Fokus – Globaler Supergau
Es gibt derzeit fast nur schlechte Nachrichten an der Coronavirus-Front, die Gesamtzahl der neuen Fälle steigt weltweit. Aber Corona ist nicht nur ein Gesundheitsproblem. Das Virus schwächt Exportwirtschaft, Produktion und Konsum. Die Angst vor einer weiteren Ausbreitung von „SARS CoV-2“ hat die Märkte immer fester im Griff. Die globale Konjunktur scheint aus dem Tritt zu geraten, prognostizieren Finanzexperten. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF), der seine Wachstumsprognose für China deutlich gesenkt hat, beurteilt die Lage äußerst kritisch. Wir befragten Branchenteilnehmer mit Expertise im Chinageschäft nach ihrer Einschätzung und den erwarteten Auswirkungen.
Als der Coronavirus Ende Dezember 2019 ausbrach, ging niemand davon aus, dass das Ganze eine solche Dimension annehmen würde. Die Maßnahmen der Regierung, um dem Virus entgegen zu wirken, waren zu Beginn als eher lasch anzusehen. Erst als sich der Ernst der Lage abzeichnete und das Ausmaß des Ganzen deutlich wurde, griff die chinesische Regierung mit verschiedenen Maßnahmen ein, um der Ausbreitung von Corona entgegen zu steuern.
Obwohl die Maßnahmen, nach heutiger Sicht, zu spät erfolgten, sind sie doch sinnvoll und präventiv. Von der Regierung wurde zum Beispiel eine private, 14-tägige Quarantäne für jeden Reisenden verordnet. Durch diese Maßnahme soll die Ansteckungsgefahr möglichst gering gehalten werden.
Innerhalb der chinesischen Belegschaft der Hape Gruppe gibt es keinen positiv getesteten Fall des Coronavirus. 30 Prozent der Belegschaft vor Ort dürfen zurzeit allerdings noch nicht zurück an ihren Arbeitsplatz, da sie aufgrund von vorangegangenen Reisen von der privaten, 14-tägigen Quarantäne betroffen sind. Wir sehen hier aber positiv in die Zukunft, nach der Quarantänezeit wieder alle Kollegen gesund an ihrem Arbeitsplatz begrüßen zu dürfen.
Die Hape Gruppe ist nach 25 Jahren in China mit den örtlichen Behörden gut vernetzt und bemüht, gerade jetzt eng mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dazu gehört es auch, dass die staatlichen Auflagen innerhalb der Fabrik schnellstmöglich durch uns umgesetzt wurden, um einer weiteren Ausbreitung des Virus entgegenzuwirken.
Insgesamt ist die Lage in China sehr angespannt und es wird mit hohen wirtschaftlichen Einbußen gerechnet. Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluß auf die gesamte Weltwirtschaft.
Das Logistiknetz ist zurzeit zusammengebrochen, da auch hier viele ihre Arbeit noch nicht wieder aufnehmen können. Aktuell warten über eine Million Container auf eine Verschiffung. Zum Vergleich, im Hafen Ningbo, dem zweitgrößten Chinas, werden pro Monat zirka 800.000 Container verschickt.
Angenommen, der Peak der Erkrankungen wäre zum jetzigen Zeitpunkt voll erreicht, könnte bis Ende März beziehungsweise Anfang April langsam eine gewisse Normalität einkehren. Ob dies der Fall sein wird, lässt sich derzeit nur schwer einschätzen.
Wir als Hape Gruppe besitzen in China ein Exportlager, in welchem Top A-Artikel auf Lager gehalten werden. Dadurch sind wir in der Lage, sobald sich die Situation in der Logistik wieder entspannt hat, Waren an unser europäisches Lager disponieren zu können, ohne erst mit der Produktion starten zu müssen.
Uns hat der Ausbruch des Virus vor viele Herausforderungen gestellt. Die letzten zwei Monate wurden keine Rechnungen gestellt beziehungsweise gab es keine Umsatzerlöse, dem stehen aber Ausgaben gegenüber wie zum Beispiel die Löhne für unsere 1.500 Mitarbeiter oder aber auch die Kosten für die drei großen Messen, auf denen wir vertreten waren.
Der Chinesische Rat zur Förderung des internationalen Handels (CCPIT) hat den Ausbruch des Coronavirus, bezogen auf die Weltwirtschaft, als höhere Gewalt eingestuft. Wir versuchen aber trotzdem alle Bestellungen, so bald wie möglich, an unsere Kunden auszuliefern. Uns ist es aber auch wichtig, nicht nur unseren Kollegen, sondern auch den Menschen vor Ort zu helfen. Daher haben wir bereits am 30. Januar 2020 veranlasst, dass ein Teil unserer 650.000 Euro Wohltätigkeitsspende explizit dafür genutzt wird, medizinische Ausrüstung anzuschaffen oder auch medizinisches Personal zu entschädigen. Die Spende ging noch am selben Tag auf das Konto des Wohltätigkeitsverbandes Ningbo Beilun ein und wurde auch dankend in Anspruch genommen.
Um die Umsatzeinbußen der vergangenen Monate wieder
aufzufangen, wird es ganz sicher einige Zeit brauchen. Trotzdem sind wir bei Hape sehr zuversichtlich, dass sich die Lage in nächster Zeit entspannt und alles wieder seinen gewohnten Gang nehmen kann.
