Anzeige

Familiensache – Berufe rund ums Kind

14. Juni 2019, 10:31

Schokolade testen, Kuscheltiere designen, Kinderhotels führen … Eine Menge Berufe drehen sich um den Kosmos „Familie“. In unserer Interviewreihe „Familiensache“ sprechen wir mit Menschen, die sich hauptberuflich oder ehrenamtlich für Kinder und/oder Eltern engagieren. Diese Reihe gibt uns die Möglichkeit, heutige Familien aus immer wieder neuen Blickwinkeln zu betrachten. In dieser Ausgabe im Gespräch: Franziska Ferber, Kinderwunsch-Coach (kindersehnsucht.de)

Bild: Lisa-Marie Schmidt

Die Sehnsucht nach Kindern

Franziska Ferber, 40, kümmert sich als systemischer Coach um Frauen, die ihren Kinderwunsch zumindest zeitweise nicht realisieren können und darunter leiden. Erkennen, dass man über den Zustand der Kinderlosigkeit traurig sein darf, dass es okay ist, wenn die Trauer einen Teil der Persönlichkeit ausmacht, ist eine der wichtigsten Empfehlungen an ihre Klientinnen.
In Deutschland werden immer mehr Zwillinge geboren, was wohl vornehmlich an der Reproduktionsmedizin liegt. Durch die Hormonspritzen, die OPs – mit den Mehrfachschwangerschaften gehen Frauen ein erhebliches gesundheitliches Risiko ein.
Frauen gehen sehr weit für ihren Kinderwunsch und das ja auch zu Recht. Wir haben doch alle von klein auf gelernt, dass sich Anstrengung lohnt, die Idee, dass wir dranbleiben müssen. Wer von uns kann schon mit dem Scheitern umgehen? Man kommt in der Reproduktionsmedizin aber wieder davon ab, den Frauen mehr als ein befruchtetes Ei einzusetzen. Es wird eher zum sogenannten Single Embryo Transfer geraten.

Stimmt mein Eindruck, dass es früher den Frauen leichter fiel, Kinderlosigkeit zu akzeptieren?
Es ist zunächst einmal ein intrinsischer Wunsch, ein Kind haben zu wollen. Unfruchtbare Frauen haben wahrscheinlich zu jeder Zeit unter ihrer Kinderlosigkeit gelitten. Aber früher hatten sie eben nur die zwei Optionen: Entweder sie lernten damit umzugehen oder sie gingen unter. Unter Frauen wurde immer schon darüber gesprochen; neu ist, dass heute die Männer mit einbezogen werden.

Ist es nicht so, dass es die Reproduktionsmedizin unmöglich gemacht hat, Kinderlosigkeit zu akzeptieren?
Es ist für Frauen angesichts der Vielfalt an Möglichkeiten schwierig geworden, in ihren Bemühungen um ein Kind einen Endpunkt zu finden. Solange ein Arzt sagt, es gibt Hoffnung, denkt man, dass man noch eine Chance hat. Die Tatsache, dass die Reproduktionsmedizin so viele Optionen bietet, hat meiner Meinung nach auch dazu geführt, dass Kinderlosigkeit zu einem Tabu geworden ist. Und das ironischerweise in einer Zeit, in der wir alle möglichen Tabus sukzessive aufheben. Ich habe selbst lange Jahre versucht, mit Hilfe der Reproduktionsmedizin schwanger zu werden. Mit allen Mitteln, die in Deutschland möglich und legal waren. Es hat nicht geklappt. Als wir entschieden, uns nicht im Ausland behandeln zu lassen, musste ich den Vorwurf aushalten, dass der Kinderwunsch ja dann nicht so groß sein könne.

Aber da läuft doch dann was schief. Haben Sie das Gefühl, dass es von Frauen heute verlangt wird, Mutter zu werden?
Die Ansprüche an eine Frau sind heute jedenfalls sehr viel breiter aufgestellt. Sie soll Familie und Beruf miteinander vereinbaren. In manchen Kreisen, so scheint es mir manchmal, gelten Kinder als eine Art Lifestyle. Und an den steigenden Geburtenzahlen in Deutschland kann man sicherlich auch eine gesellschaftliche Entwicklung ablesen. Wir leben in unsicheren Zeiten, daher auch das Bedürfnis der Menschen, sich ein Nest zu bauen, Sicherheit und Berechenbarkeit zu schaffen, ein Kind als größtmögliche Stabilität im Leben. Diese gesellschaftliche Strömung gibt auch eine Erwartungshaltung vor. Nachdem ich geheiratet hatte, wurde ich eigentlich nur noch mit einem neugierigen Blick auf meinen Bauch begrüßt.

Leiden Ihre Klientinnen unter der Tatsache, dass sie keine Kinder haben oder unter dem gesellschaftlichen Anspruch?
Es gibt von außen viele schmerzhafte und übergriffige Nachfragen. „Wann ist es denn bei euch soweit?“ gehört dazu oder Sätze wie „Kinder zu haben, ist so ein Glück!“ Wenn ich mir eine Sache wünschen dürfte, dann dass es endlich ein Bewusstsein dafür in der Gesellschaft gibt, dass manche einfach keine Kinder bekommen können. Wenn das bekannt wäre, würden die Menschen nicht mehr so frech und dreist nachfragen. Ebenso schlimm sind diese wohlmeinenden Ratschläge. „Entspann dich mal“, „Kein Wunder bei deinem Stress“. Das impliziert, die Frau wäre selber schuld. Unter Männern ist der Satz, „Weißt du nicht, wie es geht?“ auch sehr beliebt, gerne an Männer gerichtet, die bereits seit langer Zeit mit ihrer Frau in der Reproduktionsklinik sind. Kommentare wie diese können sehr verletzend sein.

In Zeiten, in denen die Familie gehypt ist, wird es für Kinderlose nicht einfacher.
Wir sprechen von zwei verschiedenen Aspekten, die ich in den Coaching-Gesprächen auch immer aufdröseln möchte. Was ist die innere Wahrheit, was kommt wirklich aus mir heraus und was sind angegliederte Versprechen, die mich an meinem Kinderwunsch noch weiter festhalten lassen.
Von Autowerbung bis Toffifee, überall wird suggeriert, du bist glücklich, wenn du zwei Kinder hast. Die Gleichung stimmt so natürlich auch nicht. Die Idee, ich werde glücklich sein, wenn ich erst mal ein Kind habe, treibt einen aber sehr stark an. Heute holen wir uns das Familienleben der anderen zusätzlich aufs Sofa. Früher konnte man sich viel besser abgrenzen, in Zeiten von WhatsApp und Facebook wird man eben dann auch mal von einer Nachricht kalt erwischt. Es gibt Leute, die an ihren gesamten WhatsApp-Verteiler das neueste Ultraschallbild schicken. Wie soll sich eine Betroffene da noch abgrenzen? Sie hat keine Chance, das Bild nicht anzuschauen.

Als ich klein war, gab es in meinem Umfeld alle möglichen kinderlosen Tanten, coole, weitgereiste Ladys …
Und wo sind die coolen Tanten heute? In Frauenzeitschriften werden Frauen portraitiert, die eine Familie haben und beruflich irgendwas Besonderes bewegen, Frauen, die den Spagat zwischen Kindern und Karriere besonders gut hinbekommen. Von Kinderlosen, die einen wertvollen Beitrag leisten, wird so gut wie nie gesprochen. Es fehlen Vorbilder, die Mut machen, Frauen die zeigen, dass man auch ohne Kind zufrieden und erfüllt leben kann.

Liebe Frau Ferber, vielen Dank für das Gespräch.