Global – Der Brexit und seine Folgen

3. Februar 2021, 12:59

Boris Johnson bescherte uns ein „Weihnachtsgeschenk“ der besonderen Art: Am 24.12.2020 haben sich die EU und Großbritannien auf ein Abkommen geeinigt, das ab 1. Januar 2021 vorläufig anwendbar sein wird. Erste und nähere Informationen zu den Auswirkungen des Austritts von Großbritannien und Nordirland aus der EU, des Brexit, liefert Michael Dwehus, Zollexperte und Außenwirtschaftsberater sowie CEO der Zollcon GmbH.

Seit dem 1. Januar 2021 müssen für Lieferungen nach und von Großbritannien, kurz GB (ohne Nordirland) vor der Aus- und vor der Einfuhr Zollanmeldungen abgegeben werden. Dieser Termin kam im Übrigen genauso überraschend wie der Jahreswechsel. Dennoch muss auf britischer Seite festgestellt werden, dass ein absolutes Chaos aufgrund eines Verwaltungsvakuums herrscht und das nicht nur durch Corona bedingt …
Das seit dem 1. Januar 2021 anwendbare Handelsabkommen besteht überwiegend aus Grundlagenerklärungen für die Zusammenarbeit und aus gegenseitigen Anerkennungen in verschiedenen Bereichen. Doch im Bereich der Zollreduzierung, durch die Anwendung von Präferenzzollsätzen, bietet das Abkommen relativ umfassend Klarheit.
In vielen Veröffentlichungen wurde dem Abkommen die Regelung einer generellen Zollfreiheit zwischen EU und Großbritannien angedichtet. Das ist falsch. Es handelt sich um ein Ursprungsabkommen. Dies bedingt die nachweisliche Präferenzkalkulation nach den im Handelsabkommen verankerten Ursprungsregeln (Wertschöpfungsregeln). Nach oder von Großbritannien kann die positiv ermittelte Präferenz
mit einer REX-Erklärung (Registered Exporter) erklärt werden. Und für die Präferenzexperten: Die bilaterale Kumulierung ist ebenfalls vereinbart.

Michael Dwehus, CEO der Zollcon GmbH (zollberatung@zollcon.de) ist seit 1999 in der Zoll- und Außenwirtschafts-beratung tätig

Da ein nicht unerheblicher Anteil an Spielwaren ihren Ursprung weder in der EU noch in Großbritannien haben und die Präferenzzollsätze (in der Regel null Prozent) nicht nutzbar sind, sollte jetzt geprüft werden, ob mit neuen logistischen Konzepten (Direktlieferungen/Warensplitting/Verwahr- oder Zolllager in der EU) eine „Doppelverzollung“ dauerhaft vermieden werden kann.
Aufgrund der derzeit nicht kalkulierbaren Risiken ist allen EU-Firmen zu raten, alle Neuverträge für Lieferungen nach Großbritannien mit Lieferbedingungen FCA oder auf dem Seeweg mit FOB zu vereinbaren. Altverträge sollten, sofern möglich, analog umgestellt werden und D-Klauseln für Lieferungen nach Großbritannien nicht vereinbart werden. Für Lieferungen von Großbritannien in die EU sind DAP oder DPU zu empfehlen.
Bei Ausfuhren ist darauf zu achten, dass es sich stets um Ihre Ausfuhr in Ihrer vollständigen Verantwortung handelt und die vom Ausgangszollamt bestätigte Ausfuhranmeldung (Ausgangsvermerk) gleichzeitig Ihr steuerrechtlicher Ausfuhrnachweis ist. Der Übertrag der Ausführereigenschaft auf den Spediteur birgt die Gefahr, diesen Nachweis zu verlieren.
Beauftragt der Ausführer den Spediteur, sofern überhaupt rechtlich korrekt darstellbar, dann sollte der Transport frühzeitig geplant werden, da einige Dienstleister den GB-Verkehr zeitweise einstellen und andere stringente Auflagen haben.
Im Sinne von Nina Ruge – alles wird gut. Sicher, die Frage ist nur wann …