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Fokus Middle East: Tradition trifft Innovation

16. Januar 2025, 8:05

Der Nahe Osten entwickelt sich zu einem zunehmend wichtigen Markt für die Spielwarenindustrie. Mit einer jungen, wachstumsstarken Bevölkerung und einer steigenden Nachfrage nach international anerkannten Marken wird die Region für Spielwarenhersteller immer attraktiver. Lisa Freisewinkel von der AHK-Saudi Arabien beleuchtet im Interview mit Astrid Specht die Faktoren, die den Markt im Nahen Osten prägen, und erklärt, warum der Sektor in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird.

Frau Freisewinkel, wie lässt sich die Spielwarenindustrie im Nahen Osten charakertisieren? Wie sind Einzelhändler und Hersteller positioniert?
Die Spielwarenindustrie im Nahen Osten ist ein dynamischer und sich rasant entwickelnder Markt, der sowohl traditionelle Handelsmodelle als auch einen starken Fokus aus E-Commerce aufweist. Zu den Hauptfaktoren, die diesen Sektor antreiben, zählen eine junge und wachsende Bevölkerung, wobei die Region fast 140 Millionen Menschen im Alter von 10 bis 24 Jahren umfasst, steigendes verfügbares Einkommen und eine zunehmende Nachfrage nach einer breiten Produktpalette. Zudem haben kulturelle Präferenzen und der wachsende Einfluss internationaler Marken zu einem zunehmend wettbewerbsintensiven Marktumfeld geführt. Die Hersteller in der Region setzen sich aus einer Mischung aus lokalen und globalen Akteuren zusammen. Da der Nahe Osten über keine großflächige Spielzeugproduktion verfügt, sind internationale Marken weit verbreitet, die durch regionale Distributoren und lokale Partner stark vertreten werden. Bekannte globale Namen wie Lego, Mattel und Hasbro sichern sich über diese Kanäle eine starke Marktpräsenz. Lokale Hersteller, wenn auch in geringerer Zahl, treten zunehmend auf, indem sie auf spezifische kulturelle Bedürfnisse und Vorlieben eingehen und Spielzeuge entwickeln, die an die regionalen Anforderungen angepasst sind.

Können Sie skizzieren, wie sich die Spielwarenindustrie in der Region in den vergangenen zehn Jahren entwickelt hat?
Der Spielwarenmarkt im Königreich Saudi-Arabien (KSA), der bis Anfang der 2000er Jahre von nur wenigen Anbietern geprägt war, hat sich durch die steigende Nachfrage erheblich gewandelt. Dieser Wandel wurde vor allem durch den Aufstieg des Online-Handels und den Eintritt globaler Marken in den Markt ausgelöst. Trotz der Einführung wichtiger regulatorischer Maßnahmen wie dem „G-Mark“-Konformitätszertifikat, hatte dies nur einen begrenzten Einfluss auf die Bereitschaft großer Marken, ihre Marktpräsenz auszubauen. Dies änderte sich zunehmend durch die wachsende Rolle der Distributoren, die zu treibenden Kräften der Spielwarenindustrie in der Region geworden sind. Der Spielzeugmarkt in KSA wurde durch den digitalen Handel und die Präsenz globaler Marken maßgeblich vorangetrieben und dynamisiert. Während regulatorische Veränderungen wichtige Standards setzten, blieb ihr Einfluss auf die großen Akteure der Branche eher begrenzt. Inmitten dieser Umwälzungen sind Distributoren zu einer entscheidenden Kraft geworden, die maßgeblich zum Wachstum und Erfolg der Branche beitragen.

Wie unterscheidet sich die regionale Spielwarenlandschaft von Europa oder den USA?
Kulturelle und religiöse Werte haben einen Einfluss auf die Gestaltung des Spielzeugmarktes im Nahen Osten. Im Fokus stehen hierbei familienorientierte und sozial verantwortliche Spielzeuge, wobei die Nachfrage nach Produkten wächst, die islamische Werte vermitteln, sowie Bildung und gemeinschaftliches Engagement fördern. Zudem zeigen sich eine regionale Vorliebe für Spielzeugarten, wie etwa Puppen und Figuren, die mit den kulturellen Normen in Einklang stehen. Dennoch zeichnet sich die GCC-Region vor allem durch eine junge und schnell wachsende Bevölkerung aus, von der ein erheblicher Teil unter 25 Jahre alt ist, darunter neun Millionen Menschen in Saudi-Arabien, die jünger als 14 Jahre sind. Diese demografische Gruppe hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Nachfrage nach Spielzeugen, wobei die Präferenz oft hin zu globalen Marken und internationalen Trends geht.

