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Fokus: Wünschen und Schenken

20. September 2023, 11:41

Leuchtende Kinderaugen sind Antrieb – Kaum schien mit Corona eine Krise überstanden, taten sich schon eine ganze Reihe neuer Krisen auf und damit die Angst, sich das alltägliche Leben nicht mehr leisten zu können. Was dies für die Wunschbildung und das Schenkverhalten zu Weihnachten und Ostern bedeutet, erläutert Dr. Markus Becker im nachfolgenden Beitrag.

Corona? Hatte sich 2022 doch fast schon erledigt! Doch mit dem Krieg in der Ukraine, Konfliktherden in Asien, Inflationsängsten, Lebensmittelpreisen oder Energieknappheit nahmen die Krisen kein Ende. Die Angst ging um, dass sich viele das alltägliche Leben schlicht nicht mehr leisten könnten. Untersuchungen wie die Wünschestudie 2023, die im Auftrag von RTL Deutschland und Ad Alliance durchgeführt wurde, und auch der Dentsu Krisen Monitor 2022 zeigen, wie sich die Gedanken der Menschen um Kosten für Strom, Heizung, Lebensmittel oder Mobilität drehen. Auch wenn diese mit den Sommermonaten etwas an Bedrohlichkeit verlieren, bleibt konstant ein Gefühl der Beunruhigung: Sechs von zehn befragten Eltern von Kindern im Alter von 0 bis 13 Jahren sagen weiterhin, dass sie die augenblickliche Lage (sehr) beunruhigt. Man muss aber auch feststellen, dass sich vieles „nur“ in den Köpfen der Menschen abspielt, denn real eingetreten ist von all dem bis dato wenig. Die Menschen bewegen sich somit in einem Spannungsfeld zwischen Sorgen und Ängsten einerseits und der Erkenntnis andererseits, dass es zumindest der eigenen Familie weiter „recht gut“ geht.

Dr. Markus Becker ist Senior Researcher bei Dentsu Germany in Frankfurt und arbeitet dort seit Jahren unter anderem als Zielgruppenexperte für Kids und Teens. Zudem berät er die Mediaplanung in allen relevanten Fragen des Daily Business und forscht kontinuierlich, wie Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland auf Krisen wie die Corona-Pandemie oder den Krieg in der Ukraine reagieren.

Dr. Markus Becker

Weihnachten wie auch Ostern sind neben dem Geburtstag der Kinder Schenkanlässe, die per se bei den Schenkenden die höchsten Budgets aktivieren – und es sind zugleich Feiertage mit einem hohen ritualisierten Kontext, beispielsweise das Schmücken der Wohnung und das gemeinsame Feiern, das oftmals seinen Höhepunkt beim Auspacken der Geschenke der Kinder hat. So sagen die Eltern immer wieder, dass der Zauber der Feiertage vor allem ausmache, dass man endlich wieder zusammen mit der ganzen Familie und den Freunden feiern konnte und es das Größte war, die Freude der beschenkten Kids zu erleben. Leuchtende Kinderaugen sind gleichsam der Raketentreibstoff für das Ausgabeverhalten der Schenkenden, weil man sich damit auch selbst eine große Freude macht, wenn man unmittelbar daran teilhaben kann.
Bereits in den Jahren „vor Corona“ zeigt die Wünschestudie, dass Schenkende zu Übererfüllung der Wünsche neigen. Die Kinder bekamen nicht nur, was sie sich wünschten, sondern immer noch mehr. Bücher, Modeartikel, Kreativ-/Konstruktionsspielzeug oder Kuscheltiere gehören seit jeher zu den Produktgruppen, die sich hier besonders als „on top“-Geschenke eignen. Dies war auch während der coronabedingten Einschränkungen nicht anders, die übrigen Schenkenden allerdings, die Großeltern, Onkel und Tanten, hielten sich 2020 deutlich zurück. 2017 hatten sich die Ausgaben aller Schenkenden im Schnitt je Kind noch auf 251 Euro summiert. 2020, mitten im Lockdown, waren es je Kind lediglich 240 Euro. 2022, das erste Weihnachtsfest ohne pandemiebedingte Restriktionen, waren es stolze 263 Euro, auf die sich die Ausgaben aller Schenkenden je Kind durchschnittlich summieren – dank der Verwandten und Freunde der Eltern, die hier alle wieder mehr Geld in Geschenke für das Kind investieren.
Gleiches gilt für Nikolaus und ganz besonders für Ostern: Am 6. Dezember 2020 gab es Geschenke im Wert von insgesamt 48 Euro je Kind, 2022 sind es nun 54 Euro. Auch der Osterhase musste teurere Ostereier verstecken. 2023 summieren sich die Ausgaben aller Schenkenden auf 127 Euro – drei Jahre zuvor waren dies in Summe lediglich 107 Euro je beschenktem Kind.


