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Familiensache – Hunde-Einmaleins für Kids

13. März 2019, 13:12

Schokolade testen, Kuscheltiere designen, Kinderhotels führen … Eine Menge Berufe drehen sich um den Kosmos „Familie“. In unserer Interviewreihe „Familiensache“ sprechen wir mit Menschen, die sich hauptberuflich oder ehrenamtlich für Kinder und/oder Eltern engagieren. Diese Reihe gibt uns die Möglichkeit, heutige Familien aus immer wieder neuen Blickwinkeln zu betrachten. In dieser Ausgabe im Gespräch: Inga Benecke, Gründerin des Unternehmens Doggykids.

Inga Benecke, 50, bringt Kinder und Hunde zusammen. Als Mutter eines elfjährigen Sohnes und Halterin von drei Hunden ist sie Expertin darin, Kinder im richtigen Umgang mit Hunden zu schulen. Beneckes Team besteht aus dem Colliemischling Barney, Pudel Pelle und Stoffhund Rex. Fiete gibt es auch noch, der ist aber mit seinen 14 Jahren in Rente.

Wie kam Ihnen die Idee zur Gründung von Doggykids?
Es war mir ein Bedürfnis, mein Kind in meinen Beruf einzubinden. Ich wollte nicht wie alle anderen Hundetrainer am Sonntag um zehn Uhr morgens auf dem Hundeplatz stehen, und mein Kind fremdbetreuen lassen. Parallel dazu begleitete mich schon viele Jahre die Idee, Kinder im Umgang mit Hunden zu schulen. Auslöser war ein schrecklicher Unfall 2005 in Hamburg, als ein Kind vor Kampfhunden davonrannte und dabei zu Tode kam. Die Tragödie ließ mich nicht los und ich wollte weitere Unfälle vermeiden, wollte Kindern zeigen, wie sie sich verhalten müssen. Verkehrspolizisten erklären Kindern ja auch die Verkehrsregeln. Und ich dachte, es muss doch auch jemanden geben, der ihnen zeigt, wie sie im Alltag gut an Hunden vorbeikommen.

Oder die Hunde gut an ihnen …
Ja, manche Kinder provozieren Hunde auch. Sie gehen an Hunde ran, die angebunden sind und glauben, es kann nichts passieren und dann geht es eben doch schief. Oder sie verhalten sich unbedarft und streicheln einfach fremde Hunde.

Arbeiten Sie vorwiegend mit Kindern, die mit Hunden schlechte Erfahrungen gemacht haben?
Ich schule alle Kinder im Umgang mit Hunden, das impliziert Kinder, die eine echte Hundephobie haben sowie auch Kinder, die schon sehr hundeerfahren sind. Denn gerade bei diesen kommt es oft zu Missverständnissen. Sie glauben, sie können mit anderen Hunden das gleiche machen wie mit ihrem eigenen Hund. Oft muten sie diesem auch zu viel zu, setzen sich beispielsweise in den Hundekorb. Das ist eine Tabuzone.

 

Wie sieht Ihre Arbeit aus?
Mein Schwerpunkt liegt auf der Arbeit mit Kindertagesstätten, also mit Kindern im Alter von einem bis sechs Jahre. Es hat sich als praktikabel erwiesen, zwei Übungseinheiten mit je 90 Minuten abzuhalten. So hole ich dann auch wirklich alle Kinder ab, denn manche brauchen einen Tag, bis sie überhaupt mit mir reden, andere lassen sich sofort auf mich ein. Aber ich besuche auch Familien oder gestalte Kindergeburtstage.

Sie arbeiten auch mit einem Stoffhund?
Ich arbeite mit Rex, einem imposanten Stoffhund. Jeder Pilot arbeitet erst mal mit einer Attrappe, einem Flugsimulator, bevor er sich in ein echtes Flugzeug wagt und so machen wir das auch. Daneben bringe ich auch Handpuppen mit oder animierte Stoffhunde, viele verschiedene Sachen, weil jedes Kind auf anderes Spielzeug positiv reagiert. Da ich alle mit im Boot haben möchte, muss ich einen Strauß von Lern- und Spieleansätzen mitbringen. Erst, wenn wir uns einen gewissen Grundstock erarbeitet haben, gehen wir raus und treffen die echten Hunde. Aber auch dann ist noch keiner gezwungen, sich mit ihnen direkt zu konfrontieren. Diese sehr behutsame Herangehensweise eignet sich vor allem für Kinder, die große Angst vor Hunden haben.

Nutzen Sie die Stoffhunde auch für Rollenspiele?
Klar. Zusammen mit den Stoffhunden spielen wir Erlebnisse nach, welche die Kinder mit Hunden bereits hatten, auch unangenehme. So können sich alle Kinder die Situation vorstellen und sind begeistert bei der Sache. Gemeinsam überlegen wir dann, wie man eine brenzlige Situation hätte auflösen können.

Fällt Ihnen in Ihrer Arbeit auf, dass Kinder heute sehr viel Zeit mit elektronischer Spielware verbringen?
Virtuelle Welten sind in dem Alterssegment, in dem ich arbeite, noch nicht das Thema. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass das bei älteren Kindern eine Rolle spielt. Mir fällt viel mehr diese Chauffeur-Mentalität der Eltern auf, sie fahren ihre Kinder von der Haustüre bis zur Kita, am besten in die Räume hinein. Dieses Abgeschottetsein, das Überbequeme, das ist das Problem. Kinder haben auf diese Weise keine Chance, im Straßenverkehr sicher zu werden oder auch mal Hunde auf dem Gehweg zu erleben. Wie auch, sie sitzen ja ständig im Auto.

Wie macht sich diese Chauffeur-Mentalität in Ihrer Arbeit bemerkbar?
Die Kinder haben zu Tieren nur noch sehr wenig Kontakt. Das merke ich allein an so Dingen, dass sie sich schlapp lachen, wenn der Hund nur niest oder sich wälzt oder schnaubt. Früher hätte darauf keiner reagiert, heute ist das für Kinder ein großes Ereignis.

Kinder haben heute weniger Kontakt zur normalen Welt, sind von biologischen, natürlichen Prozessen eher getrennt …
Die Technik nimmt uns heute sehr viel ab. Wir müssen nicht mehr zur Telefonzelle laufen, wir haben ja alle Handys. Und ja, uns allen kommt die Bodenständigkeit abhanden. Wir laufen Gefahr, den Kontakt zum Alltag, zum Normalen, zur Natur zu verlieren. Und so wird das Niesen eines Hundes zum Großereignis. Ich bin froh, dass ich mit Doggykids dieser Entwicklung etwas entgegensetzen kann. Früher waren meine Kurse wichtig zur Unfallprävention. Heute ist das Aufgabengebiet dahingehend erweitert, dass Kinder überhaupt einen Hund kennenlernen, ein Lebewesen, dem man mit Respekt begegnen sollte.

Und das obwohl rund zehn Millionen Deutsche mit einem Hund im Haushalt leben.
Außerhalb dieser Haushalte ist das Wissen sehr gering. Vielleicht verlieren manche Eltern angesichts der immensen Möglichkeiten auch den Überblick. Zum Tauchen nach Ägypten, Chinesisch-Unterricht ab drei, bildende Künste, ich weiß nicht was alles. Aber dann fällt es den Kindern schwer, sicher über die Straße zu kommen oder eine Hundebegegnung gut zu meistern.

Liebe Frau Benecke, vielen Dank für das Gespräch.