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Es lebe der Kunde!

27. Mai 2022, 9:45

Thomas Stoklossa ist Vertriebsexperte mit Herz – buchstäblich! Mit Vorträgen, Workshops, Seminaren und mit seinem aktuellen Buch hilft er Unternehmen, die Herzen ihrer Kunden (wieder) zu gewinnen. Im Interview mit Astrid Specht spricht er über die wichtigsten Aspekte der Kundenzentrierung und umreißt, wie man Kunden auch langfristig begeistert.

Herr Stoklossa, in einer Welt, in der Produkte immer austauschbarer werden, wie können sich Unternehmen von der Konkurrenz abheben und etwas einzigartiges bieten – ohne in einen Kampf um den günstigsten Preis zu verfallen?
Als wir für unsere neugeborene Tochter ihr erstes Bettchen gekauft haben, sind wir in mehrere Möbelhäuser gegangen. Im Prinzip sind alle Betten gleich, doch wir haben eines der teuersten gekauft. Warum? Die Verkäuferin zeigte uns bei einem Bett den Schaukelmechanismus und sagte: „Stellen Sie sich vor, wie schön Ihre Tochter einschläft, wenn Sie sie in den Schlaf wiegen!“ Da hat sie voll mein Kundenherz getroffen! Emotionen sind also der Schlüssel zur Einzigartigkeit, denn mehr als 80 Prozent unserer Entscheidungen treffen wir auf Basis des Gefühls. Der Kopf denkt und lenkt, aber das Herz entscheidet!

Was genau gehört zu einem positiven Kundenerlebnis?
Für mich ist ein positives Kundenerlebnis immer dann, wenn ich abends davon erzählen kann. Im vorherigen Beispiel haben wir natürlich unseren Großeltern und Freunden stolz berichtet, welch tolles Bett wir gefunden haben! Erlebnisse und Begeisterung entstehen durch drei Faktoren: Kundenerwartung erfüllen, erzählbare Erlebnisse schaffen und emotionale Mehrwerte bieten. Alle diese Punkte hat die Verkäuferin erfüllt! Gleichzeitig sind das auch die Stärken des Handels: Produkte erleben, Inspirationen erhalten und sich von erfahrenen Menschen beraten lassen. Im Digitalen sieht es etwas anders aus: Hier möchte ich viel Auswahl, einfache, schnelle und bequeme Bestellprozesse, vielleicht auch einen günstigen Preis.

Inwieweit haben sich diese Definitionen in den letzten Jahren verändert? Sind Kunden anspruchsvoller geworden? Welche Rolle spielt das Internet dabei?
Das Internet hat die Kaufprozesse deutlich verändert und Corona zusätzlich beschleunigt. Mehr als 80 Prozent der Kunden bereiten ihre Käufe im Internet vor und lesen Tests oder Erfahrungsberichte*. Daher starten die Kaufprozesse mittlerweile online, das muss jedem Händler klar sein. Wenn ich also vor­informiert in ein Geschäft gehe, muss mir der Verkäufer mehr bieten, als ich selbst auf Google finden kann. Erfolgreich werden diejenigen sein, bei denen die Kunden das Geschäft anders verlassen, als sie es betreten haben. Der Einkauf muss zu einem emotionalen Erlebnis werden, er muss die Herzen erreichen, was das Internet nicht kann.

*Quelle: https://zukunftdeseinkaufens.de/konsumentenreport-q1-2022/

Thomas Stoklossa ist Vertriebsexperte, Autor und Familienvater

Gibt es Aspekte, die Unternehmen für kundenorientiert halten, die sie aber gar nicht sind? Wenn ja, welche sind das?
Grundsätzlich halten sich alle Unternehmen für kundenorientiert. Allerdings erlebt man an vielen einzelnen Stellen, beispielsweise wenn ich fünf Minuten in der Hotline warte, auf spezielle Fragen per Mail nur Textbausteine zurückbekomme oder beim Betreten eines Geschäfts vollkommen ignoriert werde, etwas anderes – nämlich, dass man als Kunde nicht in die vorgesehenen Prozesse passt. Wir waren beispielsweise für den Schulanfang auf der Suche nach einem Bürostuhl für unsere Tochter. Nach langer Suche hat sie sich in ein pinkes Modell verliebt. Leider war der Stuhl nicht auf Lager und nicht lieferbar. Selbst das Ausstellungsstück war nicht kaufbar, weil das die internen Regeln nicht vorsahen. Tief enttäuscht hat meine Tochter das Möbelhaus verlassen und will es bis heute nicht mehr betreten.

