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Europäische Babyindustrie – Herausforderungen und Chancen

6. März 2020, 12:35

Ein genereller Rückgang der Geburten, Veränderungen im Verbraucherverhalten und der Einfluss der neuen Technologien – eine Studie von KidzGlobal in acht europäischen Ländern im Auftrag der European Nursery Products Confederation zeigt für die Babybranche ein Umfeld auf, das sich schnell verändert und entwickelt.

Die von der European Nursery Products Confederation (ENPC) im Rahmen der letzten Kind+Jugend in Köln organisierte Konferenz gab in Form von Informationen und Daten Aufschluss über das Geschäft mit Babyprodukten in ganz Europa. Leider waren einige der vorgestellten Forschungsergebnisse nicht ganz so aktuell wie es angesichts des sich schnell entwickelnden Umfelds wünschenswert gewesen wäre.
Die Hauptziele der Studie zeigte Philippe Guinaudeau, CEO von KidzGlobal und Spezialist für quantitative Marktforschung und Consultant für Konsummärkte mit Fokus auf Kindern, auf. Im Zentrum seines Vortrags „European Nursery Market Review – Opportunities for the Industry“ standen das Verständnis für die Größe des Markts, die Komponenten des Verbrauchs und die Zusammensetzung des Einzelhandels, aber auch die Auswirkungen des Internets auf die Informationsbeschaffung und das Online-Shopping, die Vorwegnahme der Verbraucherbedürfnisse und die Herausforderungen eines neuen Einzelhandelsumfelds sowie die Vorbereitung der Hersteller von Babyprodukten auf die Entwicklungen, die durch die Veränderungen in unserer Gesellschaft verursacht werden. Er wies aber auch darauf hin, dass es keine standardisierte Quelle an Informationen gebe, was die Größe und die Charakteristiken einer Einzelhandelslandschaft für Babyprodukte in Europa angehe und dass eine globale Annäherung zu den europäischen Märkten fehle.

Philippe Guinaudeau, CEO KidzGlobal, ist Spezialist für quantitative Marktforschung und Consultant für Konsummärkte mit Fokus auf Kinder

In Deutschland steigen die Geburtenraten, in den anderen untersuchten Ländern gehen sie weiter zurück

Demographie

Abgesehen von Deutschland (677.947 Geburten im Jahr 2010, 787.541 im Jahr 2018) sanken in allen acht untersuchten europäischen Ländern die Geburtenraten. Die auffälligsten Rückgänge wurden in Italien verzeichnet (von 561.944 auf 439.747 innerhalb derselben Zeitspanne) und in Spanien (von 486.575 auf 369.302). In Frankreich drehte sich ein zuvor stabiler Trend, nachdem die Finanzierung und die Unterstützung für Familien mit neugeborenen Kindern 2015 gekürzt wurden. Konsequenterweise fiel Frankreich, das als Markt für Babyprodukte früher Platz eins belegte, jetzt auf Platz 3 zurück. Auch andere Veränderungen haben Auswirkungen auf das demographische Szenario: Während die Geburtenraten nirgendwo höher sind als in Frankreich mit 1,92 Kindern pro Frau, sind Eltern heute älter als zuvor. Paare mit Kindern werden seltener und der Anteil von alleinstehenden Erwachsenen mit Kindern nimmt zu – trotzdem steigt ihre wirtschaftliche Bedeutung. Eltern haben heute durchschnittlich mehr Kaufkraft als in früheren Jahren.

Marktgröße

Insgesamt sind in den acht untersuchten Ländern (Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, die Niederlande, Spanien und das Vereinigte Königreich) die Geburten zwischen 2010 und 2018 um 310.000 gefallen – was einen Rückgang des Marktes in dieser Zeitspanne von rund 152 Millionen Euro nach sich zog. Für Babyprodukte (inklusive Kinderwagen, Autositze und alles rund ums Füttern, aber ohne Kleidung, Spielzeug, Möbel) wurde in den Niederlanden 2018 pro Kind am meisten ausgegeben (582 Euro), gefolgt von Belgien (574 Euro). Am sparsamsten waren die Eltern in Spanien (416 Euro) und Italien (448 Euro). Der gesamte Markt von Babyprodukten der acht Länder umfasst 3,4 Milliarden Euro, wenn man die eben angeführten Produktkategorien betrachtet. Das Vereinigte Königreich ist führend (761 Millionen Euro), dicht gefolgt von Deutschland (759) und Frankreich (727), während Italien (402) und Spanien (317) das Schlusslicht bilden.

Ausgaben pro Kind 2018 inklusive Kinderwagen, Autositze und alles rund ums Füttern ausgenommen Kleidung, Spielzeug und Möbel: Außer in Frankreich sind die Ausgaben pro Kind in allen Ländern gestiegen

Marktgröße 2018 in Millionen Euro inklusive Kinderwagen, Autositze und alles rund ums Füttern ausgenommen Kleidung, Spielzeug und Möbel: Der gesamte Markt von Babyprodukten der acht Länder umfasst 3,4 Milliarden Euro

Markentreue

Um den Rückgang bei den Geburten zu kompensieren, ist die Babyindustrie darauf angewiesen, dass die Verbraucher mehr Geld ausgeben. Ein vielversprechender Aspekt ist dabei die hohe Markentreue. Eine Studie, die in Frankreich (Quelle: FJP, von Crédoc und KidzGlobal) durchgeführt wurde, zeigt, dass Käufer relativ viel Zeit damit verbringen, sich nach dem richtigen Produkt umzusehen. Aber wenn sie es gefunden haben, würden sich 83 Prozent der Verbraucher wieder für dasselbe Produkt derselben Marke entscheiden. Die Forschungsergebnisse belegen auch, dass die Wertschätzung der Käufer je nach Vertriebskanälen variiert: Bei Fachgeschäften für Babyprodukte stehen Produktqualität, Beratung und Kundenservice an erster Stelle. Der Preis und die große Auswahl werden vor allem bei Warenhäusern und Verbrauchermärkten geschätzt, die Fülle des Angebots überzeugt im Internet.

