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Enkelfähig 4.0

2. September 2022, 11:22

Inzwischen dürfte klar sein, dass das Thema Nachhaltigkeit kein Trend ist, der irgendwann vorübergeht. Daher ist es wichtig, dass Unternehmen jetzt für sich definieren, was das Schlagwort für sie bedeutet, und diese Erkenntnisse ab sofort als feste Faktoren in ihre Wertschöpfung einbringen. Astrid Specht sprach mit Dr. Stephan Hundertmark von der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner darüber, was das vor allem für familiengeführte Unternehmen bedeutet.

Herr Dr. Hundertmark, wie gehen familiengeführte Unternehmen mit dieser neuen Ausrichtung um, also damit, Nachhaltigkeit in ihre Unternehmensziele einzubeziehen?
Wenig überraschend tendieren gerade konsumentennahe Unternehmen im
Allgemeinen und Unternehmen der Babybranche im Besonderen zu einem Führungsanspruch beim Thema Nachhaltigkeit – anders als (noch) in vielen Industriegütermärkten. Gründe sind das zunehmende Interesse an nachhaltigen Produkten seitens junger Eltern und die entsprechend wachsenden Angebote innovativer Unternehmen der Branche. Aus diesen positiven Überlagerungen von Push- und Pull-Faktoren vollzieht sich gerade eine Transformation der Babybranche – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit!
Chancen und Herausforderungen liegen hier, wie so oft, nah beieinander und müssen von Unternehmer*innen jetzt vorrausschauend in einer Unternehmensstrategie, die Nachhaltigkeit mit Zukunftsfähigkeit verknüpft, gestaltet und umgesetzt werden. Gerade in Familienunternehmen ist diese Veränderungsbereitschaft meiner Erfahrung nach häufig stärker ausgeprägt und reicht von der Ablösung tradierter Warengruppen über neue Produkt-Markt-Kombinationen bis zur fundamentalen Veränderung von Geschäftsmodellen.

Unternehmensstrategien, die Nachhaltigkeit mit Zukunftsfähigkeit verknüpfen, werden inzwischen auch „ESG-Strategien“ genannt (von englisch: „Environmental Social Governance“). Lösen diese jetzt die Corporate Social Responsibility (CSR) ab?
Tatsächlich hat sich die Überschrift mit der Zeit verändert. ESG schließt nun auch explizit ökologische Nachhaltigkeit ein. Für die meisten Familienunternehmen ist dies aber eher eine Randnotiz, da bereits unter CSR ein ganzheitliches Verständnis für Nachhaltigkeit entstanden ist, das vielfach auch schon gelebt wird.

Welche Fragen sollten sich Unternehmer*innen stellen, um eine authentische, realistische Nachhaltigkeitsstrategie zu entwerfen?
Startpunkt jeder Nachhaltigkeitsstrategie ist die persönliche Motivation und Vision des Gesellschafterkreises für das Unternehmen. Diese variiert häufig zwischen den Polen „Compliant only“ – also nur der Erfüllung aller regulatorischer und marktüblicher Anforderungen und dem Anspruch, „Sustainable Leader“ im eigenen Wettbewerbsumfeld zu sein. Je nach Selbstverständnis und Ambitionsgrad werden daraus Ziele für weitere zentrale Dimensionen einer Nachhaltigkeitsstrategie abgeleitet: Klimaneutralität, Ressourceneffizienz beziehungsweise Kreislaufwirtschaft, soziale Verantwortung sowie betriebswirtschaftliche Erfolgsgrößen. Klar ist: Für diese Ziele müssen Unternehmen sich schon zum Teil auch unbequemen Fragen stellen!

Fällt es der jungen Generation leichter, diese unbequemen Fragen zu stellen und die ebenso unbequemen Antworten unternehmerisch umzusetzen und zu leben?
Aus meiner Erfahrung gibt es in Sachen persönliche Motivation tatsächlich einen Generationenunterschied. So macht sich die Unternehmer*innen-Generation, die den Babyboomern nachfolgt, weit mehr Gedanken über ihr unternehmerisches Engagement außerhalb des unmittelbaren Einflussbereichs mit Lieferanten, Kund*innen und der eigenen Wertschöpfung. Wir begleiten häufig Unternehmen bei diesem selbstkritischen Blick auf die vor- und nachgelagerten Lieferketten, das eigene Produktangebot im Zusammenspiel mit dem Konsumverhalten der Verbraucher sowie den ökologischen Fußabdruck ihrer Produkte über den gesamten Lebenszyklus. Ihre zugrundeliegende Motivation hat meist zwei persönliche Treiber: Zum einen die Überzeugung, dass es die Nachhaltigkeitswende braucht. Zum anderen die Möglichkeit, im Unternehmen eine eigene Episode des Wandels zu prägen und so Spuren zu hinterlassen -– und nicht „nur“ Gleiches einfach besser zu machen als die Altvorderen.

Dr. Stephan Hundertmark ist Partner und Experte für Nachhaltigkeit bei der Münchner Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner

Welche Vorteile haben familiengeführte gegenüber managementgeführten Unternehmen bei der Beantwortung dieser Fragen und der bewussten Gestaltung der Wertschöpfung?
Etwas verkürzt und polemisiert: Es ist die Generationenperspektive und Ausdauer von Familienunternehmer*innen gegenüber dem Konservieren von aktuellen Erfolgsfaktoren und dem Verteidigen von organisatorischen Fürstentümern für die Dauer der eigenen Karriere.

wieselhuber.de