Anzeige

Fokus: Mehr als Spielzeug

21. November 2024, 8:00

IPs, Gamification und die Zukunft des Spielwarenhandels

Der Spielwareneinzelhandel steht vor großen Herausforderungen, besonders durch die
fortschreitende Digitalisierung, die das Kaufverhalten stark verändert hat. Digitale Spiele
dominieren den Markt, während traditionelle Spielzeuggeschäfte zunehmend schließen.
Ein zentraler Treiber in diesem Wandel sind Intellectual Properties (IPs) aus der Gaming-,
Film- und Anime-Welt.

Rund fünf Prozent seines Vorjahresumsatzes büßte der deutsche Gesamtmarkt für Spielwaren 2023 ein. Auf der anderen Seite sorgen die Intellectual Properties für Wachstum. Marken wie Pokémon, Super Mario, Minecraft, Paw Patrol und Fortnite sind weltweit führend und tragen maßgeblich zum Umsatz bei. Diese IP-basierten Produkte haben sich in den vergangenen Jahren als wesentliche Wachstumsquellen erwiesen, da Hersteller wie Hasbro, Mattel und Lego auf solche Kooperationen setzen, um ihre Zielgruppen anzusprechen, mitzunehmen und mit ihnen mitzuwachsen. Doch das Lizenzgeschäft ändert sich. Während es früher eher Comic-Marken wie Marvel und DC waren, kommen die Brands nun eher aus dem Asiatischen Bereich und aus der Gamingszene. Spielwaren auf Basis von Videospiel-Lizenzen gewinnen immer mehr an Bedeutung. 2020 machten solche Kooperationen in Deutschland rund 34 Prozent des Gesamtumsatzes aus, was 82 Millionen Euro entsprach – ein deutlicher Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr.1
Brettspiele haben trotz des digitalen Booms weiterhin ihren Platz im Markt. Während der Pandemie verzeichneten Hersteller wie Hasbro und Mattel enorme Umsatzsprünge. Auch Ravensburger profitierte, allerdings sanken die Umsätze seit 2022. Einzig der Kosmos-Verlag wächst stetig weiter und erzielte 2022 einen Umsatz von knapp 150 Millionen Euro, wobei Spiele wie „Die Siedler von Catan“, mittlerweile nur noch Catan, weltweit erfolgreich sind.2
Marken wie Mattel und Lego setzen verstärkt auf IP-Kooperationen, um Zielgruppen aller Altersgruppen, besonders aber jüngere Generationen und sogenannte Kidults – Erwachsene mit hoher Kaufkraft, die Fans von Nerdkultur, Games und Anime sind – anzusprechen.3 Mit Erfolg.

Lush-Store Barbie-Style

1 presseportal.de
2 handelszeitung.ch
3 spielwarenmesse.de

Mattel und die Verjüngung einer Puppe
Mattel und Lego sind Paradebeispiele dafür, wie Kooperationen mit IPs den Erfolg eines Unternehmens maßgeblich beeinflussen können. Mattel bringt nicht nur He-Man als Serie auf Netflix, sondern auch auf die Spieleplattform Roblox. Roblox ist eine Online-Spieleplattform, auf der Nutzer – ähnlich wie in einem App-Store – verschiedene Spiele und Erlebnisse entdecken und spielen können. Diese Plattform richtet sich vor allem an ein jüngeres Publikum, 54 Prozent der Spieler sind unter 13 Jahre alt.4
Mattel verknüpft in seinen Kooperationen populäre Gaming- und Popkultur-IPs, und konnte durch diese Partnerschaften sowohl eine neue Generation von Käufern als auch eingefleischte Fans ansprechen. Viele dieser Fans sind Eltern, die mit dem „alten“ He-Man aufgewachsen sind und nun das Franchise an ihre Kinder weitergeben. Was früher mit Zeichentrickserien funktioniert hat, klappt heute auch mit neuen Medienformaten – eine clevere Verknüpfung von Nostalgie und moderner Technologie.
Besonders Kooperationen, die den Fokus auf Rebranding und Erlebnisse legen, zeigen, dass es sich lohnt, etwas anders zu machen. Ein Beispiel dafür ist Barbie, die über Jahrzehnte in der Feminismusdebatte eher als Problem statt als Lösung gesehen wurde. Der Erfolg des Barbie-Films beweist jedoch, dass ein humorvoller Umgang mit der eigenen Marke – mehr durch den Film als durch Game-IPs – die Wahrnehmung komplett verändern kann – anderes Medium, ähnliche Zielgruppe. Dieses Rebranding hat starke Markenwerte geschaffen, die andere Unternehmen wie Kosmetikhersteller Lush nutzen, um neue Produkte zu entwickeln und Zielgruppen wie die Kidults zu erreichen.

