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Expertenblick

25. Februar 2022, 11:52

Der Branchenbericht des Instituts für Handelsforschung Köln untersucht die Marktentwicklung bei Hartware sowie Baby- und Kleinkinderbekleidung, Schuhen und Accessoires für Kinder bis zwölf beziehungweise 14 Jahren. Lioba Hebauer sprach mit Hansjürgen Heinick, Senior Consultant am IFH Köln , über die gewonnenen Erkenntnisse.

Herr Heinick, wie haben sich die Ausgaben in unserer Branche auch im Vergleich zu den allgemeinen Konsumausgaben entwickelt?
Die allgemeinen Konsumausgaben sind in den letzten zehn Jahren etwas stärker gestiegen als die Ausgaben für Baby- und Kinderausstattung. Wir hatten es zu Beginn des Jahrzehnts allerdings auch mit schwachen Geburtenraten und einer zunächst rückläufigen Anzahl an Kindern bis zwölf Jahren zu tun. Dabei haben sich die Ausgaben je Kind zwischen 2010 und 2019 weitestgehend parallel zur Kinder-anzahl entwickelt. So kamen im Markt für Baby- und Kinderausstattung in den vergangenen Jahren die wesentlichen Impulse von der zunehmenden Geburtenrate und der wachsenden Anzahl der Kinder bis zwölf Jahren. Dieser Zusammenhang ist nun 2020 durch die Pandemie zumindest vorübergehend entkoppelt worden.
Die Nachfrage nach Baby- und Kinderausstattung war 2020 ähnlich rückläufig wie die Konsumausgaben insgesamt. Dieser Markt konnte kaum wie manch andere Branche von verlagerten Ausgaben aufgrund ausbleibender Reisen oder Gastronomiebesuche profitieren. Vielmehr haben sich die während der Pandemie veränderten Bedarfe bemerkbar gemacht. So haben fast alle Warengruppen im Bereich Bekleidung, Schuhe und Accessoires Umsatz verloren, wenn auch weniger deutlich als bei Damen- und Herrenbekleidung – schließlich wachsen Kinder auch während der Pandemie weiter und die Garderobe ist nicht ganz so stark von Anlässen geprägt. Auch der Einbruch bei den Autokäufen brachte entsprechend rückläufige Anschaffungen von Autokindersitzen mit sich. Produkte rund um die eigene Mobilität der Kinder, wie zum Beispiel Fahrräder, Scooter waren dagegen stark gefragt, konnten aber den Gesamttrend nicht umkehren.


Hansjürgen Heinick ist Senior Consultant am IFH Köln. Seine Themenschwerpunkte sind Online-Handel, Handel allgemein und einzelne Branchen, unter anderem Babys & Kinder. Als Autor diverser Branchenstudien und Leiter zahlreicher Marktpotenzialberatungen, Distributions- und Wettbewerbsanalysen verfügt er über ein umfassendes Handels- und Branchen-Know-how.


Was ließen sich junge Eltern die Erstlingsausstattung kosten?
Aus der Zusammenstellung der einzelnen Waren resultiert ein Kostenaufwand von 3.198 Euro für die Erstlingsausstattung. Dabei gehen die Meinungen darüber, was nun tatsächlich notwendig für ein Baby ist, oftmals auseinander und längst nicht alles, was theoretisch notwendig ist, wird auch tatsächlich gekauft. Manchmal wird eine vorhandene Kommode zur Wickelkommode umfunktioniert und nicht alle Eltern kaufen gleich ein neues Badehandtuch. Einiges wird auch „geerbt“ oder gebraucht gekauft. Für Babys und Kinder bis zwei Jahren wurden in Deutschland im Jahr 2020 rund 2,46 Milliarden Euro für Ausstattung ausgegeben. Im gleichen Jahr wurden laut Statistischem Bundesamt 773.100 Kinder geboren. Bei Annahme eines Mindestausgabevolumens von 1.500 Euro je neugeborenem Kind beträgt das Marktpotenzial für Erstausstattung für 2020 rund 1,16 Milliarden Euro.