Peter Handstein, CEO & Founder Hape
Das Coronavirus bereitet uns in der Tat Kopfzerbrechen. Das Nici Sortiment hat einen sehr hohen Anteil an Neuheiten. Nahezu jeden Monat bringen wir ein bis zwei neue Kollektionen auf den Markt, die für Kaufimpulse sorgen. Durch die unerwartet späte Wiederaufnahme der Arbeit in den Fabriken nach Chinese New Year, kommt der gesamte Supply-Chain-Prozess durcheinander, das wird sich sicher auf die geplanten Liefertermine auswirken. Wir sind über unser Büro in China täglich mit den Lieferanten in Kontakt und versuchen Informationen über den Lieferverzug zu erhalten, aber leider bekommen auch unsere Lieferanten jeden Tag neue Informationen von deren lokalen Regierungsstellen. Momentan gehen wir davon aus, dass die Wareneingänge sich um drei bis vier Wochen verspäten werden, aber die Situation ändert sich täglich. Wie zügig die bisher nicht verschickten Lieferungen dann von den Forwardern abgearbeitet werden können, ist noch eine andere Frage; das kann die Lieferungen zusätzlich verspäten. Wir stellen bereits fest, dass sich einige Handelspartner auf die Situation einstellen, indem sie sich mit Durchlaufartikeln vermehrt bevorraten. Alles in allem ist das keine erfreuliche Situation für die gesamte Branche.
Ralph Steinert,
Leitung Marketing, Nici GmbH
Der DVSI informiert
Ausbleibende Belieferung infolge des Coronavirus: Womit
müssen Spielwarenhersteller rechnen und was ist zu tun?
Das neuartige Coronavirus (2019-nCoV) greift immer weiter um sich und zeigt inzwischen Auswirkungen in den internationalen Lieferketten. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen und die chinesische Regierung Flugverbote ausgesprochen, Schiffspassagen storniert und ganze Städte unter Quarantäne gestellt hat, haben viele Unternehmen in China die Produktion eingestellt: Waren können nicht oder nur verspätet und zu erhöhten Frachtraten in den Transport gehen. Spielwarenhersteller sollten jetzt aktiv werden, um keine notwendigen Handlungen zu versäumen und sich für zukünftige Streitigkeiten mit Lieferanten und Kunden zu wappnen.
Höhere Gewalt
Höhere Gewalt („Force Majeure“) bezeichnet zunächst lediglich ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes Ereignis wie Krieg oder Naturkatastrophen. Bei Vorliegen höherer Gewalt besteht ein Leistungshindernis für den Schuldner, der von seiner Leistungs- und Schadensersatzpflicht befreit wird und seinen Vergütungsanspruch verliert.
In China produzierende Spielwarenhersteller
Die SARS-Epidemie 2002/2003 wurde von chinesischen Gerichten und Schiedsgerichten überwiegend als Fall höherer Gewalt eingeordnet. Für das schon jetzt mehr Todesopfer als SARS fordernde Coronavirus hat der Chinesische Rat zur Förderung des internationalen Handels (CCPIT) im Februar 2020 erstmals ein „Zertifikat über das Vorliegen höherer Gewalt durch das neuartige Corona-Virus (2019-nCoV)“ ausgestellt, welches gegenüber Kunden oder vor Gericht den Nachweis einer fehlenden Lieferverpflichtung beziehungsweise fehlenden Verschuldens erleichtern kann. Die Ausstellung solcher Zertifikate kann beim CCPIT beantragt werden.
Spielwarenhersteller, die Ware aus China beziehen
Angesichts des – zeitlich nicht absehbaren – Ausbleibens von Warenlieferungen aus China sollten Spielwarenhersteller, die Waren aus China beziehen, prüfen, ob alternative Bezugsquellen existieren, ein Wechsel angesichts bestehender Kundenverträge sinnvoll erscheint und bestehende Verträge infolge der Lieferausfälle gelöst werden können.
Auch für den Umgang mit Abnehmern, die auf fristgerechte Lieferung bestellter Waren pochen, sind die bestehenden Verträge entscheidend: Diese können Force-Majeure-Klauseln und Leistungsverweigerungsrechte vorsehen oder wichtige Hinweise auf die Geschäftsgrundlage enthalten. Ist ein Warenbezug aus alternativen Bezugsquellen nur zu höheren Preisen möglich, können höhere Preise gegebenenfalls an die Kunden weitergegeben werden. Da angesichts der Lieferausfälle droht, dass Kunden vom Vertrag zurücktreten, müssen sich Spielwarenhersteller schon heute gegen mögliche künftige Schadensersatzverlangen vorsehen.
Hilfe vom externen DVSI-Rechtsexperten
Der externe DVSI-Rechtsexperte, Rechtsanwalt Michael A. Berghofer, LL.M., hilft Spielwarenherstellern, bestehende Verträge zu prüfen und ihre Rechte gegenüber Lieferanten und Kunden zu wahren, berät zur Kommunikation mit den Vertragspartnern, zur Absicherung gegen mögliche Streitigkeiten und zur Beantragung von CCPIT-Zertifikaten.
Tel. 089/20 500 85644 oder
mb@berghofer-legal.de
Die telefonische Erstberatung ist für DVSI-Mitgliedsunternehmen kostenlos.