenden und zu Geschäftsgepflogenheiten zurückkehren, in denen sie nicht alleine Nutznießer sind und vertragliche Vereinbarungen wieder eingehalten werden“, fordert van der Schalk. „Weitere Verzögerungen der Lieferketten können die rasche Erholung der europäischen Wirtschaft nach der Pandemie gefährden. Die Überwindung der Krise erfordert Zusammenarbeit und den guten Willen aller Beteiligten.“
Der Shutdown der chinesischen Spielzeugindustrie nach dem chinesischen Neujahrsfest 2020 war auch für die pfälzische Firma Theo Klein ein großes Problem
Und: Der Umstieg auf Bahn, Lkw und Flugzeug ist keine wirkliche Option. Auch die Züge sind komplett ausgebucht – und die Preise legen hier ebenfalls deutlich zu, ebenso wie beim Lkw-Transport, wo sich zudem die Laufzeiten für Importe aus Asien durch Warte- und Stauzeiten an verschiedenen Grenzen von 12 bis 16 Tagen inzwischen massiv verlängert haben. Auch in der Luft wurden die Kapazitäten massiv eingeschränkt und die Preise sind im Steilflug. Ende des Jahres 2019 waren Preise in Höhe von zwei US-Dollar pro Kilogramm üblich, aktuell sind sie doppelt so hoch.
Währenddessen knüpft man bei Theo Klein an den Lieferketten der Zukunft. „Natürlich macht es vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Jahr 2020 Sinn, Partner außerhalb von China zu suchen“, so Martin Klein. „Wir haben uns hier auch schon umgeschaut, beispielsweise in Osteuropa, wo wir bereits einige Lieferanten haben. Doch hier müssten wir auf die Infrastruktur verzichten, die in China einfach unschlagbar ist. So fehlen zum Beispiel wichtige Zulieferer, sodass wir aus Deutschland wichtige Teile in die Ukraine oder nach Lettland schaffen müssten. Das ist aus Kostengründen nicht effizient. Verstärkt im Fokus haben wir jedoch unsere eigene Produktion in Landau, die für uns immer erste Wahl ist. Wenn wir alles noch einmal genau durchrechnen, vielleicht können wir die Fertigung des ein oder anderen Produkts doch wieder nach Deutschland holen.“
Ulla Cramer