Welche Wege sollten Händler im Unterschied zu Herstellern gehen, um die Herzen ihrer Kunden zu gewinnen?
Nehmen Sie als Vorbild die Lieblings­geschäfte, die jeder von uns hat. Beispielsweise fahre ich mehr als 30 Kilometer in die Autowerkstatt, mehr als 80 Kilometer zum Optiker – warum? Weil ich dort nicht als Kunde, sondern wie ein Freund behandelt werde. Wollen Sie die Herzen der Kunden gewinnen, denken Sie dabei an ihre eigene Liebe. Was haben Sie gemacht, um Ihre Partnerin beziehungsweise Ihren Partner von sich zu begeistern? Zunächst möchte man attraktiv und interessant erscheinen. Das bedeutet, das Geschäft muss modern und einladend gestaltet sein. Zweitens wollen Sie ernst genommen werden, das heißt, es bedarf einer hohen fachlichen Kompetenz und einer guten Produktauswahl. Drittens entstehen Beziehungen nur durch Nähe – begrüßen und begleiten Sie also Ihre Kunden durch das Geschäft, seien Sie aufmerksam und ansprechbar. Aber nicht aufdringlich – das führt schnell zu einer Abfuhr. Viertens: Gehen Sie die „Extrameile“, engagieren Sie sich für den Kunden! Geht nicht, gibt’s nicht! Und fünftens: Überraschen Sie! Gerade eine Liebesbeziehung lebt vom Neuen, von kleinen persönlichen Aufmerksamkeiten. Schenken Sie Ihren Kunden etwas! Andere Branchen machen das vor, wie der Metzger mit der Gelbwurst. Je individueller und personalisierter umso wirkungsvoller. Emotionalisieren Sie mit einem Maskottchen und einem Fotopoint. Achten Sie darauf, dass an jedem einzelnen Kontaktpunkt im Geschäft eine positive Wirkung erzielt wird. Unternehmen Sie alles, damit Ihre Kunden das Geschäft mit dem Gefühl „Wow, was für ein toller Einkauf!“ verlassen!

Was sind die häufigsten Gründe, wes­halb es Unternehmen schwerfällt, diese Wege zu gehen? Insbesondere in der Babybranche sollte das doch ganz einfach sein, denn kaum eine andere ist so emotional und auf das Herz ausgerichtet wie diese …
Die größte Herausforderung ist der tägliche „Murmeltiertag“, die Macht der Gewohnheit. Für Händler ist es normal, dass täglich Eltern zu ihm kommen. Für die Mutter oder den Vater ist es jedoch ein magischer Moment, denn es geht um das erste Kleid, das erste Bett, den ersten Babysitz. Der Zauber des Erstmaligen muss im Geschäft erhalten und ge­fördert werden – und nicht durch ­Routine zerstört. Hier hilft es, seinen eigenen Fokus zu schärfen: Wenn ich morgens aufstehe und für meine Kunden einen Unterschied machen will – dann ­werden sie es auch in der Realität erleben.

Welche Rolle ­spielen ­Geschäftsführung, Vorgesetzte und Mitarbeiter*innen? Wie müssen verschiedene Hierarchieebenen aufeinander einwirken, sodass am Ende der Kunde vom Produkt, der Marke etc. begeistert ist?
Es wird oft vergessen: Vor der Kunden- kommt die Mitarbeiterbegeisterung. Deshalb hat die Führungsebene ganz entscheidenden Anteil daran, dass das Konzept gelebt wird. Erfolgsfaktor ist, dass Vor-Gesetzte auch Vor-Macher sind! Darüber hinaus entwickeln die Mitarbeitenden ungeahnte Energie, wenn man ihnen Vertrauen schenkt und Freiräume sowie Kompetenzen gibt.

Es gibt Unternehmen/Händler, die zu Anfang oder nach einer Neuausrichtung das Konzept „Kundenzentrierung“ voller Begeisterung leben, doch irgendwann setzt eine Art „Schlendrian“ ein und der Kunde scheint wieder an Wichtigkeit zu verlieren. Was sind die häufigsten Gründe dafür und wie kann man das verhindern?
Diesen „Neujahrseffekt“ kennen wohl alle von uns. Es gibt dafür zwei Ansätze: Rituale und Verantwortung. Zu den Ritualen zählen regelmäßige Treffen und Workshops zur Kundenbegeisterung. Hier muss offen über die Erfolge und den Verbesserungsbedarf gesprochen werden. Ebenso sind kontinuierliche Kundenbefragungen notwendig. Übertragen Sie außerdem bewusst die Verantwortung für die Kundenzentrierung auf einzelne Mitarbeiter. In jedem Unternehmen gibt es Menschen, die aus vollem Herzen Kundenbegeisterung leben und den Funken auf andere übertragen!

Vielen Dank, für diese Einblicke, Herr Stoklossa!

thomas-stoklossa.de

In seinem aktuellen Buch „Die KundenHerzGewinner“ zeigt Thomas Stoklossa auf, wie man systematisch an der ­Kundenbeziehung arbeiten kann