Wünschestudie
Seit 2017 untersucht Dentsu Germany im Auftrag von RTL Deutschland und Ad Alliance regelmäßig wie und wo bei Kindern im Alter von 0 bis 13 Jahren Geschenkewünsche zu den jeweiligen Schenkanlässen wie Weihnachten, Ostern, Geburtstag oder Zwischendurch geweckt werden und wie diese von den schenkenden Personen erfüllt werden.


Neben dem klassischen linearen Fernsehen sind nach dem Ende aller Kontaktbeschränkungen nun wieder die Freunde des Kindes und die Geschäfte die wichtigsten Inspirationsquellen für die Wunschbildung. Kinder wissen, dass ihre Wünsche zwar erfüllt werden, aber wenn sie diese formulieren, müssen sie sicher sein, was sie wirklich haben wollen. Daher ist die Wunschbildung permanent im Fluss und wird stetig neu überprüft. Was ein Produkt kann, wie es aussieht, wie es sich anfühlt und was man damit machen kann, muss dem Kind klar sein und dies ist am besten möglich, wenn es dies mit anderen Kindern zusammen ausprobiert oder zumindest in TV-Spots oder im Laden gesehen hat.
Also alles wieder „so wie früher“? Es scheint fast, als kämen die Sorgen der Eltern gar nicht an die Kids heran. Auch ein Downsizing von Geschenken war für zwei Drittel der Eltern zu Weihnachten 2022 keine Option und den Fokus lediglich auf das Hauptgeschenk zu legen und nachrangige Geschenke kleiner zu halten oder ganz zu reduzieren, lehnten die Hälfte der Eltern ebenfalls ab. Man will den Nachwuchs abschirmen von den eigenen Sorgen und spart lieber an anderer Stelle. So resultieren die gestiegenen Budgets der Schenkenden sicher auch aus der Erkenntnis, dass vieles teurer geworden ist.
Zu einer preislichen Obergrenze der Geschenke, die die Eltern bereits seit Jahren setzen, kommt nun allerdings eine ausgeprägt hohe Preissensibilität. Dies zeigt sich oft auch darin, dass man sich ein Produkt zwar noch leisten könnte, aber nicht mehr gewillt ist, jeden Preis auch zu akzeptieren. So sind es vor allem die Mütter, und damit die traditionellen Einkaufsprofis, die sich primär um den Kauf der Geschenke zu den Festanlässen sorgen. Der Blick auf Sonderangebote soll helfen, die gestiegenen Kosten für die Lebenshaltung wie auch für die Geschenke in den Griff zu bekommen. Weniger als in den Jahren zuvor will man nicht schenken. Dazu hat insbesondere Weihnachten als Jahresabschluss eine zu große symbolische Bedeutung. Aber die anhaltende Verteuerung vieler Produkte macht einen Ausblick auf die weitere Entwicklung 2023 und 2024 so schwierig. Kann man weiterhin zusammen feiern und zusammen schenken und lässt sich so die Freude und Begeisterung in den um die Wette strahlenden Kinderaugen live erleben, sollten zumindest moderat steigende Schenkbudgets nicht unmöglich sein.