4 hy.co

Minecraft Produkt
Minecraft Add-On auf der Minecraft Webseite

Seifen, Spielzeug und die Zukunft des Spielwarenmarktes
Obwohl es sich bei Lush um keine Spielzeugmarke handelt, lässt sich von diesem Brand einiges lernen, was die Verbindung von Produktentwicklung und Store-Erlebnissen angeht. Lush setzt nicht einfach ein Bild auf eine Bodylotion, sondern verwandelt alles in ein Erlebnis. Das ist nicht nur bei Lush und Barbie zu sehen, sondern auch bei Lush und Super Mario Bros. Der Film und bei Lush und Minecraft – beides IPs aus der Gamingwelt.
Im Fall von Super Mario Bros. Der Film entwickelte Lush ein Hero-Produkt: eine übergroße Badebombe in Form des ikonischen Question Block, der in den Spielen Power-Ups enthält. Auch die Badebombe enthielt eine Überraschungsseife, die die Power-Ups aus dem Spiel widerspiegelte und gesammelt werden konnte, Gamification heißt hier das Zauberwort. Diese Seifen konnten in der Lush-App gesammelt werde, um ein exklusives Produkt zu erhalten. Zum Launch wurden die wichtigsten Lush-Stores in Super Mario-Farben dekoriert, und Kundinnen und Kunden konnten erleben, wie Mario, Luigi oder Prinzessin Peach „riechen“.
Bei Minecraft, einem Sandboxspiel, ging Lush noch einen Schritt weiter in die Gamingwelt und entwickelte ein eigenes Add-On für das Spiel, in dem die Spieler Badebomben und Power-Ups bei einem virtuellen Seifenhersteller erwerben oder selbst herstellen konnten. Natürlich gab es auch hier ikonische Seifen, Badebomben und weitere Produkte, die perfekt zur Welt von Minecraft passten. Auch hier ist der Faktor einer nachhaltigen Gamification, die sich sowohl um die Emotionalisierung von Marken und Produkte dreht als auch einen Mehrwert für die Nutzer bringt, ein maßgeblicher, der zum Erfolg dieser Kollektion beigetragen hat.
Für Lush sind diese Kollaborationen mit IPs eine der wichtigsten ganzheitlichen Produkt- und Markenstrategien, um ihre Seifen nicht nur interessant und relevant zu halten, sondern auch neue Zielgruppen zu aktivieren und in ihre Stores zu locken. Sie schaffen dabei nicht einfach nur ein Produkt, sondern ein Erlebnis. Viele Spielwarenhändler könnten Lush als Vorbild nutzen, um Kooperationen oder Produktlaunches sinnvoll zu gestalten. Es geht nicht nur darum, etwas zu verkaufen, sondern darum, ein Erlebnis zu schaffen – genau wie beim Spielen selbst, das Erlebnisse in der echten Welt mit Freunden, Familie oder auch alleine ermöglicht.

Die Badebombe in Form des Question Block aus Super Mario Bros. Der Film, beides von Lush
App mit Seifenüberraschung zum Sammeln