Welche Vertriebskanäle funktionieren hier besonders gut oder weniger gut? Wie gehen Händler mit der Debatte online versus stationär um?
In Saudi-Arabien funktionieren physische Vertriebskanäle wie Einkaufszentren, Kaufhäuser und Hypermärkte besonders gut im Spielzeugsektor, aufgrund einer starken Einkaufskultur in der Region. So dienen Einkaufszentren als wichtige soziale Räume für Familien.
E-Commerce-Plattformen wie Noon und Amazon finden auch hier in der Region immer mehr Anklang. Hypermärkte wie Carrefour und Lulu sind aufgrund ihres Angebots an günstigeren Spielzeugen in einer All-in-One-Shopping-Umgebung beliebt und sprechen preisbewusste Verbraucher an. Hier kommt ein großer Teil des Spielzeugs aus China. Regionale Distributoren spielen eine entscheidende Rolle, um sowohl lokale als auch internationale Spielzeugmarken in verschiedenen Geschäften verfügbar zu
machen. Markenspezifische Einzelhandelsgeschäfte haben jedoch eine kleinere Anziehungskraft und kämpfen um den Gewinn von Mainstream-Kunden aufgrund ihres begrenzten Produktsortiments und höherer Preise.
Weiterhin vereinen Einzelhändler in der GCC-Region traditionell stationäre Geschäfte mit einer schnell wachsenden E-Commerce-Präsenz. Die Region hat einen Anstieg von Online-Shopping-Plattformen wie Noon, Souq (jetzt Amazon) und internationalen Websites wie Amazon selbst
erlebt. Einkaufszentren spielen eine zentrale Rolle als Vertriebskanal und fungieren oft als erlebnisorientierte Ziele mit eigenen Spielzeuggeschäften. Immer mehr Einzelhändler setzen auf einen Omnichannel-Ansatz, bei dem physische Läden und E-Commerce miteinander kombiniert werden, um technikaffine Kunden anzusprechen.

Lisa Freisewinkel ist GTAI Research Manager /
international Consultant bei der Außenhandelskammer in Riad, Saudi-Arabien.

Welche Produkte sind in der Region besonders beliebt, welche weniger und was sind die Gründe dafür?
Im Nahen Osten funktionieren Produkte wie Actionfiguren, Puppen und Lernspielzeuge (insbesondere STEM-bezogene Produkte) sehr gut, da die junge, familienorientierte Bevölkerung sowohl Unterhaltung als auch Bildungsspielzeuge schätzt. Konstruktionsspielzeuge wie Lego sind ebenfalls sehr gefragt, da sie Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten fördern. Outdoor-Spielzeuge und Sportausrüstungen sind besonders in den Golfstaaten beliebt, wo das Klima während der kühleren Monate Outdoor-Aktivitäten begünstigt. Elektronische oder technologiebasierte Spielzeuge, insbesondere solche, die ständige Updates oder Wartung erfordern, haben eine begrenzte Anziehungskraft aufgrund hoher Preise und teilweise begrenzter lokaler Unterstützung. Plüschspielzeuge und generische, nicht-markenbezogene Produkte kämpfen auf dem Markt, da die Verbraucher in der Region dazu tendieren, international anerkannte Marken zu bevorzugen, die Qualität und Sicherheit gewährleisten.

Wie sieht es mit der Kaufkraft der Menschen in der Region aus? Und hat das Schenken von Spielzeug zu den Feiertagen eine ähnlich hohe Bedeutung wie bei uns?
Die Kaufkraft in Saudi-Arabien ist insgesamt hoch, besonders in städtischen Gebieten, wo die Menschen über ein signifikantes verfügbares Einkommen verfügen. Während der Feiertage wie Eid al-Fitr und Eid al-Adha steigt die Nachfrage nach Geschenken, einschließlich Spielzeugen, erheblich.

Wie steht es um die Zielgruppe der „Kidults“ – sind sie relevant?
Die Zielgruppe der „Kidults“ spielt in der Region noch keine große Rolle – mit Ausnahme von E-Games, die besonders in Saudi-Arabien sehr beliebt sind und einen wichtigen Teil des Unterhaltungssektors ausmachen. So fanden im vergangenen Jahr die ersten E-Gaming Weltmeisterschaften Riad statt. E-Gaming stellt auch einen entscheidenden Faktor bei der Gestaltung der neuen Freizeitparks und Unterhaltungsstätten dar.

Vielen Dank für diese spannenden Einblicke, Frau Freisewinkel!