Fast alle Produktsegmente erlitten 2020 einen deutlichen Einbruch beim Marktvolumen, dennoch werden sich viele 2021 sogar über das Vor-Krisenniveau erholen. Wo lief es besonders gut?
Die Vorausschau auf das Jahr 2021 basiert derzeit noch auf Prognosen. Wir rechnen für 2021 im Markt für Baby- und Kinderausstattung insgesamt mit einer breiten Erholungstendenz über alle Segmente hinweg. Ein wichtiger Impulsgeber sind die derzeit ansteigenden Geburtenraten, wodurch allerdings voraussichtlich nicht das Umsatzniveau von 2019 für den Gesamtmarkt der Baby- und Kinderausstattung erreicht werden kann. Dies gilt insbesondere auch für den Bereich der Bekleidung, für den zumindest ein leichter Zuwachs erwartet werden kann. Mehr Geburten und aufgestaute Nachholbedarfe stimulieren vor allem die Nachfrage nach Autokindersitzen und Kinderwagen, wobei auch hier die Verluste des Vorjahres kaum kompensiert werden dürften.

Baby- und Kinderausstattung 2020 gesamt

Haben Sie in der potenziellen Eltern-Altersgruppe der 25- bis 45-Jährigen Veränderungen bei Einkaufsgewohnheiten und Konsum festgestellt?
Schon seit längerem stellen wir fest, dass die jüngeren Konsument*innen tendenziell weniger zum Shoppen in die Innenstädte gehen. Stattdessen nimmt das Online-Shopping zu, während Innenstadtbesuche einen etwas anderen Charakter erhalten: Shoppen ja, aber eingebettet in mehr Freizeitbeschäftigung und weniger Bedarfsdeckung. Während der Pandemie ist allerdings das Thema One-Stop-Shopping wieder aktueller geworden. So war es nicht nur während der Lockdown-Phasen durchaus praktikabel, in einem Verbrauchermarkt nicht nur Lebensmittel zu kaufen, sondern auch nach verfügbaren Ausstattungsprodukten für Babys und Kinder Ausschau zu halten. Ähnliches gilt auch für sogenannte Fachmarktzentren, mit kurzen Wegen – einmal anfahren und vor Ort das Notwendige einkaufen. Profitiert haben auch kleinere Händler abseits der Innenstadtlagen, wo wenig Gedränge herrscht und die Unterstützung der „Kleinen“ dem eigenen Wohlbefinden gerade in schwierigen Zeiten guttut.

Wie deutlich sind die Verschiebungen bei den Vertriebskanälen für Kinderausstattung?
Der deutliche Rückgang der Nachfrage in den Kernmärkten für Baby- und Kinderausstattung wirkt sich natürlich auch auf die Umsatzentwicklung des entsprechenden Fachhandels aus. Zudem ist eine weitere Kanalverschiebung in den Onlinehandel mit großen Schritten vorangegangen. Der Fachhandel mit Baby- und Kinderausstattung hat 2020 im Vergleich zu 2018 nicht nur rund zehn Prozent des Marktanteils eingebüßt, sondern auch mehr als sieben Prozent Umsatz verloren. Noch deutlicher sind diese Entwicklungen im Fachhandel für Kinderbekleidung. 2020 haben indes nahezu alle Vertriebsformen Umsatzverluste zu verzeichnen, mit Ausnahme der Online-Händler (Versender und Internet-Pure-Player). Wir gehen davon aus, dass sich die Kanalverschiebung fortsetzt – ab 2022 nicht mehr so rasant, aber auch mit wenig „Rückkehrern“ zu vorherigen Kaufgewohnheiten. Der Anteil des Fachhandels wird entsprechend auch in Zukunft abnehmen. In einem moderat wachsenden Markt bedeutet ein leichter Anteilsrückgang aber nicht zwangsläufig Umsatzverlust, sondern lediglich ein mehr oder weniger unterdurchschnittliches Wachstum.

Szenario Umsatzentwicklung Onlinehandel
Quelle: IFH Köln, Branchenreport Onlinehandel 2021, Köln, 2021

Stichwort „Corona-Turbo“: Wie hoch lag 2020 der Online-Anteil? Und welche Prognose würden Sie für die Entwicklung bis 2025 abgeben?
Der Onlinehandel hat im Markt für Baby- und Kinderausstattung 2020 einen Anteil von fast 37 Prozent erreicht. Bis 2025 kann der Anteil auf bis zu 48 Prozent anwachsen. Dies bedeutet einen jährlichen Zuwachs von rund acht Prozent. Für dieses Wachstum werden aber wohl nicht nur die Online-Händler (Versender, Internet-Pure-Player) sorgen, sondern auch Fachhändler des Kernmarktes ebenso wie der Fachhandel aus anderen relevanten Branchen wie Bekleidung oder Möbel. Hinzu kommen die voraussichtlich noch zunehmenden Aktivitäten von Herstellern in der Online-Direktvermarktung.

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