IP-basierte Produkte durch strategische Partnerschaften
Lego hat sich als Meister der IP-Kooperationen etabliert. Die Zusammenarbeit mit bekannten Marken wie Fortnite, Zelda, Super Mario, Star Wars, Animal Crossing und vielen anderen zeigt, wie vielseitig IP-basierte Produkte sein können und wie sie verschiedene Altersgruppen ansprechen. Ein besonderes Beispiel dafür ist die Kooperation mit Fortnite, die eine gelungene Integration von digitalem und analogem Spiel darstellt.
Das Ökosystem rund um die Multimillionen-Kooperation Lego Fortnite zeigt deutlich, wie strategisch wichtig diese Partnerschaft für Lego ist. Es geht nicht nur darum, einmalig Sets zu verkaufen – Lego hat zusammen mit Epic Games ein eigenes Spiel entwickelt, das als Aufbau-Überlebens-Multiplayer perfekt zur Fortnite-Community und zu Lego passt. Mit einem Hoch von fast 2,5 Millionen Spieler zum Launch ist dieser Modus ein voller Erfolg und wird immer weiter in neuen Narrativen und Kampagnen ausgebaut.5, Grundsätzlich kann jedes Unternehmen wie in Roblox auch ein eigenes Spiel bauen, im Fortnite nennt man dies eine Insel oder auch den Creative Mode, und das ist komplett losgelöst von Epic Games. Bei Lego hat man allerdings diese Insel als Modus in das Spiele-Universum rund um Fortnite eingebaut, es ist also eine Epic Games Origialmap. Über das Spiel hinaus können Spieler digitale Skins, Cosmetics oder digitale Lego Kits (wie Avatarkleidung, Spielgegenstände und vieles mehr) erwerben. Gleichzeitig bietet Lego auch physische Bausätze für das neue Spiel an, zum Beispiel ikonische Sets wie den Fortnite-Bus, den Durrr Burger, die Banane (Schali) und das beliebte Vorratslama, die in diesem Jahr auf den Markt kamen.
Auch die Partnerschaft mit Nintendo und Super Mario ist ein gelungenes Beispiel. Statt nur das Design zu übernehmen, haben beide Unternehmen ein echtes Lego-Super-Mario-Erlebnis geschaffen, bei dem Spieler Offline-Levels nachbauen können. Nintendo selbst integriert die Lego-Figuren von Mario und Peach, die mit animierten LED-Bildschirmen ausgestattet sind, gerne in ihren Promotions.
Ein weiteres Highlight von Lego im Jahr 2023 war die gamescom. Dort konnten Besucher täglich individuelle Lego-Figuren passend zu verschiedenen IPs zusammenbauen und so einmal mehr den Schulterschluss zwischen Games, Nerdtum und Fantum praktizieren. Dies ermöglichte es den Fans, eine kleine Sammlung anzulegen und regelmäßig zum Stand zurückzukehren – ein cleverer Einsatz von Gamification, um die Interaktion mit der Marke zu fördern und den Sammeltrieb zu wecken.

5 fortnite.gg/player-count

Das Vorratslama aus der Lego Kooperation mit Fortnite
Starterkit aus der Lego Kooperation mit Nintendo Super Mario Game

Erlebnisse schaffen Bindung
Bei IPs geht es also nicht nur um den schnellen Verkauf, sondern um die Bindung zu den Fans und darum, ein Erlebnis zu schaffen. Und nicht nur Lego und Mattel, sondern auch Marken wie Lush zeigen, dass erfolgreiche Kooperationen mehr erfordern als nur die Übernahme eines Logos oder Designs. Durchdachte Partnerschaften mit eigenständiger Produktentwicklung fördern den nachhaltigen Aufbau von Marken und die Erschließung neuer Zielgruppen.
Der Spielwareneinzelhandel steht vor einer spannenden Zukunft, in der IP-basierte Produkte und Gamification eine zentrale Rolle spielen. Große Marken wie Mattel und Lego zeigen, wie erfolgreich diese Strategien sein können, doch auch kleinere Händler können davon profitieren, wenn sie innovative Ansätze wie die Schaffung von Erlebnissen in ihren Stores anwenden. Die richtige Nutzung von IPs ist dabei der Schlüssel zum Erfolg, denn es geht nicht nur um das Logo, sondern um die emotionale Bindung und die Geschichte, die hinter der Marke steht.

Jasmin Karatas


Die Autorin: Als spielerische Gesellschaftsarchitektin sowie als Gründerin ihrer eigenen Unternehmen, verfolgt Jasmin Karatas ihr Ziel, Menschen mit Leidenschaft und Emotionen zu inspirieren und zum Erfolg zu führen. Fasziniert von den Welten hinter dem Bildschirm, erforscht sie, welche entscheidende Rolle Emotionen in Spielen spielen und wie Spiele die Macht haben, unsere Welt zu verändern, indem sie Spaß und Aufregung in die Realität zurückbringen.