Fokus – Hellblaue Elfen und Rosa Helden
Wer Jungen verbietet, mit Puppen zu spielen oder Mädchen die Spielzeugautos vorenthält, hat das vergangene Jahrzehnt verschlafen. Oder absichtlich ignoriert? Was ist, wenn Mädchen Fußball spielen und Jungs zum Ballett möchten? Ist das schon im Zeichen der Zeit ganz normal und angesagt? Was heißt es, Kinder genderneutral zu erziehen? Im nachfolgenden Beitrag beantwortet Ingeborg Häuser-Groß, Expertin für Eltern-Kind-Coaching und leidenschaftliche Mutter, diese und weitere Fragen.
Natürlich können Mädchen weiterhin tanzen und Jungen Fußball spielen, aber nicht, weil Mama und Papa denken, das gehöre sich so. Häufig sind sich Eltern gar nicht bewusst, welche Gendersignale sie aussenden. Wird ein Mädchen aber hauptsächlich für ihr Äußeres gelobt, ein Junge dagegen immer für seine Cleverness, ist das typische Rollenbild nicht von der Hand zu weisen. Was aber möchte man als Eltern an die nächste Generation weitergeben? Warum können Jungs rosa und Mädchen blau tragen, ohne als Außenseiter zu gelten? Nachfolgend sechs Tipps, wie man aktiv zu einer genderneutralen Erziehung beitragen kann.
Eigene Erwartungen und Vorlieben hinterfragen
Möchte man als Eltern, dass der Junge zu einem sportlichen, erfolgreichen Helden wird? Soll das Mädchen lange Haare tragen, schön und modebewusst sein? Oft sind es die Eltern, die ihre Kinder in bestimmte Schablonen pressen möchten. Wie sind die eigenen Erwartungen an sich selbst und die Kinder? Welche Vorlieben trägt man in sich, ohne auf die Bedürfnisse der Kinder zu achten? Eine ehrliche Antwort auf diese Fragen ist schon die Eintrittskarte zu einer genderneutralen Erziehung, die den Kleinen in der Entwicklung hilft.
Das Kind ganz Kind sein und eigene Interessen entwickeln lassen
Kinder zeigen oft recht schnell sehr ungeniert, was sie möchten und was nicht. Man sollte also akzeptieren, wenn der dreijährige Sven mit Puppen spielen und die neunjährige Maja zum Karate möchte. Kinder sind Kinder und entwickeln am besten ganz ohne Zutun der Erwachsenen ihre eigenen Vorlieben. Das „feeling good“ der Kleinen muss hierbei immer an erster Stelle stehen.
Aussagen, die das Kind in eine Schablone pressen, vermeiden
Aussagen wie „Ach komm, ein Junge weint doch nicht!“ oder „Mädchen sollten darauf achten, immer schön aus dem Haus zu gehen“ beinhalten Klischees, die man sich sparen sollte. Auch sollten Kinder niemals mit- und untereinander verglichen werden. Jedes Kind ist ein Individuum – egal, ob Junge oder Mädchen und gleichgültig, in welchem Alter. Bemerkungen wie „Das passt hervorragend genau zu dir!“, vermitteln dem Kind, dass es eine individuelle Persönlichkeit ist, die in den eigenen Interessen so sein darf, wie sie sein möchte.
Kreativ im Erfinden von Geschichten sein
Warum muss Rapunzel im Märchen immer ein Mädchen mit langem Haar sein? Sind die sieben Zwerge von Schneewittchen wirklich alle männlich und warum müssen Prinzessinnen immer schön sein? Märchen sollte man ruhig einmal umdichten, beispielsweise bei Schneewittchen an einen Prinzen denken, der von kleinen Elfen umgarnt und beschützt wird. Neutralität gegenüber Geschlechtern und Klischees, die tief in den Menschen verwurzelt sind, ist wichtig.
Eigene Ängste und Vorurteile abbauen
Dies ist wichtig, um den kleinen Liebling in seiner Entwicklung frei unterstützen zu können. Das bedeutet aber auch, es hinzunehmen, wenn das eigene Kind später beispielsweise homosexuell oder bisexuell leben möchte. Denn es ist heutzutage völlig normal, Menschen in jedem Geschlecht zu lieben und sich dabei wohlzufühlen. Doch auch wenn Lara Mechatronikerin und Thomas Kosmetiker werden möchte, sollten sie dabei unterstützt werden, ihren Traum auch wirklich zu verfolgen.
Immer aktiv zuhören und Emotionen wahrnehmen
Seinem Kind aktiv zuzuhören, die Körpersprache und die Emotionen ernst zu nehmen, ist von großer Bedeutung. Denn nicht alle Kinder öffnen sich mit ihren tiefen Emotionen den Eltern sofort. Ausreichend Zeit für intensive Gespräche ist daher unerlässlich. Besonders vor dem Zubettgehen sind Liebe und Nähe eine wichtige Grundlage.
Fazit
Es lohnt sich für Kinder und Eltern, sich der heutigen Zeit anzupassen und Kinder mit einer genderneutralen Erziehung in dem zu unterstützen, was sie wirklich möchten.
Ingeborg Häuser-Groß ist Eltern-Kind-Coach und verfügt über 40 Jahre Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Eltern und Kindern. Unter anderem hat sie Familien in Kindergärten, Kliniken, Kindertagesstätten und auch in Sportvereinen begleitet und deren Probleme mit verschiedensten Methoden erfolgreich gelöst.