Trends

Guinaudeau hat zehn aktuelle und junge Trends als wichtig für die Babyindustrie identifiziert, basierend auf zwei Auswahlkriterien: zum einen der Wahrscheinlichkeit, dass sich der Trend tatsächlich etabliert und zum anderen das Potenzial des Trends für die Hersteller von Babyprodukten.
1. Der Second-Hand-Markt wächst beeindruckend. Daten des Textileinzelhandels zeigen, dass sich der Second-Hand-Markt innerhalb von fünf Jahren verdoppeln wird (2018-2023) – unterstützt von einem Trend zu mehr Sparsamkeit und Spenden.
2. Der Wert von Transaktionen im Rahmen von Sharing Economy-Modellen hat sich zwischen 2013 und 2015 mehr als verdoppelt, während sich die Einnahmen der entsprechenden Plattformen mehr als verdreifacht haben (Quelle: PwC, 2016).
3. Neue Geschäftsmodelle entwickeln sich, da künstliche Intelligenz und virtuelle Realität das tägliche Leben erleichtern und die Verbraucher bei ihren Kaufentscheidungen unterstützen.
4. Verfolgbarkeit und die Transparenz der Einkaufsquellen sind für die Generation der „Millennials“ zunehmend wichtiger, sodass immer mehr Firmen saubere, sichere und nachhaltige Produkte anbieten, die sie vom Wettbewerb abheben. Prozesse und Produktion müssen sie entsprechend anpassen.
5. Es ist bewiesen, dass Personalisierung den Wert des Produkts steigert: 48 Prozent der Verbraucher geben mehr aus, wenn ihre „Erfahrung“ personalisiert ist. 90 Prozent der Vermarkter glauben, dass Personalisierung die Zukunft ist, 74 Prozent der Verbraucher sind frustriert, wenn der Inhalt eines Produkts mit ihnen nichts zu tun hat.
6. Die Urbanisierung, sinkende Haushaltsgrößen, der überfüllte städtische Transport, sich ändernde Geschlechterrollen, der demografische Wandel und die neuen Technologien führen zu einer globalen Nachfrage nach mehr Komfort und Bequemlichkeit – und nach Produkten und Lösungen, die dabei helfen, die Lebensstile zu vereinfachen. Das hat eine Auswirkung auf unzählige Industrien.
7. Multi-Channel-Shopping wird ersetzt durch Omni-Channel-Shopping, bei dem alle Kanäle für die Verbraucher zugänglich und miteinander verbunden sind: Erfolgreiche Einzelhandelsstrategen stellen Kunden eine komplett integrierte Einkaufserfahrung zur Verfügung, die stationären Einzelhandel mit Online-Shopping und allem dazwischen verbindet. Die Art und Weise der Transaktion verleiht den Kommentaren im Internet Bedeutung, die zum großen Teil positiv sind, weil die Nutzer kommunizieren wollen, dass sie die richtige Wahl getroffen haben.
8. Digitale Produktplatzierung: Dies ist ein entscheidender Vorteil für Werber, da die Art und Weise der Präsentation entscheidet, ob das Produkt einen positiven oder eher negativen Eindruck beim Betrachter hinterlässt.
9. Während sich die „augmented reality“ von der Nischentechnologie zu einer Must-have-Technologie entwickelt hat, hat auch das Internet of Things, das Alltags-Objekte mit smarten Funktionen ausstattet, jeden Sektor oder jede Industrie erreicht.
10. Regulierungen, besonders Sicherheitsstandards, werden schärfer und schärfer, und das hat Auswirkungen auf die Produktentwicklung und -herstellung. Zur selben Zeit eröffnen sie den Firmen Chancen, sich als Marken und Gesellschaften am Markt zu positionieren, denen diese Themen wichtig sind.

Empfehlungen

Philippe Guinaudeau beendete seinen Vortrag mit einigen persönlichen Empfehlungen: „Erstens: Seien Sie sich bewusst, dass Sie die Informationen besitzen. Die Industrie sollte eine Plattform zur Verfügung stellen, die Verbraucher nutzen, wenn sie nach Informationen über Babyprodukte suchen. Besonders, was die Regulierungen anbelangt. Zweitens: Engagieren Sie sich im Second-Hand-Markt, der jetzt rasant an Geschwindigkeit zulegt. Wir leben in einer Weltwirtschaft, in der man überall verkaufen kann, indem man Produkte in andere Länder bringt. Es wäre besser, wenn die Second-Hand-Produkte von Profis verkauft werden oder wenn die Industrie sie recycelt und einen Teil des Wertes zurückgewinnt. Drittens: Nutzen Sie die neuen Technologien: In der nahen Zukunft werden Menschen auftauchen, die die neuen Technologien nutzen, um den Markt neu zu erfinden. Seien Sie der Erste und nutzen Sie Ihre Kreativität!“